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Bargeld bald ein Auslaufmodell?

 In der digitalen Welt verdrängen Plastikgeld und neue Smartphone-Apps die Banknoten. Das spürt auch die Cash-Hochburg Schweiz. Dabei werden die weltweit fast einzigartigen Tausendernoten im aktuellen Tiefzinsumfeld immer häufiger gehortet. 

Manche Kunden nehmen es staunend zur Kenntnis: In einer Zürcher Bäckerei kann man das Brot nicht mehr bar bezahlen. Das mag ein Einzelfall sein, aber der Trend ist klar. Bargeld hat in unserem Alltag einen laufend geringeren Stellenwert. Plastikgeld oder das Zahlen per Smartphone sind seit Jahren auf dem Vormarsch. Daran ändert auch eine neue Serie an Banknoten nichts, die im September mit dem Hunderterschein abgeschlossen wird. Die Schweizerinnen und Schweizer beziehen laufend weniger Noten am Bankschalter oder Geldautomaten. Es erstaunt deshalb kaum, wenn die Kreditinstitute ihr Filialnetz ausdünnen und Bancomaten abbauen.

Im Ausland ist die Abschaffung des Papiergelds vielerorts schon viel weiter fortgeschritten. In Schweden etwa, das vor knapp vierhundert Jahren als erstes Land in Europa die Banknoten eingeführt hat, wird bereits in vielen Läden kein Bargeld mehr akzeptiert. Deutlich über vier Fünftel der Zahlungen werden mit Kredit-oder Debitkarten sowie mit neu entwickelten Smartphone-Apps getätigt. Ziel ist es, das Bargeld bis in drei Jahren ganz abzuschaffen.

Das liegt ganz auf der Linie des Internationalen Währungsfonds, kurz IWF, der Zahlungen mit Noten und Münzen in einer digitalisierten Welt nicht nur für unnütz, sondern auch als gefährlich und teuer einstuft. Für Finanzfachleute wird das Bargeld bevorzugt in der Schattenwirtschaft oder bei Verbrechen eingesetzt. Der Grund: Die anonymen Banknoten hinterlassen keine Spuren. Anders ist das beim Einsatz von Plastikkarten oder dem Smartphone, wo sich die Geldbewegungen problemlos kontrollieren lassen.

Bargeld horten wieder trendy

Als die Nationalbank im Frühling die neue Tausendernote lancierte, war dies auch ausserhalb der Schweiz ein wichtiges Ereignis. Der Geldschein gehört zu den wertvollsten weltweit und ist entsprechend umstritten. Wegen seines hohen Nenn-und Umtauschwerts wird er gerne für illegale Geschäfte und Steuerhinterziehung genutzt. Im Kampf gegen die Geldwäscherei hat die Finanzmarktaufsicht Finma auch bereits angekündigt, sie werde die Limite für anonyme Bargeldeinzahlungen an Bank- und Postschaltern im kommenden Jahr von heute 25 000 Franken auf 15 000 Franken senken. Gemäss Studien wird die Tausendernote kaum für Transaktionen an der Ladenkasse verwendet, sondern fast nur zur Wertaufbewahrung.

Dabei hat das Horten von Bargeld in der jüngsten Vergangenheit wieder Auftrieb erhalten. Wer schon bald auf seinem Sparkonto mit happigen Negativzinsen belastet wird, dürfte sich zweimal überlegen, ob er diese finanziellen Mittel nicht zum Teil in grossen Geldscheinen unter dem Kopfkissen oder der Matratze aufbewahren will. Das Interesse an Bargeld ist seit der Finanzmarktkrise jedenfalls wieder gestiegen. Zumindest in jenen Bevölkerungskreisen, die sich beim Zahlungsverkehr eine gewisse Freiheit ausbedingen und nicht als «gläserne Konsumentinnen oder Konsumenten» enden möchten.

Als abschreckendes Beispiel dienen Chinesen, die ihre eingekauften Waren mittels Gesichtserkennung bezahlen. Am langfristigen Trend wird das aber nichts ändern. Nach den Kreditkarten, lanciert bereits in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts, hat die Verbreitung des Smartphones eine weitere Welle des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ausgelöst. Sie wogt auch in der Cash-Hochburg Schweiz. ❋

Beitrag vom 10.09.2019
Kurt Speck

ist Wirtschaftswissenschaftler, Ex-Verleger und -Chefredaktor der Handelszeitung. Er publiziert zu Finanz- und Vorsorgethemen.