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Was ist eigentlich die Netiquette?

Wie im Alltag gelten auch online Anstandsregeln. Nur haben diese dort einen schweren Stand.

Portrait von Marc Bodmer
Marc Bodmer* © Jessica Prinz

Als ich den Titel für diese Ratgeber-Seite geschrieben habe, stellte sich mir gleich die nächste Frage: Gibt es sie überhaupt noch, die Netiquette? Doch dazu kommen wir gleich. Zuerst blicken wir zurück, in eine Zeit vor dem World Wide Web, wie wir es heute kennen. Es war die Blütezeit der Nerds, der Technologie-und Informatik-Verliebten, die sich online im sogenannten Usenet tummelten, das sie 1980 ins Leben gerufen hatten. Dieses Austauschnetzwerk war textbasiert und teilte sich in Newsgroups auf, in denen Artikel und Botschaften veröffentlicht wurden. Diese Gruppen, die sich unterschiedlicher Themen annahmen, waren die Vorgänger der späteren Internet-Foren wie der Treffpunkt der Lupis.

Aus der Zeit des Usenets stammen viele heute noch geläufige Begriffe wie «FAQ» für «frequently asked questions», also Fragen, die immer wieder gestellt werden, oder «spam» für unerwünschte (Werbe-)Botschaften, die den E-Mail-Eingang verstopfen. Von Usenet-Nutzern wurde auch die Netiquette (ein Kofferwort aus «net» (engl. Netz) und dem Französischen «etiquette») begründet, welche die Online-Anstandsregeln umfasst. Diese wurden in den «Netiquette Guidelines», die 1995 online gestellt wurden, für die «newbies» zusammengefasst, denn die Neuankömmlinge waren mit der Internet-Kultur nicht vertraut.

So gilt es, beim E-Mail-Verkehr folgende Punkte zu beachten, die bis heute nichts an Bedeutung verloren haben sollten und auf sämtliche Kommunikationsplattformen – SMS, soziale Netzwerke etc. – Anwendung finden:

  • Schreiben Sie niemals Dinge, die Sie nicht auf einer Postkarte verschicken würden, denn E-Mails sind nicht sicher.
  • Verschicken Sie niemals Kettenbriefe.
  • Erinnern Sie sich daran, dass die Empfängerinnen oder die Empfänger Menschen sind, deren Kultur, Sprache und Sinn für Humor sich vielleicht von Ihrem gewohnten Umfeld unterscheidet. Seien Sie besonders vorsichtig mit der Verwendung von Sarkasmus.
  • Verwenden Sie Gross-und Kleinschreibung. Wenn Sie alles in Grossbuchstaben schreiben, dann schreien Sie.Besonders letzte Regel hat in den letzten Jahren gelitten, denn Ex-US-Präsident Donald Trump entlud manches Twitter-Donnerwetter in Grossbuchstaben. Sein Beispiel machte Schule, und so wird auf den sozialen Netzwerken mehr denn je herumgebrüllt und im vermeintlichen Schutz der Anonymität auf rüdeste Art kommuniziert. In der österreichischen Kult-Krimiserie «Kottan ermittelt» (1976 bis 1983) sagte mal ein Kollege zu Kottan: «Wer zuerst denkt, kommt nie zum Schiessen.» So sollte man es auch bei seinen E-Mails und Online-Beiträgen halten. Darum heisst eine Grundregel der Online-Kommunikation: «Think before you post – Denk nach, bevor du das abschickst.»

In der Wut oder Frustration geschriebene Beiträge sollte man ruhen lassen und eine Nacht darüber schlafen, bevor man sie gegebenenfalls in die Weiten des Webs entlässt. Zu diesem Punkt gehört auch: «Don’t feed the troll – Gib dem Troll kein Futter!» Trolls sind Provokateure, die ihre sadistischen Tendenzen online ausleben, indem sie andere beleidigen, beschimpfen oder erniedrigen. Auch wenn es einem schwerfällt, auf solche Angriffe nicht zu reagieren. Das ist genau das, was man machen muss. Nämlich nichts.

Und nun zu eingangs gestellter Frage: Gibt es die Netiquette noch? Ja. Doch wie alles muss auch sie gepflegt werden. Das ist nicht immer einfach. Manchmal möchte man zurückschlagen oder vergreift sich im Ton. Das ist zwar menschlich, aber erinnern Sie sich immer daran: Auch der Empfänger ist ein Mensch. ❋

*ist Jurist und Game-Consultant. Er beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit digitalen Medien. 

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Beitrag vom 06.09.2021

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