32 Figuren, ein Brett und zwei Gehirne: Seit Jahrhunderten fasziniert Schach Menschen auf der ganzen Welt. Bei Pro Senectute Aargau treffen sich Interessierte zum «Generationenschach» oder zum «Schach für Frauen und Mädchen». Das Spiel mit König, Dame und Co. lehrt auch viel fürs Leben.
Text: Annegret Honegger
Schwarz gegen Weiss: Beim Schach sitzen sich zwei Parteien gegenüber. Kein Problem also, dass heute bloss zwei Spielerinnen zum «Schach für Frauen und Mädchen» nach Baden gekommen sind. Auch für Kursleiter Albert Bruggmann spielt es keine Rolle, ob zwei oder zwanzig Teilnehmende vor ihm sitzen: Dank viel Erfahrung, didaktischem Geschick, Geduld und Humor kann er kleinen und grossen Gruppen wie auch Neulingen und alten Hasen etwas bieten.
Normalerweise bespricht der Schachlehrer in einem ersten Theorieteil Strategien und interessante Figurenkonstellationen an einer grossen Tafel mit magnetischen Schachfiguren. Was genau bringt eine Rochade oder ein Damentausch? Wie deckt man seine Figuren, wie führt man einen Doppelangriff und wie verhindert man eine Pattsituation?
Heute setzt er Susanne und Blanca direkt ans Brett. Als Aufwärmübungen spielen sie mit nur einem Springer und drei Bauern oder sollen versuchen, alle acht Bauern so schnell wie möglich auf die gegenüberliegende Brettseite zu bringen. Blanca, heute zum ersten Mal dabei, staunt, woran sie sich noch erinnert, obwohl sie seit Jahren nicht mehr gespielt hat. «Gelernt ist gelernt», erklärt Albert Bruggmann, «das gilt fürs Velofahren wie fürs Schachspielen.» So ist bald wieder klar: Der Bauer läuft vorwärts, schlägt aber diagonal. Der König kann nur ein Feld fahren, dafür in alle Richtungen. Und die Dame zieht, so weit sie kann und will.
Rasch sind Susanne und Blanca ins Spiel vertieft. Sie kneifen konzentriert die Augen zusammen, legen die Stirn in Falten, seufzen ratlos oder freuen sich über einen gelungenen Zug. Bereits die einfachen Aufgaben zeigen, wie Schach das Köpfchen fordert. Allein für den Eröffnungszug bieten sich zwanzig Möglichkeiten. Immer wieder muss man sich eine neue Strategie zurechtlegen, wenn die Gegnerin die bisherige durchkreuzt. Ein einziger Zug kann dazu führen, dass man sich – eben noch im Angriff – plötzlich verteidigen muss. Kein Wunder, beugen sich die Menschen schon seit Jahrhunderten über die Bretter.
«Liebe auf den ersten Blick» sei es mit dem Schachspiel selten, weiss Albert Bruggmann. Gerade die «vielen, vielen Regeln», die das Spiel so spannend machen, schrecken anfangs etwas ab. Doch mit der Übung, versichert der Trainer, werde aus Anstrengung Genuss und die Faszination lasse einen ein Leben lang nicht mehr los.
Susanne fing vor drei Jahren Feuer: «Ich kam ganz ohne Vorkenntnisse in den Kurs, weil ich daheim mit meinem Partner Schach spielen wollte.» Unterdessen liefern sich die beiden am Wochenende unterhaltsame Partien. Tauchen Fragen oder knifflige Situationen auf, bringt Susanne sie am folgenden Mittwoch mit in den Kurs. Benotet oder bewertet, betont der Kursleiter, werde aber nichts: «Es geht hier einfach um den Spass am Spiel.»
Nach einer Stunde ist es Zeit für eine Pause – und für Zucker. Meist bäckt jemand einen Kuchen, denn die grauen Zellen lechzen nach Treibstoff. Schach ist Gehirntraining par excellence – und genau das, was sich Blanca wünscht: «In letzter Zeit vergesse ich mehr als früher. Deshalb möchte ich meinen Kopf hier spielerisch fordern und fördern.»
Schach sei aber nicht nur gut fürs Gehirn, sondern auch eine Lebensschule, ist Albert Bruggmann überzeugt. Mal brauche man Geduld und einen kühlen Kopf. Mal gelte es, blitz- schnell zu handeln. Um das Ziel zu erreichen, muss man vielleicht einen Umweg in Kauf nehmen oder sogar eine Figur opfern. Wer nur an den eigenen Plan denkt und das Gegenüber aus den Augen lässt, kassiert die Quittung ein paar Spielzüge später. Auch verlieren zu können und sich nicht von den Gefühlen mitreissen zu lassen, ist entscheidend. Denn: Nur wer das ganze Spielfeld überblickt, die Fähigkeiten seiner Figuren kennt und sie als Team tanzen lässt, gewinnt. Ganz wie im Leben eben.
© Annegret Honegger
Schachspielen bei Pro Senectute Aargau
Schachspielen in ungezwungener Atmosphäre erlernen und vertiefen: Neulinge, Wiedereinsteigende und Erfahrene sind willkommen. Die Kurse in Baden mit Albert Bruggmann für Frauen und Mädchen (16 bis 18 Uhr) und das «Generationenschach» für Kinder ab neun Jahren und Erwachsene (13.30 bis 16 Uhr) finden abwechselnd am Mittwochnachmittag statt. Den Kurs in Wettingen jeden Dienstag von 14 bis 17 Uhr leitet Jürg Greber. Kosten fürs ganze Jahr 20 bzw. 25 Franken.
Auskunft: Pro Senectute Aargau, Beratungsstelle Bezirk Baden, Telefon 056 203 40 80, Mail baden@ag.prosenectute.ch, ag.prosenectute.ch
Angebote in Ihrer Nähe finden Sie bei Pro Senectute in Ihrer Region. Adressen via prosenectute.ch oder Infoline 058 519 15 15.