
Schweres Erbe
Die Wohnung eines verstorbenen Angehörigen aufzulösen, kann ein anstrengender und schmerzhafter Prozess sein. Die Journalistin Marlen Hobrack erzählt, wie sie den chaotischen Nachlass ihrer Mutter ordnete und sie dadurch im Nachhinein besser verstand. Dazu Tipps und Tricks, wie man eine solche Herkulesaufgabe am besten bewältigt.
Texte: Claudia Senn

Marlen Hobrack, vor zwei Jahren ist Ihre Mutter gestorben. War es ein schneller Tod oder ein langsamer, auf den Sie sich vorbereiten konnten?
Für mich war es in erster Linie ein traumatischer Tod. Meine Mutter wurde 69 Jahre alt. Sie hatte eine atypische Lungenentzündung, ausgelöst durch einen Pilz, den die Ärzte lange nicht entdeckten. Sie lag mehrere Wochen im künstlichen Koma auf der Intensivstation. Als sie wieder erwachte, dachten wir alle, jetzt gehe es bergauf. Doch die Lunge meiner Mutter war so schwer geschädigt, dass sie sich nicht mehr erholen konnte.
Nach ihrem Tod übernahmen Sie die Aufgabe, ihre Wohnung zu räumen. Wussten Sie, was Sie erwartet?
Ja, ich war häufig zu Gast bei meiner Mutter und kannte die Wohnung gut. Doch als ich sie nach ihrem Tod zum ersten Mal wieder betrat, dachte ich: O Gott, wo soll ich hier bloss anfangen? Die Räume ängstigten mich. Sie kamen mir vor wie ein Wesen, das mich zu überfluten drohte. Je mehr ich aufräumte, desto mehr Dinge kamen zum Vorschein.
War Ihre Mutter ein Messie?
Nein, vermüllt war es bei ihr nicht und auch nicht dreckig, aber sie hortete Dinge. Meine Mutter war kaufsüchtig. Sie kaufte und kaufte, bis die Masse der gekauften Dinge sie zu ersticken drohte. Bei Schnäppchen konnte sie nicht widerstehen. Die Shoppingkanäle im Fernsehen waren wie eine Droge für sie.
Können Sie beschreiben, wie es in der Wohnung aussah?
Ich fand unzählige noch originalverpackte neue Sachen, die sie offensichtlich direkt nach dem Kauf irgendwo verstaut und vergessen hatte: hunderte von Frischhaltedosen und Kugelschreibern, zwei Dutzend Packungen mit Briefumschlägen in allen Grössen, unzählige Strümpfe und Strumpfhosen, kistenweise Cremes und Shampoos, Klopapier und Backmischungen, so viele Putzmittel, dass man damit hunderte von Wohnungen jahrzehntelang hätte reinigen können, dazu sechs Staubsauger. Ihr Schlafzimmer war so voll, dass man die Tür kaum noch öffnen konnte, weil dahinter lauter Kartons standen, volle und leere. Es gab bloss noch eine winzige Schneise von der Tür zum Bett. Auf allen Möbeln lagen Haufen aus gewaschener Wäsche und kleinere Häufchen aus Unterlagen: Briefe, Rechnungen, bezahlte und unbezahlte, alles wild durcheinander. Wenn ich einen Schrank oder eine Schublade öffnete, kamen mir weitere Berge von Quittungen und Rechnungen entgegen. Ein
Albtraum.


«Das Erbe auszuschlagen, hätte ich empörend gefunden.»
Sie haben zwei ältere Geschwister. Hätten die Ihnen nicht beim Räumen helfen können?
Meine Schwester hatte gerade eine Scheidung hinter sich und musste ihr Leben neu ordnen, mit drei kleinen Kindern und einem anspruchsvollen Job. Ich verstand, dass sie keine Energie für die Räumung hatte. Mein Bruder sagte: Lass uns das Erbe ausschlagen, dem Vermieter den Schlüssel in den Briefkasten werfen – und tschüss.
Kam das für Sie in Frage?
