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Heliane Canepa: «Gewinnen macht Spass!»

Ob in der Wirtschaft oder im Fussball: ­Heliane Canepa (76) will gewinnen. Die international erfolgreiche Unternehmerin und Mitbesitzerin des FC Zürich zieht gerne die Fäden. Ihr grösster Antrieb: Freude. Und 600 Juniorinnen und Junioren.

Interview: Fabian Rottmeier, Fotos: Christian Senti

Zur Person: Heliane Canepa

  • Am 25. Februar 1948 (drei Monate zu früh!)­ ­geboren, wächst Heliane Mayer mit drei Schwestern und einem Bruder in Götzis im Vorarlberg auf, nur ­wenige Kilometer vom St. Galler Rheintal entfernt.

  • Studiert in Dornbirn, London, Paris und New Jersey (Princeton).

  • Führt die Firma Schneider aus Bülach ZH ab Anfang der 80er-Jahre in rund 20 Jahren zum weltweit erfolg­reichen Kardiologie-Unternehmen und wird 2001 CEO des Zahnimplantate-Herstellers Nobel Biocare.

  • Sitzt als Mehrheits­aktionärin im Verwaltungsrat und in der Geschäfts­leitung des FC Zürich – zusammen mit Ehemann und FCZ-Präsident Cillo Canepa.

Ihr Jubeltänzchen auf der Tribüne ist neben den roten Haaren zu Ihrem Markenzeichen geworden. Wie würden Sie Ihre Freude beschreiben, wenn der FC Zürich ein Tor erzielt?
Es ist eine Mischung aus Erleichterung und Stolz. Ein Tor bringt uns dem Ziel näher. Im Winter juble ich ausgelassener, um mir die Kälte aus dem Körper zu schütteln. Im Stadion Letzigrund herrscht bekanntlich Durchzug. Freude bereiten mir auch die lachenden Gesichter und die Daumen nach oben, die ich rundum sehe. Ein Tor verbindet – eine Niederlage ebenso. Dann finden wir uns in unseren leeren Blicken wieder.

Aus Ihren bisherigen Interviews wird deutlich: Freude ist Ihr Antrieb.
Absolut. Ich bin überzeugt, dass sie mich länger am Leben hält. Nicht umsonst gefällt mir Cyndi Laupers «Girls Just Wanna Have Fun». Auch Bücher haben mich darin bestärkt, dass ich a) ein Leben geschenkt erhalten habe und selbst verantwortlich bin, etwas daraus zu machen. Und b), dass ich Spass haben soll an dem, was ich tue. Es hilft, wenn man das Produkt liebt, für das man arbeitet.

Haben Sie als erfolgreiche Chefin, CEO und Unternehmerin bewusst versucht, dieses positive Gefühl zu übertragen?
Ja, als Chefin muss ich die Leute mitziehen. Das gelingt mit Visionen und Freude. Meine Mitarbeitenden sollen spüren, wie gerne ich arbeite. Und ich muss ein Vorbild sein. Um 10 Uhr mit dem Tennisschläger im Büro aufzukreuzen, wäre falsch. Meine Devise: «Die Nummer 2 ist keine Option.» So hievten wir Nobel Biocare vom weltweit drittgrössten Hersteller für Zahnimplantate auf Nummer 1. Das ging nur gemeinsam. Wer seine Mitarbeitenden vernachlässigt, ist ein Idiot. Und: Gewinnen macht Spass!


Heliane Canepa gönnt sich am Zürcher ­Schanzengraben mit ihren Schweizer Schäferhunden Chilla (links) und Nykï eine Pause. (© Christian Senti)

Auch jungen Menschen raten Sie, sich darauf zu konzentrieren, was ihnen Spass mache. Doch was, wenn sie davon nicht leben können, etwa als Musiker oder Fussballerin?
Das ist ein falsches Denken. Was braucht man schon zum Leben? Nicht viel. Mein Mann und ich lebten bescheiden, als wir ein Paar wurden. Er studierte, ich arbeitete, Ende Monat blieb nichts übrig. Waren wir des­wegen traurig? Nein. Viele machen sich zu viele Sorgen. Man soll immer ­seinem Traum folgen. Wir sind nun mal endlich. Beim Aufwachen denke ich: «Wir leben noch, hurra!»

Gingen Sie immer so positiv durchs Leben?
Ich wurde wohl so geboren. Ich bin wortwörtlich ein Sonntagskind und war schon von klein auf beliebt, weil ich gerne gelacht habe und weniger scheu als meine drei Schwestern war. Was dazu führte, dass meine deutschen Grosseltern bloss mich hüten wollten. Tragisch, aber wahr.

Woher kommt Ihre Wertschätzung fürs Leben?
Da muss ich etwas ausholen. In meiner Kindheit im österreichischen Götzis gab es noch kaum Strassenverkehrsregeln, wodurch einige aus meiner Schulklasse von Autos überfahren wurden. Beerdigungen waren Teil meiner Kindheit. Jedes Mal dachte ich: «Die haben ja noch gar nicht gelebt!» Ich schwor mir: «Ich gebe Obacht, denn ich will lange ­leben.» Stellen Sie sich vor, was die Verunfallten alles verpasst haben! ­Allein die digitalen Entwicklungen der letzten Jahre!

