«Allein schafft man ein solches Projekt nicht»
Der 69-jährige Eduard Fischer und sein 37-jähriger Sohn Roman Fischer aus dem luzernischen Udligenswil bauen ihr eigenes Flugzeug – seit sechs Jahren! Die Dauer sei nebensächlich, versichern sie im Gespräch. Wichtig sei der Spass – und dass zu Hause niemand davonläuft.
Interview: Fabian Rottmeier, Fotos: Monique Wittwer
Ein Flugzeug zu bauen, klingt etwas verrückt. Wie kamen Sie auf diese besondere Idee?
Roman Fischer: Unsere ersten Flieger bauten wir für die Red-Bull-Flugtage, wo sich Waghalsige aus sechs Metern mit einem halbwegs fliegenden Objekt ins Wasser stürzen.
Eduard Fischer: Ich habe immer beim Bau mitgeholfen. Wir haben dreimal am Wettbewerb teilgenommen, unsere Flieger wurden dabei immer ambitionierter.
Roman: Der dritte hatte eine Spannweite von 10 Metern. Damit flogen wir 42 Meter weit, landeten sanft – und gewannen. Der erste Preis war ein Gutschein, mit dem ich das Brevet zum Privatpiloten erlangen konnte.
Damit war die Basis des Projekts gelegt.
Roman: Genau, und nun wollten wir etwas bauen, das länger als einen Flug hält – hoffentlich. (lacht) Später absolvierte ich als Angestellter der Pilatus-Flugzeugwerke berufsbegleitend die Ausbildung zum Flugzeugtechniker. Mein ganzes Leben ist auf die Fliegerei ausgerichtet.
Eduard: Als er sagte, er baue einen richtigen Flieger, sicherte ich ihm meine Hilfe zu. Vorausgesetzt, die Kiste hat zwei Plätze.
Erfüllen Sie sich damit einen lang gehegten Traum?
Roman: Absolut. Alles begann in meiner Kindheit, als mein Vater oft mit seinen Modellflugzeugen unterwegs war und meinen Bruder und mich mitnahm. Seit ich denken kann, bin ich von Flugzeugen fasziniert.
Eduard: Ich war Mitglied der Modellfluggruppe Rigi. Meine selbst gebauten Flugzeuge wurden technisch immer anspruchsvoller.
Welche Art Flieger bauen Sie nun?
Roman: Wir bauen ein sportliches Flugzeug, eine «Votec 322», mit der ich einst an Flugwettbewerben teilnehmen möchte. Es handelt sich um einen Composite-Flieger, der grösstenteils aus Karbonfasern besteht. Er wurde von Max Vogelsang entwickelt, einem angesehenen Aargauer Konstrukteur. Er brachte uns in Wohlen während fünf Jahren jeden Samstag die nötigen Kenntnisse bei. Die Formen und das Material beziehen wir bei ihm, müssen aber fast alles selbst herstellen – auch die kleinsten Einzelteile.
Eduard: Es gibt viel zu beachten! Beim Schneiden etwa müssen sogar die Fasern richtig ausgerichtet sein!
alle Fotos: © Monique Wittwer
Der Bau dauert bereits sechs Jahre. Was frisst am meisten Zeit?
Roman: Unvorhergesehene Probleme. Manche Einzelteile mussten wir dreimal herstellen, bis alles stimmte. Man bezahlt sein Lehrgeld.
Eduard: Alles muss perfekt gespachtelt und abgeschliffen sein – meistens braucht’s dafür mehrere Durchgänge. Mein Sohn ist heikel. Er war schon als Kind ein Perfektionist. Früher lernte er von mir, heute ich von ihm.
Wie weit ist der Weg noch?
Roman: Etwa 80 Prozent sind geschafft. 2020 wäre ein tolles Datum, aber wir setzen uns nicht unter Druck. Es ist uns wichtig, Spass daran zu haben. Die Dauer war für uns nie relevant oder zentral. Entscheidend war, den für uns passenden Flieger zu finden.
Eduard: Was jetzt noch vor uns liegt, stinkt mir ein wenig. (lacht) Diese Detailarbeit beim Schleifen und Malen! Manchmal wird man nie fertig!
Was bedeutet dieses Projekt für Ihre Vater-Sohn-Beziehung?
Roman: Ich schätze unsere Zusammenarbeit sehr, denn sie ist nicht selbstverständlich. Es macht mich stolz und dankbar, dies mit meinem Vater erleben zu dürfen. Dank ihm habe ich verinnerlicht, dass nichts unmöglich ist.
Eduard: Wir kommen sehr gut miteinander aus. Ich hatte immer grossen Spass, mit meinen beiden Buben etwas zu kreieren. Ich war früher oft tagelang beruflich unterwegs oder kam spät nach Hause. Ich habe diese letzten sechs Jahre sehr genossen.
Sie opfern beide viel Freizeit. Roman, Sie haben sich gar drei Monate dafür freigenommen und werden bald Vater. Braucht es zu Hause ein gutes Fingerspitzengefühl dafür, wann man etwas bremsen muss?
Roman: Ja, definitiv. Ein solches Projekt benötigt immer den Zuspruch von allen Seiten. Alleine schafft man so etwas nicht.
Eduard: Meine Frau und Romans Verlobte haben uns stets voll unterstützt. Und wenn ich mit meiner Frau hie und da «z Berg» fahre, stimmt es auch für sie. Hast du ihm schon von den «4 F» erzählt?
Roman: Die berüchtigten «4 F» bei Eigenbauten lauten: Flieger fertig – Frau fort. Wir hoffen natürlich, dass dies nicht eintrifft! Es ist nicht immer einfach, die Balance zu halten. Man kann sich bestens in der Arbeit verlieren.
Welches waren die schönsten Momente bisher?
Roman: Die Meilensteine, die man zusammen erreicht. Etwa, wenn ein elementarer Teil des Flugzeugs fertiggestellt ist. Wir stossen jeweils mit Champagner darauf an. Als wir den Motor erstmals einfügten, fühlte es sich an, als erhielte der Flieger sein Herz.
Eduard: Ich freue mich enorm auf den Moment, wenn der Propeller zum ersten Mal dreht! ❋
Wenn der Vater mit dem Sohne
Eduard Fischer ging mit grossen Kränen statt Fliegern in die Lüfte. Jahrelang chauffierte er Schwertransportfahrzeuge und Baukräne durch die Schweiz – und tut dies als Aushilfe noch heute. Roman Fischer ist gelernter Polymechaniker, besitzt das Akrobatikflugbrevet und arbeitet für die US-Firma Aurora Swiss Aerospace, die zum Boeing-Konzern gehört. Seit 2013 bauen die beiden eine «Votec 322», ein Kleinmotorflugzeug mit 7,5 m Spannweite. Es wird 650 kg wiegen und kann bis zu 1200 km weit fliegen. Eduard Fischer sagt, man müsse Mechaniker, Maler, Elektriker und Schreiner in einem sein, um ein Flugzeug zu bauen. Sie tun dies in Eduards Keller und in seiner Autogarage.