Matthew Wong, The Realm of Appearances, 2018. Privatsammlung © 2024, ProLitteris, Zurich

Mit viel Kunstgenuss in den Herbst hinein

Ein Abstecher in die Schweizer Museen lohnt sich immer wieder – auch jetzt: Denn aktuell stehen Meisterwerke grosser Künstler wie Henri Matisse und Vincent Van Gogh im Mittelpunkt neuer Ausstellungen. Eine Entdeckung wert sind auch eher unbekannte Namen.

Text: Marco Hirt

Schon lange nicht mehr im Museum gewesen? Das breite Angebot diesen Herbst und Winter könnte da Abhilfe schaffen. Die Vielfalt lässt auch die Herzen regelmässiger Kunstgeniessender höherschlagen. Speziell die aussergewöhnliche Henri-Matisse-Retrospektive dürfte ein grosses Publikum anlocken. Doch es gibt noch weitere Ausstellungen, die einen anregenden Besuch versprechen.

Henri Matisse: Eintauchen in sein bedeutendes Schaffen

Henri Matisse, Figure décorative sur fond ornemental (Dekorative Figur vor ornamentalem Grund), 1925/26

Henri Matisse, Dekorative Figur vor ornamentalem Grund, 1925/26. Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris, Ankauf durch den Staat, 1938. © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich. Foto: © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Philippe Migeat

Es ist die erste Retrospektive in der Schweiz und im deutschsprachigen Raum seit fast 20 Jahren: Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel widmet sich Henri Matisse (1869 – 1954), der zu den bedeutendsten Künstlern der Moderne gehört. In der Befreiung der Farbe vom Motiv und in der Vereinfachung der Formen hat der Franzose die Malerei auf eine neue Grundlage gestellt und dabei eine bis dahin unbekannte Leichtigkeit in die Kunst gebracht.

Anhand von 70 Hauptwerken aus europäischen und amerikanischen Museen sowie Privatsammlungen richtet die Ausstellung den Blick auf die Entwicklung und Vielfalt seines Wirkens. Ausgangspunkt ist dabei Charles Baudelaires Gedicht «Einladung zur Reise» – eine Reise durch Matisses rund 60-jährige Schaffenszeit, das seinerseits von zahlreichen Auslandsaufenthalten geprägt war, u.a. Italien, Russland, Marokko und Tahiti. Abgerundet wird die Retrospektive in einem Multimedia-Raum durch historische Fotografien sowie Einblicke in Henri Matisses Ateliers und den Entstehungsprozess seiner Werke. «Die Hauptmotivation seiner Reisen war die Suche nach dem Licht», sagt Raphaël Bouvier, Kurator der Fondation Beyeler. «Was auch immer die Suche nach neuen Farben, nach einer neuen Intensität der Farbe bedeutete.» Von Anfang bis Schluss habe er immer wieder neue Ideen in die Kunst eingebracht. «Und eben auch in den letzten Werken, seinen berühmten Scherenschnitten, die für viele heute vielleicht die ikonischsten Werke von Matisse sind, hat er sich als Künstler nochmals neu erfunden.»

  • «Matisse – Einladung zur Reise», bis 26. Januar 2025, Fondation Beyeler in Riehen, fondationbeyeler.ch

Vincent Van Gogh: Im Dialog mit einem Seelenverwandten

Ein eher unbekannter Maler – und einer, den man nicht vorzustellen braucht: Zum künstlerischen Aufeinandertreffen von Matthew Wong (1984 – 2019) und Vincent Van Gogh (1853 – 1890) lädt das Kunsthaus Zürich mit «Letzte Zuflucht Malerei» ein. Im Mittelpunkt stehen 40 imaginäre Landschaften und Interieurs des chinesisch-kanadischen Malers, welche durch rund 20 ausgewählte Werke des niederländischen Meisters ergänzt werden.


