«Bittere Sirup» (1) Von Nina Hurni

Deheime aacho, steui mi vor e Spiegu. Schwarz steit mer nid, vergränneti Ouge no weniger. I dänke dra, wi guet du immer hesch usgseh, bis fasch ganz am Schluss, gäng elegant u stouz, wie ne Dame us de höchere Kreise, so aus hättisch du immer wöue zeige, dass du öpper bisch, wo me söu respektiere, trotz dim Läbe. I frage mi, ob i dir glyche. Ob du i mym Auter o öppe so hesch usgseh wie n ig.  I mym Auter hesch du es Ching gha, wo scho i d Schuu isch ggange, hesch scho lang dyni Familie verlah gha, ir Stadt gläbt, di elleini düregschlage.

I mym Zimmer isch es huere Chaos. Chleider und Büecher und Stifte, Farbe, aues ligt im Züg desume, i hocke a Schrybtisch, schufle chly Züg wägg und finge no es grosses, läärs Blatt. I nihme d Farbe füre u fah afa male.

Es Gsicht, wo sit langem scho so verläbt u ufne Art ging no so läbig usgseht, chly Faute u Täler unger de Ouge und dä rot Lippestift wo de ging hesch treit, male di ging glych zwäg gmachti Frisur us pächschwarzgfärbte Haar, nie han i es graus dinne entdeckt.

Mir chunt z Sinn, wie n i di ds erscht Mau ha gseh, ig denn aus chlyses Meitschi und scho im Pischi,  ä hundsgwöhnleche Aabe, chönnt me meine, wo plötzlech d Türe isch ufggange u du dert bisch gstande. Mir sy verchlüpft, d Mama und ig, si het mi so hinger sech gschobe, aus wär dert irgend e böse Drache, wo jederzyt chönnt afa Füür spöie, usi müesst mi drvor schütze. 

«Guete n Aabe Eliane», hesch du zur Mama gseit, so aus wär nüt, so aus wär aues ganz gwöhnlech so, u när «und sälu, du!» zu mir. D Mama het öppis gstotteret, «Was wosch itz du hie!», oder so u du hesch immer no seeleruhig gantwortet: «Mä het mer verzeut, du heigsch ä chlyni Tochter. Ds isch doch mis guete Rächt, dass i die no gseh, bevor i ids Gras bysse.» U när hesch mi gfragt: «Du, genau du, wi heissisch de?» 

Irina, han i gseit,» «U i bi nid chly, i bi scho füfi!»

«I bi d Johanna.» Du bisch a Tisch gsässe, hesch glächlet, aber nume für mi. «I bi dyni Grosmueter. Vo mir hesch äuä ds Läbe lang no nüt ghört. Und wenn, de weiss Gott, was si der vo mir verzeut het. I syg ä Schlampe?» «Ä Häx, ä Junkie?» 

«Was faut dir y», het d Mama plötzlech bbääget, i ha ihri Stimm no nie so ghört, so richtig hässig, aber glychziitig ou, aus würd si itz de grad afa gränne. «Ja i ha ne Tochter. Und nei, i ha re nüt vo dir verzeut. Wiso sötti ou. Mir läbe es ganz guets Läbe ohni di. U was söu das itz, hie betrunke ufztouche, weisch eigentlech was für Zyt dass isch?» 

«Ou nei, ha n i d Öffnigszyte verpasst? Hanget es Schiudli nöime ar Tür? Besuch bei Eliane, Montag bis Freitag17.00–18.00 Uhr?»

I bi nid druscho, was los isch gsy. I ha zwar Fröid gha irgendwie, a dere luschtige Frou, wo so chly komisch het usgseh, aber i ha überhoupt nid Fröid gha a däm hässige u gemeine Tonfau, wo si u ou mys Mami hei drmit gredt. 

«Gang itz eifach. Sofort.» 

U da bisch wider ggange. Ganz langsam hesch dr schön Mantu wider aagleit, wo de übere Stuuä hesch gleit, hesch mi nomau aaglächlet, hesch di umträit u bisch zur Türe nä use. 

