Inszenierung der Szene "Der Sprung des Kanditaten" aus Meyers Novelle "Der Schuss von der Kanzel" (1878). © Andreas Etter

Das Spiel von Macht und Leidenschaft

Die Theatergruppe MASS & FIEBER verwandelt das Museum Strauhof in Zürich anlässlich des 200. Geburtstags von Conrad Ferdinand Meyer in ein «Meyerama». Und setzt das Schaffen des grossen Zürcher Dichters und Schriftstellers auf spielerische Weise ins Bild.

Spannend, opulent und leidenschaftlich: Die Novellen von Conrad Ferdinand Meyer waren zu seiner Zeit populär wie heute Netflix-Filme. Das ist zumindest die Theorie der Ausstellungsmachenden im Zürcher Museum Strauhof. Der Schriftsteller, der am 11. Oktober 1825 in Zürich zur Welt kam und sich mit historischen Novellen und Romanen einen Namen machte, bewies eine sichere Hand in der Wahl seiner Stoffe, Figuren und Settings. Mit originellen Erzählperspektiven schuf er Nähe zu Persönlichkeiten des Mittelalters, der Renaissance oder der Reformationszeit. Er machte Ständeunterschiede und Machtgefälle deutlich und entwarf Bilder, Interieurs und Architekturen, wie man sie heute in aufwendig produzierten Filmen und Serien sieht.

Im Zentrum der Ausstellung stehen C.F. Meyers bekannte Novellen. Zentrale Szenen daraus werden mit Hilfe von 47 Darstellerinnen und Darstellern als «tableaux vivants» oder Film Stills eingerichtet, als lebendige Bilder also. Der untere Stock des Museums wird zur Galerie und zeigt 11 lustvoll arrangierte Szenen in grossformatigen Fotografien.

Typisch für Meyer, der neben Gottfried Keller und Jeremias Gotthelf als dritter grosser Schweizer Dichter des 19. Jahrhunderts gilt, war die Auseinandersetzung mit entscheidenden Momenten der Geschichte, oft zugespitzt auf einen dramatischen Schlüsselmoment, in dem Charaktere ihre wahre Grösse oder Schwäche zeigen. Seine Novellen gelten als Meisterwerke der Erzählkunst: knapp, klar, ohne Ausschweifungen und mit einem Sinn für psychologische Tiefe. Seine Figuren werden oft zwischen Pflicht, Glauben, Loyalität und persönlichem Vorteil hin- und hergerissen. Meyer benutzt historische Konflikte als Bühne für zeitlose Fragen und menschliche Grenzsituationen wie Treue, Verrat, Rache oder Vergebung.

Conrad Ferdinand Meyer verspürte bereits früh den Wunsch, Dichter zu werden. Er studierte Geschichte und Rechtswissenschaften in Zürich, Lausanne, Genf und Paris. Die französische und italienische Kultur prägten ihn stark. Den ersten literarischen Erfolg feierte er jedoch erst 1872 in seinen Vierzigern mit dem Versepos «Huttens letzte Tage». 1876 veröffentlichte er den Roman «Jürg Jenatsch» und überzeugte in den Folgejahren mit «Der Schuss von der Kanzel» (1878), «Plautus im Nonnenkloster» (1881), «Gustav Adolfs Page» (1882) oder «Die Versuchung des Pescara» (1887) Kritiker wie Publikum.

Conrad Ferdinand Meyer in seinem Arbeitszimmer in Kilchberg (ZH). © Rudolf Ganz, 1895/ Zentralbibliothek Zürich
Conrad Ferdinand Meyer in seinem Arbeitszimmer in Kilchberg (ZH). © Rudolf Ganz, 1895/ Zentralbibliothek Zürich

Zeitlebens hatte Conrad Ferdinand Meyer mit psychischen Problemen und depressiven Episoden zu kämpfen. Seine Krisen führten mehrfach zu Klinikaufenthalten. Viele seiner Werke spiegeln denn auch Meyers eigene innere Konflikte und die Suche nach Klarheit, Ordnung und moralischer Festigkeit. Seine letzte Novelle, «Angela Borgia» (1891), konnte er knapp vollenden. Kurz darauf holten ihn Depression und Krankheit ein. Er starb 1898 in seinem Haus in Kilchberg ZH, wo sich auch sein Grab befindet.

«MEYERAMA – Das Spiel von Macht und Leidenschaft»: Ausstellung zum 200. Geburtstag von Conrad Ferdinand Meyer vom 3. Oktober 2025 bis 11. Januar 2026 im Museum Strauhof Zürich.

Veranstaltungen

Vernissage am 2. Oktober 2025
um 18:30 in der Augustinerkirche – mit C.F.Meyer-Kurzlesung.
Freier Eintritt, keine Anmeldung.

Öffentliche Führungen: ca. 50 Minuten, beschränkte Teilnehmer:innenzahl. Anmeldung: Mail vermittlung@strauhof.ch, CHF 6 plus gültiger Eintritt.
5. Oktober 2025 | 14 Uhr
23. Oktober 2025 | 18 Uhr
24. Oktober 2025 | 17 Uhr
26. Oktober 2025 | 14 Uhr
5. November 2025 | 12:15 Uhr
16. November 2025 | 14 Uhr
26. November 2025 | 12:15 Uhr
10. Dezember 2025 | 12:15 Uhr
14. Dezember 2025 | 14 Uhr
7. Januar 2026 | 12:15 Uhr

Jubiläumsveranstaltung «200 Jahre C.F. Meyer»
am 11. Oktober 2025 ab 15 Uhr

«Wer gestossen wird, springt schlecht»
am 5. Oktober 2025 um 15 Uhr
Lesung aus Meyers Novellen im Rahmen von «Zürich liest». Anmeldung: Mail vermittlung@strauhof.ch, Eintritt + CHF 6

«Sie konnten sich nicht von dem Bilde trennen»
am 30. Oktober 2025 um 19 Uhr
Das Literaturinstitut Biel zu Besuch: Zu den grossformatigen Fotografien der Ausstellung entstehen neue Texte. Studierende präsentieren ihre Szenen im Strauhof. Anmeldung unter vermittlung@strauhof.ch, Eintritt + CHF 6

«Ich bin schon gesund, liebe Mama.» Briefe aus der Krise
am 17. November 2025 um 19 Uhr
Lesung aus der Korrespondenz des 27-jährigen C.F. Meyers nach seiner Einweisung in die Nervenklinik Préfagier. Mit Doris Schefer und Alex Seibt im Sogar Theater

«C.F. Meyer, mein Karl May»
am 27. November 2025 um 18 Uhr
Der Autor Reto Hänny spricht über seine langjährige Faszination für die filmischen Bildwelten des Romans «Jürg Jenatsch». Anmeldung unter Mail vermittlung@strauhof.ch, Eintritt + CHF 6

Lesezirkel «Gustav Adolfs Page»
am 4. Dezember 2025 um 19.30 Uhr
Anlässlich des 200. Geburtstags des Schriftstellers Conrad Ferdinand Meyer findet im Strauhof ein Lesezirkel zu dessen Novelle «Gustav Adolfs Page» (1882) statt. Alle, die den Text gelesen haben, sind zur Diskussion eingeladen. Anmeldung unter Mail vermittlung@strauhof.ch, Eintritt frei.

Alle Veranstaltungen zur Ausstellungen

Beitrag vom 28.09.2025

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