«Auch im Alter kann man beim Flirten noch etwas dazulernen»
Die Deutsche Gabriele Pochhammer hat in Hamburg eine Partnervermittlung für ältere Menschen gegründet. Der Laden könnte eine Goldgrube sein. Wären die Männer bloss nicht so schüchtern.
nterview: Claudia Senn
Gabriele Pochhammer, wie sind Sie darauf gekommen, mit 62 Jahren noch eine Partnervermittlung für ältere Menschen zu gründen? Aus Eigennutz. Mein Mann ist vor sieben Jahren unerwartet verstorben. Lange Zeit war ich sehr traurig, doch nach etwa drei Jahren sagte eine Freundin zu mir, ich müsste nun dringend mal darüber nachdenken, einen neuen Partner zu suchen. Also liess ich mich zu einer Anmeldung bei einer Dating-Plattform überreden.
Und, wie fanden Sie das? Schrecklich. Online-Dating ist einfach nicht meine Welt. Gleich nachdem ich mich angemeldet hatte, kamen schon die ersten E-Mails rein: «Urs sendet dir ein Lächeln.» «Werner sendet dir ein Lächeln.» Das fand ich erst mal schräg – bis mir klar wurde, dass das bei dieser Plattform eben so läuft. Ich habe keine einzige Kontaktanfrage beantwortet. Als nicht zahlendes Mitglied sieht man die Fotos der Männer nur verpixelt. Ich wollte die aber nicht mal unverpixelt sehen. Auf diesen Portalen wird ja gemogelt, dass sich die Balken biegen, angefangen bei Grösse, Alter und Gewicht. So kann doch gar nichts entstehen! Innerhalb von einer Woche habe ich das ganze Projekt wieder beerdigt.
«Auf den Datingportalen wird gemogelt, dass sich die Balken biegen»
Um danach mit Ihrer eigenen Partnervermittlung loszulegen? Noch nicht. Erst mal habe ich es bei anderen Agenturen versucht. Ich traf eine Frau in Berlin. Die fand ich auch ganz nett. Allerdings wollte sie einen Fantasiebetrag im hohen fünfstelligen Bereich haben. Dann kontaktierte ich einen Herrn in Düsseldorf, der sagte, dass in meinem Alter die Luft schon sehr dünn werde. Das fand ich dann ein bisschen unverschämt. In mir wuchs langsam der Gedanke: Warum stellst du nicht deine eigene Partnervermittlung auf die Beine? Ich komme ja ursprünglich aus der Tourismusbranche und habe viele Jahre im Ausland gelebt. Ich bin aufgeschlossen und vorurteilsfrei, gehe gern auf Menschen zu und kriege innerhalb kürzester Zeit sehr viel aus ihnen raus. Eigentlich bin ich doch die perfekte Matchmakerin.
Was können Sie besser als die Algorithmen der Datingportale? Der beste Matching-Algorithmus der Welt ist die menschliche Intuition. Ich führe mit allen Kandidatinnen und Kandidaten ausführliche persönliche Gespräche. Dabei geht es auch ans Eingemachte. Ich möchte wissen, ob sie schnarchen, ob für sie eine gemeinsame Wohnung infrage kommt und wie viel Sexualität sie sich in einer Beziehung wünschen. Während dieses Gesprächs ahne ich dann meistens schon: Herr Meier könnte doch zu Frau Müller passen.
Läuft der Laden? Er läuft ganz gut, aber ich habe ein Problem: In meiner Kartei sind 70 Prozent Frauen und nur 30 Prozent Männer.
Die Zeitlupe hat einmal ein Speeddating organisiert. Da war das Geschlechterverhältnis ähnlich unausgewogen. Warum sind die Männer so schüchtern? Nach meiner bisherigen Erfahrung herrscht bei den unter 65-jährigen Männern der Tenor vor: Warum soll ich mir von einer Frau helfen lassen, eine Partnerin zu finden? Das kann ich doch allein.
Es ist also eine Frage der Ehre? Genau. Als es noch keine Navis gab, sind Männer ja auch lieber zehnmal um den Block gefahren, bevor sie jemanden nach dem Weg gefragt haben. Mich rufen immer wieder Frauen aus meinem Bekanntenkreis an und sagen ganz euphorisch: Gabi, ich kenne da einen Mann, der wäre genau der Richtige für deine Kartei. Wenn ich den dann kontaktiere, findet er tausend Gründe, um sich mir nicht anzuvertrauen, sagt, vielen Dank, ich melde mich. Und bleibt lieber allein. Es ist zum Haareausreissen.
