
Leben in Dur und Moll
Die französische Tragikomödie «En fanfare» vereint zwei Brüder, die nichts voneinander wussten. Ihre gemeinsame Sprache: die Musik.
Text: Fabian Rottmeier
Worüber spricht man mit einem Fremden, den man darum bittet, sein Knochenmark zu spenden? Der international erfolgreiche Dirigent Thibault kann sich für einmal nicht an einem Notenblatt orientieren. Der 37-Jährige hat vor kurzem drei Dinge erfahren, die sein Leben verändern: Er hat Leukämie, ist als Kind adoptiert worden und hat einen leiblichen Bruder, der in Nordfrankreich lebt, in Walincourt-Selvigny. Er heisst Jimmy und ist Thibaults grösste Hoffnung im Kampf gegen den Blutkrebs. Jimmy willigt für die Operation ein.
Thibault und Jimmy leben in zwei völlig unterschiedlichen Welten. Hier der Dirigent aus Paris, der die meiste Zeit in den USA lebt, und da Jimmy, der als Koch in einer Schulkantine arbeitet und elf Euro pro Stunde verdient. Der eine lebte – bis zur Krebsdiagnose – in Dur, der andere in Moll. Doch sie haben etwas gemeinsam: ihre Passion für die Musik.
Jimmy spielt Posaune in der örtlichen Blaskapelle, die aus Menschen aus der Arbeiterklasse besteht. Nicht nur die grösste Fabrik ihrer Stadt, sondern auch die 142 Jahre alte Blasmusik der Minenarbeiter steht vor dem Aus. Thibault staunt über den guten Musikgeschmack seines «neuen» Bruders. Ja sogar den Akkord des Taxis, das hupt, als es Thibault abholen will, kann Jimmy ohne Zögern nennen: Gis-Moll.

Und so entspinnt sich in «En fanfare» eine Geschichte über eine neue brüderliche Freundschaft, über die verbindende Kraft der Musik, aber auch über die Kindheit als Wegweiser für die späteren beruflichen Perspektiven. Und in beiden Brüdern reift die Erkenntnis, dass es nie zu spät dafür ist, über den eigenen Schatten zu springen. Mit etwas Überzeugungshilfe beginnt so auch Jimmy, seine Blaskapelle als Dirigent zu leiten.
Die französische Tragikomödie «En fanfare» bietet solide Unterhaltung, will einem aber am Ende doch nicht so recht ans Herz gehen. Vielleicht liegt es daran, dass der Film wirkt, als habe man aus mehreren bisher erfolgreichen französischen Kassenschlagern jeweils das Erfolgsrezept zu kopieren versucht. Und sich dabei vielleicht in den überambitionierten Plänen etwas verloren. Das Resultat ist ganz nett anzuschauen, aber die Figuren bleiben dennoch etwas blass. Gründe, dass dies auch anders hätte sein können, gäbe der Stoff der Geschichte durchaus her. Regisseur und Co-Drehbuchautor Emmanuel Courcol sagt über eine seine Absichten: «Es geht darum, Menschen zu sehen, die trotz der Grausamkeit des Lebens grosszügig sind. Menschen, die versuchen, sich mit grossen Koffern einen Platz zu schaffen.»
«En fanfare», von Emmanuel Courcol («Un Triomphe»), 104 Minuten, ab 26. Dezember im Kino. Alle Spielorte und Spielzeiten finden Sie hier.