Links: Matthew Wong, Starry Night, 2019. Matthew Wong Foundation © 2024, ProLitteris, Zurich
Rechts: Vincent van Gogh, La Maison du Père Pilon, 1890. Privatbesitz


Wong kam erst mit 27 als Autodidakt zur Kunst, schuf bis zu seinem Tod acht Jahre später ein beeindruckendes Oeuvre – dynamisch und farbintensiv. Wobei Van Gogh als Vorbild unübersehbar präsent ist und von Wong auch nicht verheimlicht wird. In Gedichten und in Bildzitaten hat er sich auf dessen Motive und manche seiner stilistischen Eigenarten bezogen. Und natürlich weisen ihre Biografien auffällige Parallelen auf. Beide hatten mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und schieden in jungen Jahren aus dem Leben: Wong, der an Depressionen, Tourette-Syndrom und Autismus litt, mit 35 – Van Gogh, den psychotische Anfälle und Halluzinationen quälten, mit 37. «Ich sehe mich selbst in ihm. Die Unmöglichkeit, in diese Welt zu gehören», erklärte Matthew Wong einmal seine Nähe zu Van Gogh.


  • «Matthew Wong – Vincent Van Gogh: Letzte Zuflucht Malerei», bis 26. Januar 2025, Kunsthaus Zürich, kunsthaus.ch

Auch hier lohnt sich mehr als nur ein Augenschein

«Brasil! Brasil! Aufbruch in die Moderne»

Wie brasilianische Künstlerinnen und Künstler ihre eigene moderne Bildsprache entwickelten: Das zeigen die 130 Werke, die teils noch nie ausserhalb ihrer Heimat zu sehen waren, in dieser Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Londoner Royal Academy of Arts. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts suchten Kunstschaffende in Brasilien nach einem eigenen modernen künstlerischen Ausdruck. Die europäische Avantgarde, darunter Paul Klee, war vor allem in den ersten Jahrzehnten eine ebenso wichtige Referenz wie die eigenen indigenen und die afro-brasilianischen Kulturen.

  • Bis 5. Januar 2025, Zentrum Paul Klee Bern, zpk.org

«Paula Rego: Machtspiele»

In Portugal und in Grossbritannien ist sie längst ein Star: Eine erste Ausstellung hierzulande bringt Paula Rego (1935 – 2022) nun auch uns näher. Einblick ins Schaffen der figurativen Künstlerin geben Schlüsselwerke aus über einem halben Jahrhundert, die tief in menschliche Beziehungen, aber auch Machtdynamiken eintauchen. Rego wurde in Lissabon geboren, verliess aufgrund der Militärdiktatur das Land Richtung London, wo sie studierte und sich dann auch niederliess.


«Die Sammlung. Von Hodler bis Picasso, von Oppenheim bis Anatsui»

Wiedersehen mit einer Auswahl ihrer bedeutenden Sammlung: Rund 80 hochkarätige Werke vom späten 19. bis zum 21. Jahrhundert holt das Kunstmuseum Bern für die aktuelle Sammlungspräsentation ins Rampenlicht. Mit Pablo Picasso, Paul Cézanne, Claude Monet und Vincent Van Gogh sind die grossen Namen der internationalen Kunstgeschichte vertreten, aber auch Schweizer wie Félix Vallotton und Giovanni Giacometti haben mit ihren Landschaftsbildern ihren Auftritt.


«Marina Abramovic – Retrospektive»

Die Pionierin der Performance-Kunst in der ersten grossen Retrospektive in der Schweiz: Im Kunsthaus Zürich werden Werke aus allen Schaffensphasen gezeigt, ikonische Performances reinszeniert sowie eine neue interaktive Arbeit präsentiert, die speziell für Zürich konzipiert wurde und das Publikum miteinbezieht. Abramovic ist bekannt für ihre «Long-durational Performances», in denen sie körperliche und geistige Grenzen erforscht und dazu einlädt, Achtsamkeit und Selbstwahrnehmung neu zu erfahren.

Beitrag vom 07.10.2024

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