In unserer Rubrik «Bettgeschichten» beantwortet die Sexualmedizinerin Eliane Sarasin Ihre Fragen zu Liebe, Partnerschaft und Sexualität — ohne Tabus und falsche Scham.
«Mein Mann hatte vor drei Monaten einen Herzinfarkt. Bis dahin schliefen wir mehr oder weniger regelmässig miteinander, doch nun mache ich mir Sorgen, Sex könnte sein krankes Herz überfordern. Müssen wir uns von diesem Thema verabschieden?» Monika, 65
Text: Eliane Sarasin
Es ist schön, dass Sie sich so fürsorglich zeigen. Doch wissen Sie auch, wie es Ihrem Mann damit geht? Haben Sie ihm von Ihrer Unsicherheit erzählt? Hat er dieselben Ängste wie Sie? Oder haben Sie noch gar nicht mit ihm darüber gesprochen? Über Sex zu reden, ist viel schwieriger, als Sex zu haben. Deshalb weichen viele dem Thema aus und hoffen, dass sich alles irgendwie von selbst fügt. Auch Ihnen ist es vielleicht peinlich, Ihre Ängste anzusprechen, oder Sie fürchten, Ihren Partner damit zusätzlich zu belasten. Tatsache ist: Mit ehrlicher und offener Kommunikation können Sie nur gewinnen.
Fragen Sie sich erst einmal, was Ihnen genau fehlt. Ist es die körperliche oder emotionale Nähe? Fehlt Ihnen Ihr Orgasmus? Die Entspannung danach? Oder geht es nicht so sehr um sexuelle Handlungen im engeren Sinn, sondern Sie vermissen eher das Kuscheln, Zärtlichkeit, sanfte Berührungen? Sprechen Sie mit Ihrem Partner darüber. Diese Themen sind ein guter Einstieg.
Auch Medikamente können ein Grund sein
Gut möglich, dass seine Antworten überraschend für Sie ausfallen. Vielleicht stellt sich heraus, dass Sex für ihn im Moment noch gar kein Thema ist, weil er zu sehr mit seiner Rehabilitation beschäftigt ist. Vielleicht macht er sich auch Sorgen um seine Performance, denn die meisten Herzinfarkt-Patienten bekommen Blutdrucksenker verschrieben. Eine Nebenwirkung dieser Medikamente können Erektionsprobleme sein. Vielleicht meidet er sexuelle Begegnungen also gar nicht, weil er Angst vor einem erneuten Infarkt hat, sondern weil er Ihnen dann eingestehen müsste, dass seine Erektion nicht mehr so funktioniert wie früher. Das ist bei Männern oft schambehaftet.
Prinzipiell ist Geschlechtsverkehr nicht viel anstrengender als Treppensteigen. Dass man dabei stirbt, kommt extrem selten vor. Was man nach einem Herzinfarkt darf oder nicht darf, ist im Einzelfall sehr verschieden. Darum sollten Sie auch mit dem Behandlungsteam Ihres Mannes sprechen. Schade, dass Ärztinnen und Ärzte das Thema Sexualität so selten von sich aus anschneiden!
Gerade die jüngeren genieren sich oft, mit Menschen, die ihre Eltern oder Grosseltern sein könnten, darüber zu reden. Nicht selten fehlt es ihnen auch an Wissen. Dabei ist es wichtig, dass Kardiologen die Patienten auf ihre Sexualität ansprechen. Bei älteren Männern können Potenzprobleme nämlich das erste Anzeichen einer Herzerkrankung sein.
Morgens hat das Testosteron ein Hoch
Manche Mediziner betrachten Sex als eine Art Luxus, den sich nur gesunde Menschen leisten können und wollen. Ich selbst sehe das ganz anders. Natürlich verändert ein so einschneidendes Ereignis wie ein Herzinfarkt auch die Sexualität. Dass sie anders wird, heisst aber nicht, dass sie schlechter sein muss. Das Behandlungsteam Ihres Mannes kann Ihnen sagen, ob Sex für ihn gefährlich sein könnte oder ob er Viagra oder ein anderes potenzförderndes Medikament einnehmen darf.
Morgens ist der Testosteron-Spiegel am höchsten. Falls Ihr Mann noch spontane Morgen-Erektionen hat, könnten Sie den Sex einfach in die Morgenstunden verlegen. Vielleicht kommen Sie aber auch zum Schluss, dass eine Erektion für ein erfülltes Liebesleben nicht mehr so wichtig ist. Vielleicht gibt es Dinge, die Sie neu in Ihr Repertoire aufnehmen möchten. Oder Sie beschliessen, dass Sie ab sofort nur noch kuscheln wollen. Finden Sie miteinander heraus, was in dieser neuen Situation zu Ihnen passt, was Sie neu ausprobieren könnten und was Sie über Bord werfen möchten.
Eine Gratis-Broschüre zum Thema «Sexualität bei Herzkrankheit» finden Sie hier.
Haben Sie eine Frage zu Liebe, Partnerschaft und Sexualität? Schreiben Sie an Redaktion Zeitlupe, Bettgeschichten, Aurorastrasse 27, 5000 Aarau, E-Mail: claudia.senn@zeitlupe.ch. Ihre Fragen werden anonym publiziert. Nicht veröffentlichte Fragen können leider nicht beantwortet werden.
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