Nein, ich fand seinen Vorschlag empörend. Wenn jemand eine furchtbare Beziehung zu seiner Mutter hatte, wenn sie vielleicht gewalttätig war oder Alkoholikerin, dann könnte ich das verstehen. Doch unsere Mutter war zwar depressiv, aber wir hatten eine gute Beziehung zu ihr. Da konnte ich ihre Sachen doch nicht einfach wegschmeissen.
Einen Entrümpelungsservice anzuheuern, wäre Ihnen also falsch vorgekommen.
Ja, es ging mir auch aus Nachhaltigkeitsgründen gegen den Strich, all diese ungebrauchten und originalverpackten Dinge in den Müll zu werfen. Ich freute mich immer sehr, wenn Leute kamen, um irgendein Möbelstück abzuholen und dann sagten: Ach, einen Staubsauger könnte ich noch gebrauchen, und die Teekanne finde ich auch schön. Dinge, die noch gut sind, weiterzugeben, ist ein besseres Gefühl, als sie einfach wegzuwerfen.
Schicht für Schicht haben Sie die unzähligen Sachen Ihrer Mutter abgetragen und über diesen Prozess ein Buch geschrieben. Mir kommen Sie darin vor wie eine Archäologin, die in einem gigantischen Kraftakt bis zum Kern der Persönlichkeit Ihrer Mutter vorzudringen versucht.
So ähnlich war es auch. Ich habe mich gefragt: Warum kaufte sie all diese Dinge, die sie offensichtlich gar nicht brauchte? Welche innere Leere wollte sie mit den Sachen füllen? Sie hatte zum Beispiel mehr als ein Dutzend Duvets, Unmengen von Bettwäsche und 30, 40 Kissen in allen Grössen. Da liegt der Gedanke nahe, dass sie sich damit eine kuschelige Höhle bauen wollte, ihr Nest auspolstern oder sich abschirmen von der Welt. Es sich schön machen, sich etwas gönnen, das ihr als Kind nicht vergönnt war – darum ging es ihr.
«Ohne Liebe aufzuwachsen, hinterlässt Spuren.»
Können Sie das nachvollziehen?
Ja, jetzt schon. Meine Mutter ist in grosser materieller Armut aufgewachsen. Zudem wurde sie von ihrer Mutter emotional und körperlich misshandelt und als kostenlose Haushaltskraft ausgebeutet. Ohne Liebe aufzuwachsen, hinterlässt Spuren. Mitgespielt hat wohl auch, dass sie in der DDR lebte, wo es Mangelwirtschaft gab. Man konnte immer nur das kaufen, was gerade verfügbar war. Das zu verstehen, hat mir geholfen, meine anfängliche Wut zu überwinden. Meine Mutter hat sich ja sehr irrational verhalten. Obwohl sie ein gutes Einkommen hatte, verschuldete sie sich massiv. Sie stotterte alles in Raten ab, Raten für Dinge, die es längst nicht mehr gab, oder von denen sie nicht einmal mehr wusste, dass sie sie hatte. Mit ihrer Kaufsucht trieb sie sich selbst ins Prekariat. Als Tochter machte mich das wahnsinnig. Ab dem Alter von etwa zehn oder elf Jahren hatte ich ständig versucht, irgendeine Form von Ordnung in ihr Leben und ihre Dinge zu bringen. Erfolglos.

«Es ging beim Räumen darum, zu verstehen, warum meine Mutter so war, wie sie war.»
Waren Sie auch wütend, weil Ihre Mutter Ihnen zumutete, nach ihrem Tod den ganzen Plunder aufzuräumen?
Durchaus, ja. Mein ganzes Leben lang hatte ich mich für sie verantwortlich gefühlt, wollte ihr helfen, machte ihr viele Vorwürfe: Warum gibst du so viel Geld für diesen Mist aus? Wieso nimmst du Kredite auf, um Zeug zu finanzieren, das du nicht mal benutzt? Es gab unzählige Diskussionen mit ihr, warum sie sich von diesem oder jenem auf keinen Fall trennen wollte. Sie stritt auch ab, dass sie Dinge gekauft hatte, obwohl sie offensichtlich neu waren, ebenso, wie es eine Alkoholikerin abstreiten würde, getrunken zu haben. Die grosse Tragik war, dass sie sich mit ihrer Kaufsucht von ihren Kindern entfernte. Irgendwann mochten wir sie kaum noch besuchen, weil uns die Atmosphäre in ihrer vollgestopften Wohnung die Luft abschnürte. Und nun stand ich da mit dem ganzen Zeug. Kein schönes Gefühl.
