Bleiben Sie zu Hause, heisst es aktuell. Doch was, wenn einem dort die Decke auf den Kopf fällt? Dann rät Pro Senectute in Graubünden und in der ganzen Schweiz: Greifen Sie zum Telefon! Telefonketten und regelmässige Anrufe lindern den Corona-Koller. Das gute alte Telefon boomt. Auch dieser Beitrag wurde – Thema und Umständen entsprechend – per Telefon recherchiert.
Text: Annegret Honegger
Mengia Menzli ist es gewohnt, Dinge anzupacken und zu organisieren. Als die 73-Jährige aus Ruschein in der Bündner Surselva am Radio hörte, dass viele ältere Menschen während der Coronakrise Kontakte vermissen, griff sie zum Telefon und rief das Büro von Pro Senectute in Ilanz an.
Seither wählt Mengia Menzli einmal die Woche die Nummern von vier Frauen zwischen 71 und 91 Jahren aus der Region, die sich über eine Möglichkeit zum Plaudern freuen. Bereits vor dem Schweizer Lockdown habe sie im Kontakt mit Freunden in Italien gemerkt, wie sehr sich diese über Anrufe und Bilder per WhatsApp freuten: «Für sie sind dies tröstliche Zeichen, dass jemand in dieser zermürbenden Zeit an sie denkt.»
Was Mengia Menzli intuitiv spürt und praktisch erfährt, hat die Wissenschaft längst bewiesen. Einsamkeit macht krank und Gespräche können Leben retten – unabhängig davon, ob sie von Angesicht zu Angesicht geschehen oder über eine Telefonleitung. Regelmässig mit anderen zu plaudern und sich auszutauschen, fördert Gesundheit und Wohlbefinden.
Mengia Menzli und ihre Gesprächspartnerinnen reden übers Kochen und die Haustiere, übers Wandern, über Blumen und den Garten, die Familie und die Enkelkinder. Und natürlich über die Veränderungen, die das Leben mit dem Virus mit sich bringt. «Die Solidarität in den kleinen Dörfern ist zum Glück gross, meinen Gesprächspartnerinnen geht es gut», berichtet Mengia Menzli. Alleinlebende seien es gewohnt, für sich selbst zu sorgen: «Zu hören, wie zufrieden viele Leute trotz Einschränkungen alt und sehr alt werden, macht mir Mut und gibt Hoffnung.»
Wie wichtig Telefonieren ist, wusste Ursula Berger schon lange vor Corona. Seit bald zehn Jahren startet die 74-jährige Churerin für Pro Senectute Graubünden jede Woche eine sogenannte Telefonkette. Gemäss dem von ihr erstellten Plan, wer wen wann anruft, wählt sie jeweils am Montag die erste Nummer. Entlang der Kette wandern die Anrufe weiter, bis sich der Kreis mit dem letzten Telefon Ende Woche bei Ursula Berger wieder schliesst. Ganz wie früher der Klassenalarm in der Schule.
Zwei Gespräche führt so jedes Mitglied pro Woche, mehr sei natürlich jederzeit erlaubt. Manche telefonieren täglich miteinander, andere treffen sich – zu normalen Zeiten – zum Essen oder für einen Ausflug. «Die meisten Teilnehmenden leben alleine und haben das Bedürfnis, ab und zu mit jemandem zu plaudern.» Genau das macht die Telefonkette möglich, wenn im Alter der Familien- und Freundeskreis kleiner geworden ist.
Sich einzugestehen, dass man Kontakte vermisse, falle leider vielen schwer, weiss Ursula Berger. Wer den Griff zum Telefonhörer wage, werde gleich mehrfach belohnt: «Telefonketten sind eine Möglichkeit, gleichzeitig sich selbst und anderen Gutes zu tun. Man verschenkt und empfängt Zeit und Zuwendung, denn das Zuhören ist ebenso wichtig wie das Reden.»
Telefonketten bei Pro Senectute Graubünden und in der ganzen Schweiz
Telefonketten bringen Menschen zusammen. Schliessen Sie sich einer Kette an oder gründen Sie selbst eine. Der Aufwand ist klein, die Wirkung gross. Ein Erklär-Video und Informationsmaterial finden Sie auf prosenectute.ch oder wenden Sie sich an Pro Senectute in Ihrem Kanton.
Die Adresse von Pro Senectute in Ihrer Nähe finden Sie vorne in dieser Ausgabe oder unter prosenectute.ch
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