Genau, dä Mantu, so schwarzes Kunschtfääli und zimmli läng, dä hesch immer annegha. I male n e drzue zu dym Gsicht uf d m Biud, wo vor’mer ligt, ä Chrage u drunger es Chleid, wo füreluegt, o schwarz natürlech, mitem ne schöne Usschnitt mit Spitze.

Irgendwie het sech denn viu veränderet für mi aus chlyses Meitschi, i d m Momänt, wo du bisch ynecho. S isch, wie aus wär öppis zrüggbblibe vo dir i üsere subere u ufgruumte Wonig. 

«Nöigier.» «Zwiifu.» «Hoffnig, dass es irgendwo no angeri Läbe git, aus das, wo n i ha kennt. I had Mama afa usfraage, immer wider, ha se gnärvt drmit, bis si mi aube aagschroue het, u ds het si vorhär no nie gmacht. Aber i ha nid ufghört. U wo my Geburi isch necher cho und mys Mami mi gfragt het, was i mer wünsche, ha n i gseit, i wöug zum Grosi ga. D Mama het nüt gseit. Aber a mym Geburi, am Nami, simer zäme i Bös gstige, i d Stadt gfahre und nöime n usgstige, wo n i no nie bi gsy. 

D Mama het glütet, u du bisch cho uftue.«Eh lug o itze, tschou Irina. Hallo Eliane. Hesch es der angers überleit? Wosch mi dyni Tochter itz glych la kennelehre?», si isch im Türrahme glehnet und het sech amene Glas rotem Sirup feschtghäbt, i ha ddänkt, irgendwie redt mys Grosi immer chly komisch. So chly z langsam und zschlabberig. 

«Si het Geburtstag. Si het wöue. I lah n ech. Am Füfi chum i se cho abhole.» U du, myni Grosmueter, hesch mi ufegnoh i dys Wonigli, i mues es so säge, es isch würkli chly gsy und eim no viu chlyner vorcho, wüus so viu Züg het gha, wo dinne isch umegstande. 

Mir sy ga spaziere zäme, eifach so ohni Grund und Ziu. Das isch mer nöi gsy, mit dr Mama isch me nie eifach so ga louffe, immer nume zum nöime härecho. Aber mir hets gfaue, eifach so dür d Stadt z louffe und chly z luege. I ha drüber nacheddänkt, dass es Grosi ja d Mueter vor e Mueter isch, i ha mer ds vorhär no nie so überleit, dass auso myni Mama o ne Mama het gha oder eigentlech immer no het. Dä Gedanke het mi verwirrt und i ha ds Biud vo myre Mama i mym Chopf gha, genau so wiä si itz usgseht, eifach in chly, wie si imne Chinderzimmer hocket, und i ha müesse lache. 

«Was lachsch?», hesch du gfragt.

I has der versuecht, z erkläre, und du hesch o glachet und mir hei zäme glachet und fasch nümm chönne ufhöre. «Myni Mama», han i gseit, wo mer gd für ne churze Momänt hei chönne ufhöre lache, «di lachet söute so fescht.»

U da bisch plötzlech ärnscht worde. «Ja, so isch si scho immer chly gsy, d Eliane. Vilech het si so seriös müesse wärde, wüu ihri eigeti Mama, auso ig, nie nüt het wöue ärnscht näh.» 

I bi zwar nid ganz drus cho, was de hättsch wöue säge, aber ha nüt gseit. Du hesch afa verzeue, wi de ufem Dorf nöime bisch ufgwachse, wi der aues isch z äng worde, u de hesch gwüsst, hie chasch nid blybe u hürate u aut wärde, ir Stadt isch aues besser und freier, u dert fingsch dys Glück u aues. Und wi de bisch düre bbrännt mit d m Bueb, wo de ddänkt hesch, dä isch es. Und wi n er di het la hocke und du mit immer dickerem Buuch ir Stadt, älleini, verzwiiflet.«Man muss sich zu helfen wissen», hesch gseit. U du hesch der ä Sigerette aazündet und i bi verwirrt gsy, nume bösi Mänsche rouche Sigerette, han i bis itz immer ddänkt, aber du bisch mer emu nid bös vorcho.