Können Sie Ihre Mutter heute besser verstehen?
Ich denke schon. Meine wichtigste Erkenntnis beim Räumen war, dass es nicht um Schuld geht, nicht darum, dass meine Mutter schlechte Dinge getan hat, oder dass ich sie nicht davon abhalten konnte, immer mehr zu kaufen. Auch nicht darum, rationale Erklärungen für ihr Verhalten zu finden. Es geht darum, mich in meine Mutter einzufühlen, zu verstehen, warum sie so war, wie sie war. Die Lücke zu sehen, die sie in sich füllen wollte, zu begreifen, welchen Trost sie sich von all diesen Sachen erhoffte.
Was hat Ihre Mutter beruflich gemacht?
Sie war Beamtin in einer Justizvollzugsanstalt. Es war ihr sehr wichtig, dass sie als kompetente, korrekte Mitarbeiterin wahrgenommen wurde, die alles richtig macht. Sie liebte das Gefühl, gebraucht zu werden. Nach der Pensionierung arbeitete sie als Putzfrau in verschiedenen Arztpraxen und in einem Kinderheim. Auch dort legte sie Wert drauf, dass die Leute sagen: Wenn Frau Hobrack kommt, ist nachher alles picobello. Weil sie damals schon so schlimmes Rheuma hatte, gab es oft Streit zwischen uns. Ich sagte: Wieso tust du dir das an? Warum machst du dich so kaputt? Die Rente reicht doch zum Leben! Da wusste ich noch nichts von ihren Konsumschulden.
Nach aussen hin wollte sie also ein makelloses Bild abgeben.
Darum wohl auch die vielen Putzmittel. Sie wollte jederzeit alles zur Verfügung haben, um sich selbst zu signalisieren: Ich bin eine reinliche, ordentliche Frau. Badewanne, Lavabo und Toilette waren tatsächlich immer makellos rein.
Trotzdem schämte sie sich so sehr, dass sie am Ende nicht den Krankenwagen rufen wollte, weil die Rettungssanitäter dann ja gemerkt hätten, wie es in ihrer Wohnung aussieht.
So war es, ja. Niemand sollte merken, dass sie sich nicht im Griff hatte, nicht einmal, wenn es um Leben und Tod ging. Es ist schwer zu verstehen, wie jemand mit einem so grossen Sauberkeitsbedürfnis dermassen im Chaos versinken kann. Besuch zu haben, war in meiner Kindheit unvorstellbar. Ihr Schlafzimmer durfte nicht einmal ich betreten.
Sind Sie beim Räumen auf bisher ungelüftete Familiengeheimnisse gestossen?
Irgendwann ist mir ein Scheidungsdokument in die Hände gefallen. Bevor meine Mutter mit mir schwanger wurde, gab es eine Art Anhörung, und meine Mutter musste die Gründe für die Scheidung rechtfertigen. Sie beschreibt, wie emotional zerrüttet die Ehe meiner Eltern damals schon war. Meine Mutter hat die Scheidung dann aber in letzter Minute zurückgezogen. Zum Glück für mich, weil es mich sonst nicht gegeben hätte. Dass ausgerechnet dieses alte Scheidungsdokument fein säuberlich abgeheftet war, während von ihrer Ehe- und Geburtsurkunde jede Spur fehlte, das überraschte mich.

«Was zählt, sind die Erinnerungen, nicht die Dinge.»
In Ihrem Buch wiederholen Sie beinahe mantraartig den Gedanken: Bloss nicht so werden wie meine Mutter. Sind Sie tatsächlich anders, oder erkennen Sie sich manchmal auch in ihr wieder?
