Werner Kauer versüsst sich seine Pensionierung mit weltweiten Einsätzen auf Kreuzfahrtschiffen. Als Gentleman Host steht er gut betuchten Damen als Tanzpartner und Begleiter zur Verfügung – mit strengen Vorschriften.
Text: Fabian Rottmeier
«Guten Abend, mein Name ist Werner, und ich bin heute Abend Ihr Begleiter.»
Unzählige Male hat Werner Kauer diesen Satz in den letzten 13 Jahren bereits wiederholt, meistens auf Englisch, immer auf grossen Kreuzfahrtschiffen. Sich bei der Begrüssung immer zuerst vorzustellen, ist eine von vielen Benimm-Regeln, die der 76-Jährige verinnerlicht hat. Das sei wichtig, sagt er.
Werner Kauer ist laut eigenen Aussagen der einzige sogenannte Gentleman Host der Schweiz. Ein temporärer Begleiter mit Stil und Manieren, gebucht von den beiden international tätigen Kreuzfahrtunternehmen Cunard und Silversea. Vor der Pandemie reiste er bis zu viermal jährlich auf hoher See – bis in die Karibik. Sein nächster Einsatz, der erste seit Pandemiebeginn, ist für Februar 2023 geplant, von Perth nach Kapstadt. Für seine Dienste erhält er keinen Lohn, aber Kost, Logis und eine kostenlose An- und Rückreise. Seine wichtigsten Aufgaben: Er begleitet alleinreisende Passagierinnen an die Bar, zu Shows und Essen – und steht morgens zum «Ladys Chat» sowie abends als Tanzpartner zur Verfügung. Dabei gilt, eine weitere Regel: sich immer schön zurückzunehmen, der Tanzpartnerin anzupassen. Und höflich zu sein. Und aufmerksam. Der ausgebildete Tanzinstruktor beherrscht die Kunst, andere glänzen zu lassen: «Madam, Sie sehen blendend aus in Ihrem Abendkleid.»
Ein bisschen «Schmus» muss sein
Werner Kauer, aufgewachsen im Simmental und wohnhaft in Gunten am Thunersee, gefällt seine Rolle als Charmeur. Als Gentleman Host müsse man «immer chli dä Schmus bringe», sagt er, aber stets dezent und anständig. Schliesslich kennt Kauer die genauen Bestimmungen seiner Anstellung. Verboten sind etwa anzügliche oder politische Gespräche. Seine Kleidung ist zu jeder Tageszeit festgehalten. Im Leitfaden steht, dass ein Gentleman Host immer wie James Bond auszusehen habe. Die Faszination für ein gepflegtes Auftreten hat ihm sein Vater vermittelt, die Vorliebe fürs Volkstümliche und Soziale verdankt er seiner Mutter. Werner Kauer singt im Jodlerklub Oberhofen und engagiert sich als Fahrer fürs Rote Kreuz.
«Erlauben Sie mir, mein Herr, Ihre Gattin um einen Tanz zu bitten?»
Auch wenn die Bitte zum Tanz vom Ehemann ausgeht, gebiete der Anstand diese Frage, so Kauer. Seine rechte Hand legt er nie zu nahe am BH seiner Tanzpartnerin auf, sondern eine halbe Handbreite unterhalb. Ein Gentleman Host darf maximal zweimal am Stück mit derselben Dame tanzen. Eine Supervisorin überschaut die Tanzfläche. Manchmal gönnt sich Werner Kauer in seiner Pause ein frisches Hemd. Nachmittags gibt er an Bord auch Tanzkurse.
Werner Kauer schätzt das Bereisen der Weltmeere und der für ihn neuen Länder ebenso wie die Gespräche. Er habe so viele spannende Menschen und Lebensgeschichten kennengelernt – etwa diejenige einer Erbin, die ausschliesslich auf Kreuzfahrtschiffen lebt. Manchmal sei auch einfach empathisches Zuhören gefragt.
«Entschuldigen Sie, meine Dame, wie Sie wissen, ist es uns nicht erlaubt, Ihre Kabine zu besuchen.»
Es sei sehr selten, dass ihn eine Passagierin auf ihr Zimmer bitte. Werner Kauer würde, wie einst ein spanischer Gentleman-Kollege, im nächsten Hafen von Bord fliegen, wenn er sich darauf einliesse – Rückreise auf eigene Kosten. Die Suite-Butler seien verpflichtet, Verstösse zu melden. Die Taburegel geht gar so weit, dass selbst Werner Kauers Partnerin ein eigenes Zimmer buchen muss, wenn sie mitreist. Als sie sich kennenlernten, hat sie seine Einsätze als Kreuzfahrtbegleiter sofort akzeptiert. Er ist jedoch überzeugt, dass die Damen, wie er sie stets nennt, auf den Schiffen bloss Erholung und Unterhaltung suchen.
Florida trifft auf Rösti
Der frühere Koch und Konditor wurde bei einem Tanzkurs von einem Teilnehmer, der bei Cunard arbeitet, gefragt, ob er sich nicht als Gentleman Host bewerben wolle. Kauer war gerade dabei, sich eine Rösti zu braten, als ihn der Videoanruf fürs Bewerbungsgespräch aus Florida erreichte. Zwei Wochen später flatterte das erste Aufgebot ins Haus: 17 Tage, von Venedig nach Dubrovnik, mit der Queen Victoria. «Es war toll», sagt er.
Als Gentleman Host kann er seine ganze Lebens- und Berufserfahrung als Gastro- und Tanzexperte sowie als ehemaliger Hotelmanager in Südafrika und Verkaufsleiter einbringen. Vielleicht hat es ihm deshalb auf den Schiffen eine britische Gepflogenheit angetan, die viele Elemente daraus vereint: der Afternoon Tea. «Das wird richtig zelebriert.» Er mag das: Schwarztee, frische Scones, Häppchen. Dazu spielt ein Orchester oder eine Pianistin, und die Kellner betreten den stilvollen Saal in einer Reihe mit Handschuhen und in weissen Anzügen mit goldenen Knöpfen. Immer anmutig, perfekt aufeinander abgestimmt und mit synchronen Schritten. Wie ein Tanz.
Weit gereist ist auch der 96-jährige Auslandschweizer Reiner Keller, der in den USA als Architekt sein Glück fand – auch dank meditieren. Lesen Sie hier von seinen Erlebnissen.
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