Kann das Spielen von Games eine positive Auswirkung auf Alzheimer-Erkrankungen haben? Diesen Fragen geht Prof. Tobias Nef nach.
Interview: Marc Bodmer
Tobias Nef, Sie leiten eine Forschungsgruppe für Gerontechnologie und Rehabilitation. Mit welchen Fragen beschäftigen Sie sich?
Wir betrachten neurologische Erkrankungen wie Alzheimer, Demenz und Parkinson sowie Hirnverletzungen nach einem Schlaganfall aus einer technologischen Sicht und suchen Lösungen, um Patienten und Patientinnen zu helfen.
Welche Rolle spielen dabei Games?
Wir arbeiten eng mit der Memory-Klinik in Bern zusammen. Wenn jemand mit Verdacht auf eine Alzheimer-Erkrankung eingewiesen wird, muss abgeklärt werden, ob es sich um eine entsprechende Form der Demenz handelt. Nun gibt es verschiedene Methoden, wie man dies messen kann. Verbreitet sind Tests mit Papier und Bleistift. Wir bringen nun Games ein, die eine dynamischere Form der Abklärung zulassen.
Wie muss man sich ein solches Spiel vorstellen?
Unsere Spiele bilden Alltagssituationen ab wie das Einkaufen von Lebensmitteln, das Kochen einer Mahlzeit und dergleichen. Auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm können die Handlungen gesteuert werden. Das ist der Vorteil: Die Patienten können handeln. Wir haben diese Übung dann beispielsweise mit einer echten Kochsituation verglichen und hatten damit einen direkten Vergleich zu einer Alltagssituation. Die Abweichungen zwischen dem virtuellen und dem realen Kochvorgang waren klein.
Wo steht die Forschung heute?
Bis solche Tests als Standard akzeptiert werden, braucht es einen aufwendigen Evaluationsprozess. Darum machen wir sowohl die gängigen Tests mit Papier und Bleistift und zusätzlich unsere spielerische Variante am Touchscreen.
Lässt sich das Hirn trainieren?
Kognitive Fähigkeiten wie die Wahrnehmung oder Verarbeitung von neuen Informationen lassen sich durch das Spielen von Games verbessern. Ob sich dies auch auf Fähigkeiten im Alltag auswirkt, ist noch offen.
Wie meinen Sie das?
Wenn ich auf dem Computer immer besser werde beim Lösen von räumlichen Puzzlespielen, stellt sich die Frage: Hilft mir das auch bei der Orientierung im Alltag?
In Zusammenhang mit der Alzheimer-Erkrankung werden grosse Hoffnungen auf Computerspiele gesetzt. Zu Recht?
Der degenerative Effekt der Alzheimer-Erkrankung lässt sich mit dem Spielen von Videogames nicht aufheben. Aber es besteht die Hoffnung, dass man durch das Spielen eine Art Reserve bei den kognitiven Fähigkeiten aufbauen und so die negativen Effekte hinauszögern kann.
Wie vergleichen sich die Trainingseffekte von Computerspielen mit denen von Brettspielen oder anderen Gesellschaftsspielen?
Untersuchungen haben gezeigt, dass Gesellschaftsspiele einen noch höheren Trainingseffekt haben als Computerspiele.
Worauf führt man diesen Unterschied zurück?
Bei Gesellschaftsspielen ist der soziale Aspekt noch ausgeprägter. Der Austausch, das Gespräch trägt zur Stimulation bei. Doch: Man hat nicht immer drei, vier Freundinnen und Bekannte beisammen, um eine Runde zu spielen. Die einfache Verfügbarkeit von Games ist eine grosse Stärke.
Oft gehen Depressionen, Angststörungen und Stress Hand in Hand mit degenerativen Erkrankungen. Können Games da helfen?
Spiele wirken auf das Belohnungssystem und können damit Freude bewirken. Wer also 30 Minuten am Tag spielt und dabei glücklich ist, geht nach meinem Dafürhalten einer sehr sinnvollen Beschäftigung nach. ❋
Prof. Tobias Nef
leitet die Forschungsgruppe für Gerontechnologie und Rehabilitation am Artorg-Forschungszentrum für Biomedizinische Technik an der Universität Bern und am Inselspital.
Mehr Infos: artorg.unibern.ch