Wie fühlt sich die Wirkung von LSD an? Die Journalistin Anuschka Roshani hat es ausprobiert – im Dienste der Wissenschaft.
Interview: Claudia Senn
Anuschka Roshani, Sie haben im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie mehrmals LSD genommen. Wie lief das ab? An sechs Studientagen bin ich für jeweils 26 Stunden ins Unispital Basel eingerückt. Frühmorgens bekam ich das in Alkohol gelöste LSD, an jedem der sechs Studientage in einer anderen Dosierung. Einmal war auch ein Placebo dabei. Während der Trips wurde mir regelmässig Blut abgenommen, um herauszufinden, wie schnell sich die Substanz im Körper abbaut. Ausserdem musste ich Fragebögen ausfüllen – was mir bei den beiden höchsten Dosierungen nicht mehr gelang. Die ganze Zeit über war eine Betreuungsperson mit im Zimmer. Deshalb fühlte ich mich sehr sicher und aufgehoben.
Was motivierte Sie, an der Studie teilzunehmen? War das für Sie eine Art Mutprobe? Nein, zunächst mal journalistische Neugier. Ich hatte mitbekommen, dass Psychedelika momentan eine Forschungsrenaissance erleben und Schweizer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an vorderster Front mit dabei sind. Darüber wollte ich schreiben und deshalb auch einen Selbstversuch wagen.
Wie hat Ihr Umfeld auf das Vorhaben reagiert? Mein Mann glaubte mir erst gar nicht, dass ich es ernst meine. Denn ich bin überhaupt nicht drogenaffin und trinke nicht mal Alkohol, weil er mir einfach nicht schmeckt. Dass ausgerechnet ich so etwas wagen wollte, fanden alle um mich herum überraschend.
Sie selbst hatten ebenfalls Bedenken. Ja, ich war extrem nervös. Meine grösste Sorge war, dass ich einen Horrortrip erleben würde. Ich fragte mich: Musst du dir das wirklich antun, dass du womöglich stundenlang in Panik gefangen bist? Die Ärzte versicherten mir jedoch, dass sie mir in diesem Fall ein Benzodiazepin spritzen könnten, das die Wirkung des LSD sofort aufhebt.
Was haben Sie erlebt, als es dann tatsächlich losging? Die Wirkung tritt nach etwa 30 bis 45 Minuten ein. Ich spürte jedes Mal, wie die Welle anrollte, mit einem Schaudern, einer Art Hitzegefühl. Bei den höher dosierten Trips wurde mir auch übel. Dann prasselten die Bilder mit einer unglaublichen Wucht auf mich ein. Jeder Gedanke war ein Gefühl und jedes Gefühl ein Gedanke. Ich schwamm in einem Ozean voller Eindrücke und Empfindungen und fühlte mich komplett uferlos, weil ich mich nirgends festhalten konnte. Mein Zeitgefühl war weg. Manchmal hatte ich den Eindruck, Jahrhunderte zu durchschreiten, dabei war es wohl nur ein Wimpernschlag.
War das so anstrengend, wie es klingt? Ich empfand es tatsächlich als Schwerstarbeit. Es gab keinen Filter mehr, alles prasselte ungehindert auf mich ein, in einer Intensität, die ich nie zuvor erlebt hatte. Doch es gab auch viele schöne Phasen. Zwischendurch empfand ich eine enorme Seligkeit, ich fühlte mich verbunden mit der Natur und allem Leben. Beim ersten Trip hatte ich sogar synästhetische Empfindungen: Ich konnte Musik bildlich wahrnehmen, sah sie als Schleiervorhänge und spitzenartig gewebte Stoffe vor mir. Das fand ich wunderschön.
Wie fühlte sich das an? Ich empfand es als riesige Loslass-Übung. Grundsätzlich bin ich ein eher verkopfter Mensch. Nun konnte ich nichts mehr festhalten. Ich wollte auch nichts mehr in Worte fassen, obwohl ich sonst eine zwanghafte Formuliererin bin. Das entpuppte sich für mich als enorm heilsam.
Wie hat sich diese Erfahrung auf Ihr Lebensgefühl ausgewirkt? Sie hat mir eine Gelassenheit geschenkt, die völlig neu für mich ist. Davor belastete ich mich oft mit Dingen, die es gar nicht wert waren. Nun bin ich viel entspannter und spüre ein beinahe kindliches Urvertrauen ins Leben. Viele Probleme erledigen sich sowieso von selbst. Es spielt für mich auch keine Rolle mehr, ob ich dieses Tram erreiche oder das nächste, ob ich eine E-Mail heute beantworte oder erst übermorgen. Ich nehme mich selbst einfach nicht mehr so wichtig.
Anuschka Roshani ist Journalistin und Autorin. Letzten Herbst ist ihr LSD-Buch «Gleissen» erschienen, in dem sie auch ihre eigenen Erfahrungen mit der Substanz verarbeitet. (Verlag Kein & Aber, ca. 28 Franken).
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