Natürlich sind wir beide sehr verschieden, doch ich habe auch erschreckende Parallelen festgestellt. Wenn ich abends nach dem Aufräumen völlig geschafft auf dem Sofa sass, stellte ich ganz schockiert fest, dass ich wie ein Roboter durch mein Handy scrollte und mir in irgendwelchen Online-Shops Kleidung oder Schuhe in den Warenkorb legte. Genau wie meine Mutter versuchte ich, meine Traurigkeit, das emotionale Loch, mit dem Dopamin-Kick eines Einkaufes zu übertünchen.
Welche persönlichen Gegenstände haben Sie aus der Wohnung mitgenommen?
Nicht viele. Ein Fotoalbum und einige Erbstücke von meiner Grossmutter väterlicherseits, darunter ein kleiner Kerzenständer und einige schön geschliffene Sekt- und Weingläser. Mir war es wichtig, die Liebe zu meiner Mutter nicht mit Dingen zu verknüpfen. Was zählt, sind die Erinnerungen. Zuunterst, unter all ihren Sachen, fand ich ein paar Dokumente, Verträge und Arbeitszeugnisse, die ihr offensichtlich wichtig waren, sonst hätte sie sie nicht fein säuberlich abgeheftet. Die habe ich auch mitgenommen.
Hat Ihnen das Räumen geholfen, Ihre Mutter loszulassen, ihr zu verzeihen?
Beim Verzeihen hat es schon geholfen, aber nicht unbedingt beim Loslassen. Ich betrachtete das Räumen als Trauerarbeit, insofern war es hilfreich. Doch ich träume noch immer regelmässig von meiner Mutter. In diesen Träumen ist es stets so, dass ihr Tod bloss ein Irrtum war und ich nun bestimmte Dinge erledigen muss, damit ihr Leben wieder in die Spur kommt. Manchmal denke ich auch, sie sei bloss irgendwo auf einer langen Reise. Unbewusst ist sie also noch immer sehr präsent für mich.

Marlen Hobrack: Erbgut – Was von meiner Mutter bleibt. HarperCollins 2024, 240 Seiten, ca. Fr. 37.90.
Lesen Sie hier, wie man seinen digitalen Nachlass am besten regelt.
Entrümpeln auf Schwedisch

© Alexander Mahmoud
Warum den Hinterbliebenen die ganze Last der Wohnungsräumung aufbürden? Das erledigt man doch am besten gleich selbst – noch zu Lebzeiten. So denkt man in Schweden, wo ein angehörigenfreundlicher Brauch namens «Döstädning» praktizier wird (übersetzt etwa: «Todes-Reinigung»). Gemeint ist damit, den eigenen Hausstand gegen das Lebensende hin auf die Dinge zu reduzieren, die man wirklich braucht und alles andere radikal auszumisten oder zu verschenken.
Die Queen des Döstädning ist die 91-jährige Margareta Magnusson (Bild), die einen internationalen Bestseller zum Thema geschrieben hat («Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen»). «Ich kenne viele alte Menschen, deren Estrich und Keller mit Dingen vollgestopft sind, die sie nicht mehr brauchen – ja, an die sie sich nicht einmal mehr erinnern», sagt Magnusson. Der Kram könne für die Angehörigen nach dem Tod zur Belastung werden. Unsentimental und gut gelaunt ruft die ehemalige Werbegrafikerin und Malerin dazu auf, sich von Überflüssigem zu trennen und damit mehr Leichtigkeit ins eigene Leben zu bringen.
Man sollte sich von ihrer harmlosen Grossmutterhaftigkeit jedoch nicht täuschen lassen, Magnusson hat auch ein paar subversive Sprengfallen eingebaut («Behalten Sie Ihren Lieblingsdildo, aber werfen Sie die anderen fünfzehn weg, um Ihre Angehörigen nicht zu verstören»).
Wer erbt, wenn es keine Angehörigen gibt?

