Margrith Lin © zVg

«Behinderte Geschwister waren meist Frauensache»

Geschwister sind für ihre behinderten Brüder und Schwestern oft lebenslange Bezugspersonen. Sie übernehmen oft die notwendige Beistandschaft.

Welche positiven Eigenschaften können gesunde Geschwister entwickeln?
Sie sind es gewohnt, sich auf andere einzulassen. Für sie ist es normal, auf Schwächere Rücksicht zu nehmen. Sie sind empathisch, kontaktfähig und offen. Sie können mit unvorhersehbaren Situationen und mit Neuem umgehen und haben die Erfahrung gemacht, dass nicht alles planbar ist. Sie lernen Kompromisse eingehen, auch in Konfliktsituationen. Sie haben eine grosse Bereitschaft für ein soziales Engagement, oft ergreifen sie einen sozialen Beruf.

Und die Kehrseite?
Gesunde Kinder haben oft das Gefühl, sie würden nicht genug für ihr behindertes Geschwister tun – vor allem, wenn sie entsprechende Erwartungen ihrer Eltern spüren. Dieses Gefühl kann sie ihr Leben lang begleiten. Gerade bei Übergängen wie einem Heimwechsel, bei Krankheit und im Sterben wird es oft wieder sehr belastend. Aus der Forschung weiss man zudem, dass der blinde Fleck bei den gesunden Geschwisterkindern die eigene Belastbarkeit ist. Sie sind sich von klein auf gewohnt, viel und immer mehr auf sich zu nehmen. So merken sie oft gar nicht, was sie sich alles zumuten. Das kann sich im Erwachsenenalter fortsetzen. Gesunde Geschwister brauchen ein Umfeld, das sie unterstützt und darauf achtet, dass sie sich nicht überfordern.

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