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46 000 ältere Menschen ohne Ausweg aus der Armut

Für 86 Prozent der Rentnerinnen und Rentner schafft das Drei-Säulen-System finanzielle Sicherheit im Alter. Fast 300 000 Personen über 65 Jahre sind jedoch von Altersarmut betroffen oder gefährdet. Nur ein Teil von ihnen kann dies durch sein Vermögen kompensieren.

Seit über 100 Jahren engagieren wir uns als Fach- und Dienstleistungsorganisation für das Wohl, die Rechte und die Würde der älteren Bevölkerung in der Schweiz. Geleitet werden wir von unserer Vision, dass alle Menschen bis ins höchste Alter selbstbestimmt und als wertgeschätzte Mitglieder der Gesellschaft leben können – frei von Ausgrenzung und Altersarmut. Dieser Auftrag ist aktueller denn je.

300 000 von 1,8 Millionen betroffen

Gemäss unseres 2022 erstmals mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und der Universität Genf durchgeführten Altersmonitors sind gegen 300 000 Personen von Altersarmut betroffen oder gefährdet – viele von ihnen befinden sich in einer ausweglosen Situation. Gemessen an der Gesamtbevölkerung über 65 ist dies jede achte Person. Dies dürfte sich in Zukunft zuspitzen, nimmt doch die Altersarmut aufgrund des demografischen Wandels in absoluten Zahlen zu.

Eine Erkenntnis aus dieser repräsentativen Befragung treibt uns besonders um: Schweizweit sind ungefähr 46 000 Seniorinnen und Senioren nicht in der Lage, ihr kleines Einkommen mittels Vermögen zu kompensieren. 

Verschiedene Eigenschaften erhöhen gemäss unserer Studie die Wahrscheinlichkeit für Altersarmut (Spalte rechts): Neben Frauen und ausländischen Staatsbürgern und -bürgerinnen sind vor allem Personen ohne sekundäre oder tertiäre Ausbildung betroffen. Menschen auf dem Land laufen ebenfalls eher Gefahr, im Alter wenig zum Leben zu haben als die ältere Bevölkerung in den Städten. 

Klar ersichtlich ist ausserdem: Treffen mehrere solcher Risikofaktoren aufeinander, wird ihr jeweiliger Einfluss verstärkt. Der Bildung kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Die Analysen zeigen, dass eine höhere Ausbildung nicht nur das Risiko von Armut senkt, sondern auch den Einfluss anderer Faktoren wie Nationalität oder Geschlecht schmälern kann. 

Altersarmut beeinflusst soziale Kontakte und Gesundheit 

Altersarmut hat nicht nur einen direkten Einfluss darauf, wie viel sich im Portemonnaie befindet. Auch der soziale Austausch leidet, und entsprechend nimmt Einsamkeit zu, denn Aktivitäten sind häufig mit Kosten verbunden. Ausserdem bedeutet ein kleines Budget schlicht auch Stress: Komme ich über die Runden? Was, wenn es eine unerwartet hohe Rechnung ins Haus schneit? Diese ständige Ungewissheit wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus – in psychischer, mit der Zeit aber auch in körperlicher Hinsicht. 

Bei den Resultaten überrascht uns aber auch, wie gross die kantonalen Unterschiede sind: Bis zu fünfmal mehr Menschen sind im Tessin von Altersarmut betroffen als in Basel- Stadt. Das in einer Schweiz, die sich dafür rühmt, eines der besten Altersvorsorgesysteme zu haben. Hier gilt es, genau zu ergründen, weshalb einige Kantone derart markant vom nationalen Durchschnitt abweichen. 

Gemeinsam gegen Altersarmut 

Weshalb befinden sich derart viele ältere Menschen in solch einer schwierigen Situation? Wo besteht Handlungsbedarf? Für Pro Senectute zeigt die jüngste Erhebung zur Altersarmut, dass die Problematik auch im Jahr 2022 und trotz sozialen Sicherungssystemen nicht gelöst ist. Wir beobachten die Situation genau und setzen uns in allen Landesteilen mit Beratung, finanzieller Unterstützung und auf politischer Ebene weiterhin mit Hochdruck dafür ein, dass ältere Menschen bis ins höchste Alter als wertgeschätzte Mitglieder der Gesellschaft leben können – frei von Altersarmut und Ausgrenzung. 

Armutsbetroffenheit bei spezifischen Bevölkerungsgruppen 

Geschlecht

Die Ergebnisse des Altersmonitors von Pro Senectute zur Altersarmut weisen auf einen stark ausgeprägten Geschlechterunterschied hin. 17,7% aller Frauen im Pensionsalter müssen mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze auskommen. Bei den Männern sind es 9,9%.

Zivilstand

Auffallend ist der Unterschied zwischen Verheirateten, mit einem markant tieferen Anteil von Einkommensarmen von 11,6%, gegenüber den restlichen Kategorien der Ledigen (15,9%), der Geschiedenen (17,2%) und Verwitweten (17,5%).

Bildung

Rentnerinnen und Rentner ohne nachobligatorische Ausbildung sind viel häufiger einkommensarm (33,9%) im Vergleich zu solchen mit einem Abschluss der Sekundarstufe II (Berufslehre, Fachmittelschule, Lehrerseminar etc.) oder mit einem Tertiärabschluss (12,9% respektive 7,6%).

Staatsangehörigkeit

Eindrücklich zeigt die Auswertung, dass Personen ohne Schweizer Staatsangehörigkeit markant häufiger unterhalb der Armutsgrenze leben als Schweizerinnen und Schweizer (29,1% gegenüber 12,9%). 

Pro Senectute hilft

  • Die 24 kantonalen und interkantonalen Pro Senectute Organisationen beraten ältere Menschen und ihre Angehörigen kostenlos in finanziellen Fragen. Je nach Situation stehen zudem finanzielle Unterstützungsleistungen offen. Pro Senectute berät in einem vertraulichen Gespräch, ob Ergänzungsleistungen (EL), Individuelle Finanzhilfe (IF) oder private finanzielle Unterstützung beantragt werden kann. prosenectute.ch/beratung

  • Mit dem ELRechner von Pro Senectute können Sie einen potenziellen Anspruch auf EL abklären: prosenectute.ch/de/dienstleistungen
Beitrag vom 11.10.2022
Alexander Widmer

Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter «Innovation & Politik» bei Pro Senectute Schweiz

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