Ein bisschen imkern gibt es nicht. In den vielen Stunden, die der frühere Top-Manager Dominik Leonhardt bei seinen Bienen verbringt, findet er zur Ruhe.
Text: Marc Bodmer, Fotos: Katharina Lütscher
Am Waldrand stehen ein paar Holzkisten. Festgezurrt auf Paletten, wie man sie aus dem Transportwesen kennt. Doch umgezogen wird hier nicht, sondern gearbeitet – von Bienen. Ein grosses, gelbes Schild weist denn auch auf die emsigen Arbeiterinnen von Dominik Leonhardt hin: «Achtung Bienen!»
Zu sehen ist heute von den Honigbienen nichts. Der Himmel über der Region bei Brugg AG ist bleiern. Das Frühlingswetter unstet und kühl. «Wenn sich die Sonne nicht zeigt, fliegen sie nicht», sagt der Imker und reicht mir eine Schutzhaube, die mit einem langärmligen T-Shirt aus festem Stoff verbunden ist. Trotz des feinen Gewebes der Kapuze ist die Sicht gut. «Kürzlich holte ein Neu-Imker zwei Stöcke bei mir ab», sagt Dominik Leonhardt. «Er hatte sein Parfüm so dick aufgetragen, dass er von den Bienen gleich gestochen wurde, als er in ihre Nähe kam. Intensive Düfte machen sie aggressiv.»
Was sie auch nicht mögen, ist Rauch. Er ist für sie gleichbedeutend mit der Gefahr eines Waldbrands. Nachdem Dominik Leonhardt vorsichtig den Deckel einer Kiste geöffnet hat, wird der Blick frei auf die Magazine, die senkrecht in den Kisten wie Lamellen eingeführt sind. Arbeiterbienen wuseln herum. Mit einer Räucherkanne nebelt der Imker die Insekten ein, die sich augenblicklich in die Spalten verziehen. «Sie krabbeln zu den Waben und füllen ihre Honigblasen. Sie bereiten sich auf eine Flucht vor dem Feuer vor», erklärt der frühere Top-Manager, der bei Schweizer Versicherungen, Banken und im Tourismus tätig war.
Ruhig zieht Dominik Leonhardt ein Magazin hoch. Noch sind die Waben im Aufbau, aber die regelmässige, sechseckige Struktur ist bereits sichtbar und von einer bestechenden Schönheit. «Diese Konstruktion ist leicht und sehr stabil zugleich», sagt der 65-Jährige. Im Gespräch mit Dominik Leonhardt, der über einen Abschluss in Marketing und Psychologie der Hochschule St. Gallen verfügt, merkt man, dass er keine halben Sachen mag. Er setzt sich leidenschaftlich mit einem Thema auseinander und baut auf dieses Wissen. Die letzten 14 Jahre seiner beruflichen Tätigkeit reiste er für ein grosses Schweizer Touristikunternehmen durch die ganze Welt. Um sich von der hektischen Arbeit zu erholen, suchte der Manager «etwas, das mich erdet». Dazu gehörte der Garten, in dem er auch Wildbienen ansiedelte. Von da war es ein kleiner Schritt zu den Honigbienen.
Er schloss die Ausbildung zum Imker während der Pandemie ab. Da er weiterhin als Erwachsenenbildner tätig ist, schnallte er sich noch eine Imker-Ausbildner-Schulung an und begleitet seither Neu-Imker. Er hat auch einen speziellen Imker/-innen-Grundkurs entwickelt für Interessierte 65plus (siehe Box).
Ein bisschen imkern gibt es nicht. Dominik Leonhardt investiert jährlich 50 bis 60 Stunden pro Volk. Aktuell pflegt er acht Königinnen mit Gefolge. Die intensive Arbeit belohnen die intelligenten Tiere nicht zuletzt mit Honig. Den Fortschritt in der Produktion verfolgt der Imker über eine App und mit Hilfe von Waagen, die unter den «Beuten» stehen. «Ein Bienenvolk kann rund ein Kilogramm Honig pro Tag produzieren», sagt Dominik Leonhardt. Übers Jahr heisst das zwischen 20 und 40 Kilogramm pro Volk. Der ehemalige Manager setzt sich auch ein für einen adäquaten Preis: «Es steckt viel Arbeit im Honig – von den Imkern und den Bienen. 38 Franken pro Kilo wären fair.»
Doch dieses heikle Thema beschäftigt die Schweizer Imker ebenso wie die Digitalisierung: «Viele Imker arbeiten immer noch mit handschriftlichen Notizen», sagt Dominik Leonhardt. «Die Digitalisierung erlaubt es auch, weltweit Wissen auszutauschen.» Das ist wertvoll bei der Schädlingsbekämpfung, denn die Varroa-Milbe tötet Bienen in der ganzen Welt, und der Bienenvolk-Kollaps 2007 schreckte die Menschheit auf: «Das grosse Bienensterben konnte bis heute nicht eindeutig zugeordnet werden», sagt der Fachmann. «Der Schock hat aber zu einer Sensibilisierung beigetragen, und wir haben gute Fortschritte gemacht.»
Dazu gehört die Handy-App, die den Imker auch über aussergewöhnliche Gewichtsveränderungen informiert: «Wenn es plötzlich ein Kilogramm weniger ist, hat sich höchstwahrscheinlich ein Schwarm verabschiedet.» Dann steigt Dominik Leonhardt in sein Auto und macht sich auf die Suche, denn er ist auch Schwarmfänger des Bienenzüchtervereins Unteres Aaretal.
Blüten für Bienen
Fast die Hälfte der 600 Wildbienenarten in der Schweiz ist vom Aussterben bedroht. Hauptproblem ist der Rückgang der Blütenvielfalt und -menge. Wer klassische Küchenkräuter wie Rosmarin, Thymian, Minze, Lavendel oder Salbei im Garten oder auf dem Balkon pflanzt, unterstützt gesunde Wild- und Honigbienen. Die Landwirtschaft kann Blühstreifen beim Mähen stehen lassen. Mehr zu Blühflächen und wie sie gefördert werden können, erfahren Sie am Weltbienentag, 20. Mai 2024, und auf floris.bienen.ch
Bienenzucht in der Schweiz
In der Schweiz pflegen rund 19 500 Imkerinnen und Imker etwa 195 000 Völker. Die Vereinigung Bienen Schweiz setzt sich für Wild- und Honigbienen, Imkerbildung und Forschung ein. Auch der Erhalt der Biodiversität und eines vielfältigen Blütenangebots zählt zu den Zielen. Wer sich für die Imkerei und eine entsprechende Ausbildung interessiert, erhält weitere Informationen unter bienen.ch oder schaut sich den «65plus Imker:innen-Grundkurs» von Silberprojekt an: silberprojekt.ch/bienen-grundkurs-projekt
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