Irgendwenn simer de wider bi dir deheime gsy, du hesch wider dys Glas füregnoh, rote Sirup ineggosse und häreghöcklet. I ha ghoffet, dass du mir ou Sirup aabietisch, wüus ds bi üs deheime nie git, s het z viu Zucker, aber du hesch nüt drglyche taa. Irgendwenn, wo de bisch uf z WC ggange, hani ä Schluck gnoh, eifach us Gluscht, ä zimmleche Schluck, u has beröit. Da Sirup isch irgendwie komisch gsy, ganz bitter und het bbrännt im Muu und im Haus und im Buuchunge. Es isch mer grad chly komisch worde drufabe. Wodu bisch zrüggcho vor Toilette, hesch mi gseh, wie n i dert bi ghöcklet mit em Glas ir Hang und däm ghüslete Blick. Und hesch scho wider afa lache, heschmer ds Glas us dr Hang gnoh und gseit «Meitschi, Meitschi, so früeh fasch auso scho aa drmit.» 

I dütte im Hingergrund dyni Wonig aa, di wüeschti Tapete, verfärbt vom Sigeretterouch, d Lehne vom Stuh wo de druffe sitzisch, ä Tisch näbedranne u ä Vase mit vertröchnete Rose, wo de immer mau wider vo irgend öpperem hesch brcho, aber nie würk hesch gschafft, zuene z luege. Mi düecht mängisch, du hesch sowiso zu nüt und niemerem chönne luege usser zu dir säuber. Oder nei, ehnder zum Biud vo dir säuber. Du hesch di la gah, du hesch di kabutt gmacht, aber nume innerlech,ü sserlech hett ja immer aues wunderbar usgseh.


D Nina Hurni isch in Bärn ufgwachse und schribt Gschichte, sit si sech ma bsinne. Si studiert Germanistik und Politikwüsseschafte, schaffet imene Chlytheater und macht Schrybworkshops für Jugendlechi. Süsch schwümmt si gärn ir Aare oder bacht Brot.


«Voll im Wind»

Geschichten von A wie Altersheim bis Z wie Zwetschgenschnaps

Grossvater riecht nach Schnaps und Grossmutter lacht nicht mehr. Was ist passiert? «Älterwerden ist kein Spaziergang», erzählen Betroffene – und die Jüngeren nehmen es irritiert zur Kenntnis. Ruth und Fritz haben es doch schön in der Alterswohnung, und Trudi wird im Pflegeheim rund um die Uhr verwöhnt. Was ist daran so schlimm?

Es sind dies die Übergänge und Brüche; vermehrt gilt es, Abschied zu nehmen: vom Haus, vom Partner, vom Velofahren. Das Gehen verändert sich weg von der Selbstverständlichkeit hin zur Übung und Pflicht; das Autofahren ist ohnehin ein Tabu, so will‘s die Tochter. Ist es da so abwegig, den Kopf hängen zu lassen? Sich Pillen verschreiben zu lassen oder ein Glas über den Genuss hinaus zu trinken? Ja, es ist abwegig, weil es auf Abwege führt und nicht auf einen grünen Zweig.

22 Schweizer Autorinnen und Autoren erzählen Geschichten über ältere Menschen, denen der Wind derzeit mit voller Wucht entgegenbläst. Ein Anhang mit einfachen Infos und Tipps sowie weiterführenden Adressen bietet den nötigen Windschutz.

  • «Voll im Wind – Geschichten von A wie Altersheim bis Z wie Zwetschgenschnaps», Hrsg. Blaues Kreuz Schweiz,© 2020 by Blaukreuz-Verlag Bern, ISDN 978-3-85580-549-5
  • Cover-Illustration: Tom Künzli, TOMZ Cartoon & Illustration, Bern. Lektorat: Cristina Jensen, Blaukreuz-Verlag. Satz und Gestaltung: Stephan Cuber, diaphan gestaltung, Liebefeld. Druck: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg
  • Das Projekt wird vom Nationalen Alkoholpräventionsfonds finanziell unterstützt. Für Begleitpersonen stehen unter www.blaueskreuz.info/gesundheit-im-alter weitere Fachinformationen zu den Themen des Buches bereit.

Beitrag vom 27.02.2022

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