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Marion Erhardt, leitende Gerichtsschreiberin und Ersatzrichterin am Bezirksgericht Zürich, gibt Auskunft:
«Erbschaftsangelegenheiten sind kantonal unterschiedlich geregelt. Im Kanton Zürich teilen sich der Kanton und die Wohngemeinde das Erbe, falls es wirklich keine Angehörigen gibt. Die Behörden lösen dann auch die Wohnung auf. Das kommt allerdings sehr selten vor. Bevor das Gemeinwesen erbt, stellt das Bezirksgericht umfangreiche Nachforschungen an, um erbberechtigte Angehörige ausfindig zu machen.
Gibt es ein Testament, muss das zwingend beim Bezirksgericht eingereicht werden. Jeder, der ein Testament findet, ist gesetzlich dazu verpflichtet. Oft haben es die Verstorbenen bei einem Notariat hinterlegt, beim Anwalt oder der Bank. Das Bezirksgericht ermittelt nun sowohl die gesetzlichen Erben wie auch die im Testament erwähnten. In der Schweiz gibt es ein Familienregister, das die Abstammung erfasst – was die Ermittlung vereinfacht. In den meisten anderen Ländern gibt es nur Einzelregister, sodass wir im Ausland oft langwierige Detektivarbeit leisten müssen. Wenn wir wissen, dass es Angehörige gibt, sie aber nicht finden können, suchen wir sie per Inserat.
Gibt es kein Testament, werden wir nur aktiv, wenn etwa ein Erbschein bestellt wird oder wir eine Meldung bekommen, zum Beispiel vom Steueramt oder von der KESB. Das Vorgehen ist dann genau dasselbe: Wir ermitteln die gesetzlichen Erben. Das sind primär die Nachkommen. Ansonsten die Angehörigen aus der elterlichen Verwandtschaft und an dritter Stelle die Angehörigen aus der grosselterlichen Verwandtschaft. Ein Ehegatte erbt allein, wenn keine Nachkommen und auch keine Angehörigen aus der elterlichen Verwandtschaft existieren.»
Womit fange ich bloss an?
Eine Wohnungsauflösung kann einem vorkommen wie ein unüberwindbarer Berg. So gehen Sie die Sache mit System an.
1. Erinnerungen bleiben
Führen Sie sich vor Augen, dass es nicht die Dinge sind, die die Erinnerung an den Verstorbenen wachhalten. Viel wichtiger sind die Erinnerungen selbst, die Gedanken und Gefühle, und die kann Ihnen keiner nehmen.
2. Erfolgserlebnisse
Sie brauchen einen Anfangserfolg, der Ihnen Kraft für schwere Entscheidungen gibt. Entsorgen Sie deshalb als Erstes Dinge, die sowieso keiner will, z.B. alte Kartons und Zeitungen, abgelaufene Konserven etc.
3. Wertsachen aussortieren
Sortieren Sie nun Gegenstände aus, die wertvoll sein könnten, etwa Schmuck, Gemälde und andere Kunstgegenstände, Antiquitäten, kostbare Seidenteppiche oder Designermöbel. Verkaufen Sie, was Sie nicht selbst behalten wollen. Machen Sie sich aber keine Illusionen: Alte Möbel bringen selten viel ein, es sei denn, es handelt sich um Antiquitäten (von vor 1945) oder bestimmte Vintage-Klassiker (wie etwa dänische Mid-Century-Möbel). Wenn Sie unsicher sind, ob etwas wertvoll ist, können Sie es von einer Fachperson schätzen lassen.
4. Dinge kategorisieren
Räumen Sie nicht Zimmer für Zimmer, sondern gehen Sie nach Kategorien vor: Legen Sie alle Teppiche nebeneinander, alle Lampen, das gesamte Geschirr. Wenn Sie zum Beispiel erst einmal alle Bilder abhängen und in ein Zimmer bringen, werden Sie viel leichter entscheiden können, welche davon Sie behalten wollen.
