D Süüch im Huus 7. Februar 2022
Die ehemalige Zeitlupe-Redaktorin Usch Vollenwyder (70) erzählt seit Beginn der Corona-Krise jede Woche aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: von Testen, Bürokratie, Isolation und Quarantäne.
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Die Kleine kommt mit Husten und Halsschmerzen von der Schule nach Hause. Ihre Stirn ist heiss, die Augen glänzen. Der Fiebermesser zeigt über 39 Grad. Ihre Mama schickt sie ins Bett und macht eine grosse Kanne Tee. Gegen Abend fühlt sie sich weniger krank. Sie will einen Corona-Test machen. Corona-Selbsttests findet sie spannend und macht sie, wann immer sie Anzeichen einer Erkältung hat. Dann sitzt sie gebannt vor der Testkarte und wartet, bis die Kontrolllinie erscheint. Doch diesmal zeigt sich auch die Testlinie. Die Kleine hat Corona, und der Selbsttest hat seine bisherige Attraktivität ab sofort eingebüsst.
Ihre Mama meldet die Kleine von der Schule ab und zum PCR-Spucktest an. Sie bekommt erst für den nächsten Nachmittag einen Termin. Zwei ganze Tage dauert es, bis das Ergebnis das Resultat des Selbsttests bestätigt. Bis dahin ist die Kleine bereits wieder mehr oder weniger fit. Gleichzeitig beginnt in unserem Generationenhaus das Corona-Karussell, über das wir längst den Überblick verloren haben. Sohn und Tochter bringen in Erfahrung, dass dreimal Geimpfte nicht in Quarantäne und sich – ohne Symptome – auch nicht testen lassen müssen. Mein Mann und ich sagen unsere Termine für die nächsten fünf Tage trotzdem ab und ergeben uns dem gemächlichen Lockdown-Rhythmus.
In der Schule wird ein Massentest angeordnet. In der Klasse der Kleinen sind weit mehr als die Hälfte der Kinder positiv. Die Schulleitung beschliesst Fernunterricht. Die Lehrerin geht von Briefkasten zu Briefkasten und legt das Mäppchen mit den Aufgaben bis zu den Sportferien hinein: Leseaufgaben und Tagebuchschreiben, Rechnen und Uhrzeiten eintragen. Aber auch Musik hören, Rhythmus klatschen oder Bewegung im Freien gehören dazu. Derweil ist meine Schwiegertochter mit der administrativen Verwaltung des Virus beschäftigt. Sie schüttelt den Kopf ob all der Merkblätter, Anordnungen und Formulare, die täglich mehrfach auf ihr Handy kommen und gelesen und ausgefüllt werden müssen.
Der Aufwand verdoppelt sich, als sie selber krank und positiv getestet wird. Sie fragt sich, wie sich weniger geübte Leser und Schreiberinnen in diesem Bürokratiedschungel zurechtfinden sollen. Und wer um Himmels Willen all die Daten kontrollieren und verwalten will. Die Kleine heftet derweil ein Plakat an die Tür: «Mir sint in Garantäne.» Dazu zeichnet sie das Virus. Es sieht aus wie eine Rosskastanie in ihrer stachligen Hülle. Als mein Mann das Plakat betrachtet, hat er plötzlich ein längst vergessenes Bild vor Augen: wie ein breiter Streifen aus Sägemehl die Grenze zum benachbarten Bauernhaus markierte, weil dort die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen war. Dahinter begann für Mensch und Tier die Quarantäne.
Vor bald sechzig Jahren, als zum letzten Mal die Maul- und Klauenseuche in der Schweiz wütete, war mein Mann etwa so alt wie die Kleine heute. Ich frage mich, welche Erinnerungen an Corona sie dereinst mit ins Erwachsenenleben nehmen wird.
- Erinnern Sie sich auch an die Maul- und Klauenseuche? Dann erzählen Sie uns doch davon. Wir würden uns freuen.
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