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Weidezäune – Tödliche Fallen für Wildtiere  

Weidezäune sollen in erster Linie Tiere auf der Weide halten, gleichzeitig aber auch Wildtiere, Hunde und uns Menschen von ihnen fernhalten. «Verwilderte» Stacheldrähte, die achtlos weggeworfen oder liegen gelassen wurden, und andere nicht korrekt befestigte Zäune und Netze stellen aber eine grosse Gefahr dar – allem voran für Wildtiere.

Hinsichtlich des Gefahrenpotenzials von Stacheldrähten, Zäunen und Netzen ausschlaggebend ist nicht nur die Art der Umzäunung, sondern insbesondere auch deren Wartung und regelmässige Kontrolle.

Fallbeispiel

Ein Landwirt aus dem Kanton Thurgau wurde wegen Tierquälerei verurteilt, nachdem im November 2024 eine Rehgeiss in einem von ihm aufgestellten Weidenetz verendet war. Der Mann hatte das Netz an einem Waldrand im Zürcher Weinland errichtet, um seine Schafe am Folgetag dort grasen zu lassen. Da sich die Tiere aber noch auf einer anderen Weide befanden, liess er das Netz über Nacht ohne Strom und ohne Sichtbarmachung – etwa mit Flatterbändern – stehen. Beides stellt einen Verstoss gegen kantonale Vorschriften dar. In der Nacht verfing sich ein Reh im Netz. Es starb qualvoll, vermutlich durch Erschöpfung, Strangulation oder Ersticken. 

Laut dem Merkblatt des Kantons Zürich müssen Weidenetze unter Strom stehen, gut sichtbar sein und dürfen frühestens zwei Tage vor der Beweidung aufgestellt werden. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland erliess eine bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen à CHF 120.– (insgesamt CHF 3600.–). Zusätzlich muss der Landwirt eine Busse von CHF 600.– sowie Verfahrenskosten im Umfang von CHF 1000.– bezahlen.

So verhält man sich richtig 

Die in der Schafhaltung häufig verwendeten besonders reissfesten «FlexiNet»-Weidezäune mit eingearbeitetem Chromnickel-Draht zwecks ausreichender Stromversorgung bedeuten eine grosse Gefahr sowohl für die innerhalb der Weide gehaltenen Nutztiere, aber auch für Wildtiere. Die Zäune vermögen die Tiere zwar vor Eindringlingen und folgenschweren Ausbrüchen zu schützen. Verfängt sich ein Tier jedoch in einem zu losen gespannten Zaun, sind Schmerzen, Leiden und Panik und in manchen Fällen erhebliche Verletzungen die unvermeidbare Folge.

Insbesondere unerfahrene Jungtiere geraten immer wieder in stromführende Zaunnetze und verharren unter Umständen während Stunden in ihrer misslichen Lage, bis sie vom Tierhalter oder von Passanten entdeckt werden. Nicht alle Tiere überleben diese Prozedur. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV, www.blv.admin.ch) empfiehlt in seinem Merkblatt zum richtigen Umgang mit Weidezäunen unter anderem, diese erst kurz vor dem Einsatz und gut gespannt aufzustellen, täglich zu kontrollieren, wöchentlich freizumähen und nach dem Abzug der Nutztiere unverzüglich zu entfernen.

Rechtliche Einordnung 

Die Tierschutzverordnung schreibt vor, dass Unterkünfte und Gehege so gebaut und eingerichtet sein müssen, dass die Verletzungsgefahr für die Tiere gering ist, ihre Gesundheit nicht beeinträchtigt wird, sie sich darin arttypisch verhalten und sie nicht entweichen können.

Die mangelhafte Kontrolle und Wartung der Umzäunung ist aufgrund der Garantenstellung der Tierhaltenden strafbar. Dies gilt bereits, wenn für die Nutztiere oder für Wildtiere aufgrund der besonderen Umstände eine konkrete Gefahr geschaffen wird, dass sie sich im Zaun verheddern. Als entsprechende konkrete Gefahr sind etwa schlecht befestigte Zäune zu sehen. Zäune, die nicht mehr benötigt werden und verlassen herumliegen, stellen ebenfalls eine konkrete Gefahr für Wildtiere dar. Aber auch Zaunsysteme, die in bekannten Wildtierkorridoren errichtet werden, können zu strafrechtlicher Verantwortung führen, wenn keine adäquaten Massnahmen zum Schutz von Wildtieren erfolgen. 

Nimmt der Tierhalter die Verursachung von Belastungen bei Wildtieren durch sein unachtsames Verhalten billigend in Kauf, macht er sich unter Umständen einer versuchten eventualvorsätzlichen Tierquälerei schuldig. Verfangen sich tatsächlich Tiere im Zaun, ist aufgrund des mutmasslich erheblichen Leidens, der Schmerzen und der Angst sowie allfälliger Schäden von einer Misshandlung auszugehen. Verstirbt das betroffene Tier aufgrund der erlittenen Belastungen, ist der Tatbestand der qualvollen Tötung erfüllt.  

Stiftung für das Tier im Recht (TIR) – Rat von den Experten:

Haben Sie Fragen rund um das Tier im Recht? Kontaktieren Sie uns unter info@tierimrecht.org oder unter der Telefonnummer 043 443 06 43. Weitere Informationen finden Sie unter www.tierimrecht.org.

Beitrag vom 25.09.2025
Christine Künzli

MLaw, stv. Geschäftsleiterin und Rechtsanwältin Stiftung für das Tier im Recht (TIR)

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