5. Sachen verschenken
Laden Sie so viele Verwandte, Freunde oder Nachbarn wie möglich in die Wohnung ein und lassen Sie sie aussuchen, was sie gerne haben möchten. Das wird den Hausstand merklich dezimieren. Machen Sie diese Einladung zu einem kleinen Fest, bei dem man dem oder der Verstorbenen liebevoll gedenkt. Besonders junge Menschen, die noch in einer WG wohnen, sind oft dankbar, wenn sie Einrichtungsgegenstände erben können. Stellen Sie Fotos der Dinge, die sie verschenken möchten, auch in den Familienchat.
6. Lücken schaffen
Heben Sie sich persönliche Dinge wie Briefe, Tagebücher oder Fotos bis ganz zum Schluss auf, sonst lesen Sie sich fest und haben das Gefühl, nicht von der Stelle zu kommen. Widmen Sie sich stattdessen lieber erst einmal den grossen Möbeln. Inserieren Sie sie auf Tutti, Ricardo oder ähnlichen Plattformen zum Selbstabholen. Dabei können auch die digitalaffinen Enkel helfen. Setzen Sie die Preise nicht zu hoch an, oder verschenken Sie die Dinge am besten gleich. Die Lücken in der Wohnung werden Ihnen das Gefühl geben, schon ordentlich was geschafft zu haben.
7. Hilfe suchen
Lassen Sie die Mitarbeiter eines Brockenhauses kommen, die alles mitnehmen, was für sie von Interesse ist. Manche Institutionen helfen Ihnen gegen ein kleines Entgelt auch beim Entsorgen von nicht mehr brauchbaren Dingen. Kleidung kommt in die Altkleidersammlung. Bücher wird man leider nur schwer los, es sei denn, es gibt in Ihrer Nähe ein Bücherbrocki.
8. Vor die Tür stellen
Stellen Sie noch Brauchbares zum gratis Mitnehmen vor die Tür. Falls die Wohnung eine einigermassen gute Passanten-Lage hat, werden viele Dinge ganz von selbst neue Besitzer finden.
9. Zeit Für Emotionales
Nun erst widmen Sie sich den emotionalen Dingen wie Fotos oder Briefen. Und zwar in aller Ruhe. Den grossen Rest haben Sie ja schon geschafft.
10. Entsorgen
Alles, was jetzt noch übrig ist, kommt auf den Sperrmüll. Denken Sie nicht zu viel darüber nach. Es sind bloss Dinge. Dinge, die dem Verstorbenen einmal etwas bedeuteten, ihren Wert mit dessen Tod aber eingebüsst haben.
Inspiration zum Thema
Buch
Die Wohnung eines verstorbenen Verwandten aufzulösen, kann aufreibend und schmerzhaft sein. Christina Erdmann ist darauf spezialisiert, Angehörige bei diesem Prozess zu begleiten. In ihrem Buch «Adieu Elternhaus. Elternhaus auflösen – sortieren, wertschätzen, loslassen» (Rowohlt 2023) gibt die promovierte Diplompädagogin praktische Handlungsempfehlungen und Tipps.
Serie
Die japanische Aufräum-Päpstin Marie Kondo wurde 2015 vom «Time Magazine» zueiner der hundert einflussreichsten Frauen der Welt gewählt. Ihre Bücher («Magic Cleaning») veraufen sich millionenfach. Im Englischen ist sogar ein Verb nach ihr benannt: «to kondo» bedeutet radikal ausmisten. In ihrer Netflix-Serie «Aufräumen mit Marie Kondo» widmet sie sich auch dem Ordnungmachen nach einem Todesfall.
Film
Welche Dinge sind eigentlich wirklich wichtig? Um das herauszufinden, wagte der finnische Dokumentarfilmer Petri Luukkainen ein radikales Experiment. Er verstaute seine gesamte Habe in einem Self-Storage-Abteil und holte sich jeden Tag nur einen einzigen Gegenstand zurück. Am Anfang sieht man den Regisseur splitternackt durchs winterliche Helsinki flitzen, nur bekleidet mit einer Zeitung aus einem Abfallcontainer. Als Erstes holt er sich einen Mantel, nach einer Woche die Matratze, das Handy erst nach vier Monaten. «My Stuff», auf Vimeo (ca. CHF 3.–)
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