Sie sagten, so reagierten Männer bis etwa 65. Wie steht es mit den älteren? Ab 70 sind sie schon eher Feuer und Flamme. Da haben sie vielleicht nicht mehr so viel Lust und Energie, selbst jemanden zu suchen und sind auch nicht besonders internetaffin. Die sagen sich: Da wende ich mich lieber an Frau Pochhammer.
Was ist die grösste Hürde bei der Partnersuche im Alter? Das Flirten ist bei vielen etwas eingerostet. Ich hatte zum Beispiel eine 76-jährige Professorin im Ruhestand, die ihr Leben lang Hörsäle voller Studentinnen und Studenten gebändigt hatte, beim Gedanken an ihr erstes Date aber weiche Knie bekam. Oder einen ehemaligen Kapitän, der es gewohnt war, Herr der Lage zu sein, egal, wie stürmisch die See gerade war. Doch sein erstes Date zögerte er immer wieder hinaus, weil er sich fühlte wie ein 15-jähriger Schuljunge.
«Aufrecht hinstellen, Krönchen richten und auf zum nächsten Flirt.»
Wie überwindet man solche Unsicherheiten? Indem man das Flirten übt. Auch im Alter kann man noch was dazulernen. Angenommen, Ihnen fällt im Supermarkt ein Mann auf, der nett aussieht. Da könnten Sie zum Beispiel sagen: Mensch, ich sehe Sie hier jedes Wochenende, und jetzt haben Sie sich gerade diesen Wein da ausgesucht. Ich spiele auch mit dem Gedanken, den zu kaufen. Schmeckt der gut? Und schon sind Sie im Gespräch.
Und wenn der Mann nicht anbeisst? Aufrecht hinstellen, Krönchen richten und auf zum nächsten Flirt.
Aus Frauensicht widmen Männer ihrem Äusseren manchmal zu wenig Aufmerksamkeit. Das kann abschreckend wirken. Schlimm finde ich diesen Schrankgeruch. Wenn jemand ungepflegt riecht, geht das gar nicht. Doch wenn der Mann grundsätzlich sympathisch ist und bloss ein schreckliches Hemd trägt, dann sage ich: Mädels, haltet mal den Ball flach. Als Frau hat man alle Möglichkeiten, das später zu ändern. Wenn Sie sich dann besser kennen, sagen Sie: Guck mal, Peter, das Hemd hier, das würde an dir sehr schick aussehen. Und schon haben Sie das Problem gelöst.
War denn nun bei all Ihren Kandidaten auch der richtige für Sie dabei? Bisher leider nicht. Dabei hätte ich so gerne einen Partner. Man muss ja nicht unbedingt eine Wohnung miteinander teilen. Doch ich finde nichts schöner, als mit einem Mann, den ich liebe, zu flirten, auszugehen, Gespräche zu führen. Auch die Sexualität ist mir wichtig. Ich hatte bisher immer im Kalender stehen: 21. Januar, Todestag Mäxchen. Das habe ich nun gelöscht. Ich trage ihn im Herzen, bin aber offen für jemand Neues. Die Liebe mit einem neuen Partner wird einfach anders sein als jene mit Mäxchen.
Gabriele Pochhammer (65) kommt ursprünglich aus der Tourismusbranche. Bevor sie vor drei Jahren ihre Partnervermittlung Hammer & Herz gründete, arbeitete sie in Dubai, Abu Dhabi und Oman sowie in verschiedenen Safari-Lodges im südafrikanischen Busch. Lange Zeit ging sie als Single durchs Leben, bis sie mit 49 ihren Mann Max kennenlernte. Zehn Jahre später starb er überraschend an einem Herzinfarkt. Heute lebt Pochhammer gemeinsam mit ihrem Hund in ihrer Heimatstadt Hamburg.
Buchtipp
Mit viel Schwung, Humor und Selbstironie ermuntert Gabriele Pochhammer in ihrem Buch eine ältere Leserschaft, auch in reiferen Jahren das Thema Partnersuche nicht aufzugeben und lässt sie hinter die Kulissen ihrer Partnervermittlung blicken.
Gabriele Pochhammer: «Jung (Ü50) sucht – Habe Falten, sehe aber auch deine nicht mehr so gut», Heyne-Verlag 2025, 208 Seiten, ca. CHF 25. 90.
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