Südfrankreich – Unterwegs im Flusskreuzfahrtschiff
Das mittelalterliche Kloster von Cluny, die Arena von Arles, eine Fahrt in die Camargue – und das Hotelzimmer immer dabei: Das Zeitlupe-Leserangebot führt auf der «Thurgau Rhône» südwärts durch Frankreich.
Text: Usch Vollenwyder
Punkt 16 Uhr legt das Flusskreuzfahrtschiff von seinem Quai mitten in Lyon ab; nur vier Kilometer südlich wartet bereits die erste Schleuse. Zentimetergenau fährt die 110 Meter lange «Thurgau Rhône» in die Ecluse de Pierre-Bénite ein; kaum eine Armlänge Platz hat es noch zwischen Schiffsbauch und Schleusenrand. Zwölf Meter beträgt der Unterschied zwischen dem Schleusenkanal und der träge dahinfliessenden Rhone. Langsam senkt sich das Schiff, das Schleusentor geht auf, die Ampel schaltet auf Grün. Die Taue werden eingezogen, und die «Thurgau Rhône» setzt ihre Fahrt fort.
Zu Beginn der achttägigen Flussfahrt führt die Route auf der Saône nordwärts bis nach Mâcon, bevor sie nach Lyon zurückkehrt. Dort geht die Reise auf der Rhone weiter: Bis nach Arles gilt es noch fast dreihundert Kilometer mit einem Gefälle von rund 160 Metern zurückzulegen. Fünfzehn Schleusen machen es möglich, dass dieser Niveauunterschied bewältigt werden kann. Die Schleuse von Bollène mit 23 Metern ist die grösste. Die zum Greifen nahen Schleusenwände ragen schwarz und steil in die Höhe, darüber ist nur noch ein kleines Stück blauen Himmels zu sehen. Viele Passagiere stehen auf Deck, verfolgen fasziniert den Vorgang, staunen und fachsimpeln über das Ingenieurbauwerk und fotografieren.
Auf dem Sonnendeck wird Kaffee serviert; wer mag, kann sich aus dem reichhaltigen Kuchenbuffet im Salon ein Stück dazu auswählen und mit nach oben nehmen. Man sitzt an kleinen Tischen zusammen oder streckt sich auf einem der Liegestühle aus. Einige lesen, andere nippen an einem Drink und geniessen den Ausblick wenige Meter über dem Wasser der Rhone: der grüne Streifen Bäume und Büsche an beiden Ufern, dahinter Ackerland und Rebberge, am Horizont Hügelketten, Kalksteinwände und bizarre Felsformationen. Das Schiff zieht eine weisse Gischtspur hinter sich her. Man spürt den Fahrtwind auf der Haut und in den Haaren.
Später am Nachmittag lädt Reiseleiter Alexander via Lautsprecher in den Panorama-Salon ein, um das Programm des nächsten Tages zu erläutern: Am Morgen wird das Schiff in Arles anlegen, danach ist ein rund zweieinhalb Kilometer langer Stadtrundgang vorgesehen. Vierhundert Meter lang sei die Strecke von der Anlegestelle bis zum berühmten Amphitheater, wo es einige Treppen zu überwinden gebe. Minutiös beschreibt Alexander jeden Ausflug; so wissen die zumeist älteren Gäste, ob das Programm für sie zu bewältigen ist.
In Arles wartet auch ein Bus für eine Fahrt in die Camargue. Agnes, die lokale Reiseleiterin, lotst den Bus über abgelegene Wege durch den 100 000 Hektar grossen Naturpark zwischen der kleinen und der grossen Rhone nach Saintes-Maries-de-la-Mer – vorbei an weissen Camargue-Pferden, rosa Flamingos und Herden schwarzer Stiere. In Saintes-Maries-de-la-Mer wird ein Zwischenhalt eingelegt. Die Kirche mit der reich geschmückten Schwarzen Sara in der Krypta ist Wallfahrtsstätte für Tausende von Roma und Sinti.
Um 19 Uhr müssen die Gäste zurück an Bord sein; dann legt die «Thurgau Rhône» ab wieder Richtung Norden. In Avignon stehen die Besichtigung des Pont d’Avignon und des Papstpalasts, im weiter nördlich gelegenen Tournon ein Ausflug mit dem historischen Dampfzug «Train de l’Ardèche» durch die Schlucht des Doux auf dem Programm. Es ist diese Abwechslung, welche die Passagiere auf dem Flusskreuzfahrtschiff schätzen: Wer will, kann an den geführten Ausflügen teilnehmen; man kann die Umgebung aber auch auf eigene Faust erkunden – oder auf dem Schiff bleiben.
Das schwimmende Hotel bietet alles, was man für geruhsame Ferien braucht: Die gepflegten Doppelkabinen – die meisten mit französischem Balkon – sind gemütliche Rückzugsoasen; Whirlpool, Dampfbad, Sauna und Solarium laden zum Entspannen ein; Liegestühle auf dem Sonnendeck und gemütliche Sessel im Panorama-Salon und der dazugehörigen Bar locken zu einem Drink oder Tee, zum Lesen oder zu angeregten Gesprächen mit Gleichgesinnten. In der Lido-Bar im Schiffsheck werden ein Frühaufsteher-Frühstück und ein leichtes Mittagessen serviert. Das reichhaltige Morgenbuffet und jeweils ein mehrgängiges Mittag- und Abendessen gibt es im Restaurant im Bug des Schiffs. Alle Räume des Hotelschiffs sind mit weichen Teppichen ausgelegt.
38 Mitarbeitende aus sieben Nationen sorgen für das Wohl der 154 Gäste an Bord. Kapitän Denis Colins – er trägt eine Uniform mit goldenen Knöpfen an der Jacke und vier goldenen Streifen an den Ärmeln – steht wenige Jahre vor der Pensionierung. Am letzten Abend lädt er zum Abschieds-Cocktail in den Salon ein, bevor es zum festlichen GalaDiner ins Restaurant geht. Nach dem Essen greift er zum Mikrofon, Barpianist Dikra schlägt die ersten Töne von Joe Dassins «Champs-Elysées» an. Mit weicher Stimme setzt der Kapitän ein: «Je m’baladais sur l’avenue, le cœur ouvert à l’inconnu…»