Zum 300-Jahre-Jubiläum hat das Fürstentum den 75 Kilometer langen «Liechtenstein-Weg» eröffnet. Mit einer App – und allenfalls etwas Mut zur Technik – wird das Smartphone zum sprechenden Reisebegleiter.
Text: Fabian Rottmeier
Drei Dinge sind auf dem Liechtenstein-Weg besonders nützlich: ein Rucksack, gute Schuhe und – eine tragbare Ladestation fürs Handy. Ohne Powerbank droht dem Smartphone unterwegs nämlich die Puste auszugehen, und das wäre jammerschade. Natürlich kann man den Weg, der von Süden nach Norden durchs ganze Fürstentum führt, auch ohne Mobiltelefon unter die Füsse nehmen. Blaurote Wanderschilder, die den Weg weisen, gibt es überall. Doch es lohnt sich, zu hören und sehen, was die eigens für den Weg konzipierte App «LIstory» alles zu erzählen und zu berichten weiss.
Wie schlecht der Zeitlupe-Wegtester nämlich das Nachbarland kennt, merkt er spätestens dann, wenn er sich nach wenigen Schritten fragt: «Wie grüsst man eigentlich in Liechtenstein? Mit ‹Grüezi› wohl kaum!» Die Antwort ist verblüffend einfach: mit «Hoi». Ob junger Vater, kleines Mädchen oder Rentner: Alle grüssen den Wanderer mit drei Buchstaben. Und als wäre sie vom Tourismusbüro angestellt worden, wünscht eine Triesnerin vom Vorplatz ihres Hauses «ä gueti Wandrig!».
Auf Neugierige warten 147 Stationen
Auf den 75 Kilometern Weg gibt es 147 «Erlebnisstationen», wie sie genannt werden. Sie sind der Grund, weshalb das Handy auf dem Liechtenstein-Weg viel Energie verbraucht. Denn um die Infos zu den Stationen einzeln freischalten zu können, muss die App die Wandernden per GPS-Ortung lokalisieren können. Nur wer sich maximal 50 Meter davon entfernt befindet, kann diese freischalten. Alle Stationen sind auf der App-Landkarte markiert.
Die erste liegt am Grenzpunkt St. Katrinabrunna in Balzers, am südlichsten Landeszipfel. Dort erfährt man etwa, dass sich zwei Drittel des Balzner Waldes auf Schweizer Boden befindet. Man kann die freigeschalteten Infos entweder auf dem Handy ablesen oder sich per Audio-Datei vorlesen lassen (was wunderbar auch beim Weiterwandern geht). Oft gibt es zusätzlich Bildergalerien oder hie und da auch etwas Spielerisches: «Augmented Reality» (siehe separate Textbox). An jeder Station sieht man auf der App zudem, wie weit es bis zur nächsten ist. In Orten wie Balzers und Vaduz sind dies oft nur wenige Schritte, auf den Bergwanderwegen meist mehrere hundert Meter.
Wie schafft man jemandem Zutritt an Orte, die anderen vorbehalten bleiben? Die digitale Welt hat eine Lösung parat: «Augmented Reality», was übersetzt etwa «erweiterte Realität» heisst. Auf dem Liechtenstein-Weg bedeutet dies, dass man mithilfe seines Smartphones oder Tablets etwa (der Öffentlichkeit verwehrte) Schlösser oder Kapellen betreten kann – virtuell zumindest. Sobald die Wandernden per Handy zum Beispiel die «Erlebnisstation» am Schloss Vaduz freischalten, können sie dank 360-Grad-Fotos ihr Smartphone nach oben, unten, links und rechts bewegen und so verschiedene Säle und Zimmer bestaunen. Der Handy-Bildschirm wird zum eigenen, beweglichen Sichtfeld. Wer sich in Liechtenstein also über Menschen wundert, die mit dem Natel in der Hand seltsame Verrenkungen machen, weiss nun: Sie sind nicht verrückt, sondern sie erleben gerade ihre «Augmented Reality».
Eine Tücke haben diese Informationen allerdings: Sie verbrauchen mobile Daten, wenn auch nicht sehr viele. 100 Megabyte sollten auf einer Tagesroute ausreichen (um Daten zu sparen, kann man die freigeschalteten Audio-Dateien auch erst zu Hause herunterladen). Aber: Von den Schweizer Anbietern hat nur Swisscom ein Mobilfunknetz in Liechtenstein. Wer also nicht dort Kunde ist, muss für die Nutzung der App ein Datenpaket lösen.
Dies lohnt sich jedoch, weil die App viel Abwechslung bietet. In Balzers erzählt beispielsweise der damalige Feuerwehrkommandant, wie er den verheerenden Waldbrand von 1985 erlebt hat. In Triesen hört man über die Handy-Lautsprecher eine spannende Bergsturz-Sage – in schönstem Dialekt vorgetragen. Lokales wird dabei ebenso stark gewichtet wie Landesweites; darunter Themen wie Fernsehen, Radio, das Post- und Vereinswesen oder die Alpwirtschaft. Natürlich erfährt man dabei auch viel über die 300-jährige Geschichte, deren Jubiläum am Nationalfeiertag am 15. August gebührend gefeiert wird.
Schöne Aussichten!
Da mit Ausnahme des Rundgangs in Malbun 11 der 12 Abschnitte zusammenhängend sind, lässt sich der Liechtenstein-Weg gut in mehrere Tagesausflüge aufteilen. Bei einer Übernachtung vor Ort gibt es die Option, sein Gepäck gegen einen Betrag ins nächste Hotel transportieren zu lassen. Landschaftlich am reizvollsten sind wohl die Abschnitte zwischen Triesenberg und Vaduz, bei der mit 1100 Metern der höchste Punkt des Weges erreicht wird, sowie die Passage Schaan–Nendeln. Beide bieten einen schönen Blick ins Rheintal, wo ein Grossteil der 38 000 Liechtensteiner lebt, die nicht nur mit ihrem «Hoi!» beweisen, dass sie ein wenig anders ticken als die Schweizer: Auf einem Familienwanderweg entdeckt der Wegtester ein Schild, auf dem ein Wanderer und ein Velofahrer abgebildet sind. Darunter steht: «Nehmt Rücksicht aufeinander … und grüsst euch!» ❋
Die Gesamtstrecke von 75 km ist in 12 Abschnitte aufgeteilt, wovon 8 für Personen mit eingeschränkter Mobilität teilweise zugänglich sind. Vorbildlich detaillierte Angaben, welche Teilstrecken hindernisfrei sind oder wie allfällige Etappen zu umgehen sind, finden sich auf der App «LIstory» in den einzelnen Abschnittsinformationen.
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