Genial, Gewinn, Gold wert: So begeistert sind die Rückmeldungen zum Projekt «Senioren im Klassenzimmer», das Pro Senectute in verschiedenen Kantonen begleitet. Im freiburgischen Giffers zeigt sich: Das Angebot ist eine Win-win-win-Situation für Kinder, Lehrpersonen und Freiwillige.
Text: Annegret Honegger
«Jaaaaa», jubelt die dritte Klasse von Nadine Oberson. Was die Kinder so freut? Heute steht TTG auf dem Stundenplan. Und: Beni ist da! TTG ist das Fach, das früher «Werken» hiess. Und «dä Beni» ist Bernard Jenny, der jeden Donnerstag als «Senior im Klassenzimmer» beim «Textilen und Technischen Gestalten» im Einsatz steht.
Seit den Sommerferien arbeiten die Kinder an ihren selbst entworfenen Projekten mit Holz. Manche basteln ein Labyrinth, andere eine Kugelbahn, ein Tischbillard, ein Schachbrett oder einen Flipperkasten. Das bedeutet: Es wird gesägt, gehämmert, geschliffen, gemalt, geleimt, geknetet und genagelt. «Beni» ist dabei begehrt. Er zeigt geduldig, wie man Nägel einschlägt oder den Stechbeitel und das Schleifpapier benutzt. Noah hilft er beim Einspannen des Sägeblättchens, Maria beim Leimen, und mit Elliot feilt er Rillen für die Kugelbahn.
Die Schleifmaschine dröhnt, die Bandsäge kreischt, es riecht nach Holz, Klebstoff und Farbe. Die hellen Kinderstimmen klingen durcheinander. Bernard Jenny bleibt gelassen und legt Hand an, wo es nötig ist. «Seine Unterstützung ist Gold wert», sagt Lehrerin Nadine Oberson, die während des Werkunterrichts selbst alle Hände voll zu tun hat.
Die Lehrerin bleibt die Chefin
Für die Kinder sind die beiden Lektionen viel zu schnell um. «Schreibt eure Arbeiten an und versorgt sie. Wer wäscht die Pinsel? Wer wischt die Tische, wer den Boden?», organisiert Nadine Oberson. Weil alle helfen, ist bald alles wieder blitzblank und die Kinder verschwinden in die Pause. Ist auch «Beni» pausenreif? «Überhaupt nicht – aber ein Kaffee und ein Knoppers tun jetzt gut.»
Am langen Tisch im Lehrerzimmer der Primarschule Giffers-Tentlingen-St. Silvester sitzt der 67-Jährige seit drei Jahren jeden Donnerstag und geniesst es, Teil des Teams zu sein: «Dass ich die Lehrerinnen unterstützen und den Kindern mein Wissen weitergeben kann, macht mir grosse Freude.» Aber der gelernte Schlosser und frühere Wasserwart stellt auch klar: «Die Lehrerin ist die Chefin, ich bin der Assistent.»
Schulleiter Thomas Bertschy würde sich mehr «Benis» wünschen: «Natürlich ersetzen Seniorinnen und Senioren im Klassenzimmer nicht die Lehrperson – aber sie sind eine grosse Ressource und ein Gewinn für alle.» Die Begegnung der Generationen sei für Jung und Alt bereichernd. Gerade wenn die Grosseltern der Kinder weit weg wohnen, seien Beziehungen zu älteren Menschen wichtig. Auch bei Schulreisen, Ausflügen oder im Klassenlager ist Bernard Jenny meistens dabei.
Der Job braucht viel Energie
Pädagogische Kenntnisse brauchen die Freiwilligen im Klassenzimmer nicht, aber Geduld, Humor und einen guten Draht zu jungen Leuten. Auch eine robuste Gesundheit ist von Vorteil, denn die Aktivitäten mit den Kindern brauchen Energie. Das hat Bernard Jenny an einem Morgen beim «Schlöfle» auf der Eisbahn erfahren. «Ich stand nach Jahren zum ersten Mal wieder auf Schlittschuhen – und hatte am nächsten Tag furchtbar Muskelkater», erzählt er lachend.
Für ihn geht es nach der Pause in der dritten Klasse von Sandra Poffet weiter. Die Kinder basteln aus Hölzchen kleine Drachen als Fensterschmuck und sind ganz vertieft ins Messen, Schleifen, Kleben, Malen und Verzieren. Sein Drache habe eine Angel, weil Fischen neben Schwingen sein Hobby sei, erklärt Ljan. Das Fischlein an der Rute hat ihm Bernard Jenny aus Draht geformt: «Voll schön!». Mit der Zange ist der frühere Handwerker in seinem Element.
Dass sein Engagement so gut ankommt, freut Bernard Jenny. Viele Familien kennt er aus seinem Wohnquartier und erhält auch schöne Rückmeldungen von den Eltern. «Solange es die Gesundheit zulässt», will er deshalb als Freiwilliger weitermachen. Das hofft auch Lehrerin Sandra Poffet: «Dank Beni habe ich mehr Zeit für einzelne Kinder. Ein zusätzliches Paar Hände und Ohren im Schulzimmer ist einfach genial.»
© Annegret Honegger
«Senioren im Klassenzimmer» bei Pro Senectute Fribourg
Im Kanton Freiburg sind im Rahmen des generationenübergreifenden Projekts rund 80 Seniorinnen und Senioren an über 30 Schulen im Einsatz. Schülerinnen und Schüler profitieren von der Anwesenheit eines zweiten Erwachsenen, Lehrpersonen erhalten Unterstützung und die älteren Menschen können ihre Lebenserfahrung weitergeben und das Schulleben teilen. Möglich ist die regelmässige und punktuelle Mitarbeit in verschiedenen Fächern und Schulstufen im Unterricht oder bei Aktivitäten. Pro Senectute wählt die Freiwilligen aus und vermittelt den Kontakt zur Schule. Infos bei Pro Senectute Freiburg, Tel. 026 347 12 40, amélie.baechler@fr.prosenectute.ch, fr.prosenectute.ch
Angebote in Ihrer Nähe finden Sie bei Pro Senectute in Ihrer Region. Adressen via prosenectute.ch oder Infoline 058 591 15 15