Was ist, was war, was wird? Kunstgiesser Felix Lehner über seine persönliche Sternstunde, schlechte Laune und die Vorteile des frühen Morgens.
Text und Foto: Jessica Prinz
Womit sind Sie derzeit beschäftigt?
Vor der Art Basel ist in unseren Werkstätten immer sehr viel zu tun. Zudem komme ich
soeben aus Shanghai zurück, wo wir seit fast 20 Jahren eine zweite Produktionsstätte betreiben. Dort entsteht gerade mit der polnischen Künstlerin Monika Sosnowska ein riesiges Tor aus Aluminium für den Park der Villa Giulia in Rom.
In welchem Jahrzehnt wären Sie gerne jung gewesen?
In den 70ern. Ich habe mir nie eine andere Zeit gewünscht als das Jetzt – damals wie heute.
Was war Ihre persönliche Sternstunde?
Mit 20 lernte ich den Künstler und Bildhauer Hans Josephsohn persönlich kennen. Diese Begegnung war eine der zentralen Motivationen, eine eigene kleine Kunstgiesserei zu gründen.
Welches bahnbrechende Ereignis hätten sie gerne miterlebt?
Ich hätte gerne beim Guss der Glocke in Tarkowskis Film «Andrej Rubljow, Bildnis eines Ikonenmalers» mitgeholfen.
Was war Ihr letztes Erfolgserlebnis?
Dass eine Amsel in einem Blumentopf in unserem Treibhaus ihr Nest mit fünf Eiern gebaut hat – und zweieinhalb Wochen später fünf Jungvögel ausgeflogen sind. Alle überlebten, obwohl wir immer ganz nahe am Nest vorbeilaufen mussten.
Was haben Sie kürzlich über das Leben gelernt?
Dass man nett und tolerant zu sich selber sein soll.
Prägen Sie eher Ihre Erinnerungen oder Ihre Erwartungen?
Mir gibt der Reichtum meiner Erinnerungen – an tolle und schwierige Erfahrungen – die Zuversicht, dass die Zukunft auch ohne Erwartungen spannend, überraschend und erfüllend sein wird.
Was ist fester Bestandteil Ihres Alltags?
Sehr früh aufstehen, um noch zwei Stunden für mich alleine zu haben.
Was tun Sie gegen schlechte Laune?
Ich habe das Glück, ganz selten schlechte Laune zu haben. Wenn es doch einmal vorkommt, hilft arbeiten unheimlich schnell. Oder die Begegnung mit tollen Kunstwerken, die die Kraft haben, das Innerste zu berühren. Dann sieht meine Gefühlswelt gleich wieder viel besser aus.
Was macht Sie zu einem guten Menschen?
Ob es wirklich besonders gute Menschen gibt, daran zweifle ich. Ich bin wohl ein freundlicher Mensch und hoffe, noch lange in reger Auseinandersetzung mit meinen Mitmenschen zu stehen und zusammen um die gemeinsamen Werte im gesellschaftlichen Leben zu ringen.
Worauf wetten Sie?
Dass Kunst und Kultur gerade in schwierigen und abgründigen Zeiten noch wichtiger sind.
Welche Erfindung würde die Welt verbessern?
Ich denke nicht, dass Erfindungen unsere Welt wirklich verbessern. Viel wesentlicher scheint mir, uns immer wieder bewusst zu machen, wie fragil unsere Gemeinschaft ist und dass jeder von uns dafür verantwortlich ist, diese zu schützen und neu zu durchbluten.
Was kommt nach dem Tod ?
Neue Kinder, die mit unserer Welt umgehen.
Felix Lehner
(* 1960) ist ein renommierter Schweizer Kunstgiesser und Preisträger des Prix Meret Oppenheim 2025. Lehner arbeitet seit den 1980er-Jahren an der Schnittstelle von Handwerk, Innovation und Nachhaltigkeit und hat mit der Gründung seiner Kunstgiesserei in St. Gallen ein Mekka für künstlerische Produktion geschaffen. Er arbeitet mit international bekannten Kunstschaffenden wie Hans Josephsohn oder Pierre Huyghe zusammen.