«Demenz im Bankalltag verlangt grosses Fingerspitzengefühl»
Die Folgen der älter werdenden Bevölkerung prägen zunehmend den Bankalltag. So erinnern sich demente Menschen oft nicht mehr, ob sie Geld abgehoben haben. Aus rechtlicher Sicht stellen sich einige heikle Fragen.
Menschen mit Demenz verlieren im Verlauf der Krankheit immer mehr die Fähigkeit, ihre finanziellen und administrativen Angelegenheiten eigenständig zu regeln. Rechtsanwalt Hannes Bosshardt* erläutert die Problematik im Umgang mit Demenzkranken bei der Erledigung von Bankgeschäften.
Demenz im Bankalltag, wie aktuell ist dieses Thema? Hannes Bosshardt: Das Thema beschäftigt die Banken. Wir im Rechtsdienst von Raiffeisen Schweiz erhalten regelmässig Anfragen von Raiffeisenbanken zum Umgang mit Kundinnen und Kunden, die Anzeichen einer Demenzerkrankung zeigen.
Welches sind Anzeichen dafür? Eine normalerweise gut organisierte Person bezahlt ihre Rechnungen nicht mehr fristgerecht, sie erinnert sich nicht mehr an kürzlich erfolgte Kontobewegungen oder an Gespräche mit der Bank. Oder die Person erscheint mehrmals am Tag in der Bank, um Geld abzuheben, sie hebt für sie ungewöhnliche Geldbeträge ab oder hat Schwierigkeiten, sich auszudrücken, Formulare auszufüllen oder zu unterschreiben.
Wann können sich Demenzkranke rechtlich gesehen nicht mehr selbst um ihre Geldgeschäfte kümmern? Es ist dann Vorsicht geboten, wenn die Bank erkennen kann, dass der Kunde seine eigenen Aufträge, Vollmachten oder das Vertragsverhältnis nicht mehr versteht oder dessen Tragweite nicht mehr abschätzen kann. Die Bank muss sich in einem solchen Augenblick fragen, ob der Kunde schutzbedürftig ist und wie seine Interessen im Rahmen der Geschäftsbeziehung weiterhin gewahrt werden können.
Wie hilfreich ist ein Vorsorgeauftrag? Das ist ein sehr sinnvolles Instrument. Der Kunde kann damit die Person des Vorsorgebeauftragten und den Umfang von dessen Aufgaben selbst definieren. Zudem ist ein Validierungsverfahren eines vollständig eigenhändig verfassten oder öffentlich beurkundeten Vorsorgeauftrags nach Eintritt der Urteilsunfähigkeit erfahrungsgemäss schneller als die Errichtung einer Beistandschaft.
Werden Vollmachten bei Raiffeisenbanken weiterhin anerkannt, wenn der Kunde dement wird? Im Moment der Urteilsunfähigkeit des Vollmachtgebers kommen Vollmachten bei Banken allgemein nur noch sehr eingeschränkt zur Anwendung, dies für notwendige, offensichtlich im Interesse des Vollmachtgebers liegende Transaktionen wie die Bezahlung der Miete oder Krankenkasse.
Was muss die Bank bei fehlender Urteilsfähigkeit des Kunden zusätzlich beachten? Ein für die Bank verbindlicher Auftrag setzt voraus, dass der Kunde urteilsfähig ist und die Tragweite des eigenen Handelns begreift. Wenn diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind und ein Bankkunde Geld beziehen möchte, dann ist aus Sicht der Bank Zurückhaltung geboten. Nach meiner Erfahrung behält die Bank jedoch regelmässig die Interessen und Bedürfnisse des Kunden, der weiterhin und vorübergehend gewisse Transaktionen ausführen möchte, im Auge.
Neben den Print-Ausgaben der Zeitlupe erhalten Sie Zugang zu sämtlichen Online-Inhalten von zeitlupe.ch, können sich alle Magazin-Artikel mit Hördateien vorlesen lassen und erhalten Zugang zur Online-Community «Treffpunkt».
Um diese Website optimal bereitzustellen, verwenden wir Cookies.
Mit der Nutzung dieser Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Erfahren Sie mehr in der
Datenschutzerklärung.