Die Teilhabe am Wandel nährt Ihren Wunsch auf ein langes Leben?
Ja, es sind Glücksgefühle, wenn ich wie kürzlich zum ersten Mal mit Twint bezahle – in der Kantine des FCZ-Trainingsgeländes neuerdings das einzige Zahlungsmittel. Irre, was nun alles möglich ist. Ich brauche heute weder Bargeld noch eine Telefonkabine. Diese Erleichterungen freuen mich und verstärken ­meinen Wunsch, 100 Jahre alt zu werden. Ich mache alle medizinischen Vorsorgeuntersuchungen, die es gibt! An gewissen Krebsarten sollte man heute eigentlich nicht mehr sterben. Und seit einer Fussverletzung überschätze ich mich nicht mehr. Ich bin kein junges Reh mehr, auch wenn ich mich oft so fühle.

« Ich bin wortwörtlich ein Sonntagskind.»

© Christian Senti

Ihr Interesse fürs Neue passt auch zu Ihrer Lust, Dinge weiterzuentwickeln. Beim FCZ betonen Sie immer wieder, wie wichtig dies ist.
Bewegung hält uns am Leben. Auch ein Fussballclub muss sich laufend erneuern. Es ist wichtig, nie genügsam zu werden oder stehen zu bleiben, erst recht nicht, wenn alle behaupten, wir würden uns in eine falsche Richtung bewegen. Das ist mir wurst. Beweisen wir das Gegenteil!

Macht Einfluss glücklich?
Schon als zweitältestes von fünf Kindern überliess mir mein Vater zu Hause die Verantwortung – und die Hausschlüssel –, wenn meine Eltern ausgingen. Das hat mir Spass gemacht und mir sein Lob eingebracht. Später lernte ich: Die Leute lassen sich gerne führen. Sie folgen dir, solange du anständig bist und klare Ansagen machst. Das liegt mir.

Ich habe das Gefühl, dass Ihnen Geld nicht viel bedeutet.
Nein, denn ich war genauso glücklich, als ich noch kein Geld hatte. An die Zeit der ersten gemeinsamen Wohnung denke ich gerne zurück. Natürlich kann man mit Geld viel Gutes tun oder sich Dinge kaufen. Eine Yacht wollte ich trotzdem nie. Man sollte nie etwas des Geldes wegen tun. Eine gute Arbeit fordert und ermöglicht Dinge, die man sich nie zugetraut hätte. Man kann alles lernen.

Ist Ihr langjähriges Engagement für den FC Zürich deshalb so reizvoll, weil es vieles vereint, worüber wir gesprochen haben: Spass, Ehrgeiz, Einfluss?
Zu hundert Prozent. Hinzu kommt, dass ich dies alles mit meinem Mann teilen kann. Wir sind seit 51 Jahren verheiratet, lebten durch unsere beruflichen Karrieren jedoch 30 Jahre so gut wie getrennt voneinander. Der FCZ ist unser gemeinsames Projekt. Zu Beginn hatte ich grossen Respekt davor, ob das gut kommt. Es ging aber viel besser als gedacht. Nun dauert unser Engagement schon 18 Jahre. Wir haben ein Vereinsmuseum und einen Fanshop aufgebaut und die Frauenfussballabteilung professionalisiert.


Mein Eindruck ist, dass Ihre Arbeit beim FCZ oft missverstanden wird. Anstatt Ihr soziales Engagement, Ihre ehrenamtliche Tätigkeit für den Erhalt eines Kulturguts anzuerkennen, spricht man abwertend darüber, wie viel Geld Sie dafür ausgeben. Stört Sie das nicht?
Da spielt mir das Alter in die Hände. Ich sehe das alles gelassen. Es ist mir egal, was gewisse Medien über uns schreiben.

Sie und Ihr Mann setzen sich schon seit Beginn mit Herz für die Juniorenförderung ein. Weshalb?
Weil wir so unseren eigenen Beitrag leisten können. Und im Gegensatz zu einer Spende genau wissen, wo das Geld hinfliesst. Zudem ist es eine wunderbare Erfahrung, talentierte Spieler wie etwa Ricardo Rodriguez auf ihrem Weg vom Junior zum Nationalspieler zu begleiten. Auch wenn mein Herz jedes Mal blutet, wenn sie uns verlassen und ins Ausland wechseln. Am Ende aber bin ich stolz und weiss: Meine Arbeit ist sinnvoll. Auch deshalb ist uns das 2022 eröffnete Trainingszentrum Heerenschürli so wichtig.

… wo der FCZ 600 Juniorinnen und Junioren ausbildet.
Ist das nicht schön? Das kostet natürlich viel Geld, aber Fussballteams sind eine wertvolle Jugendintegration. Im Idealfall würden die Einnahmen des Profiteams diese Förderung querfinanzieren, aber das klappt nicht immer. Der Profibetrieb andererseits bietet uns spannende Einblicke in Gebiete wie Ernährung, Psychologie, Sportwissenschaft … Seit Kurzem haben wir ein eigenes Sprungkraftmessgerät. Kostenpunkt 20000 Franken. Das leisten wir uns. Zehn Jahre lang haben wir für die Bewilligung und den Bau unseres Campus gekämpft. Wenn ich dort vorbeischaue, sage ich zu Cillo: «Schau, jetzt kann man uns nicht mehr wegpusten. Wir haben einen Campus.» Nun kämpfen wir weiter – für Zürichs neues Fussballstadion.

«Mein Credo: Solange du lebst, ist alles okay.»

Was haben Sie als CEO über ­Menschen gelernt?
Dass man nie nur gute Mitarbeitende hat. Das ist unmöglich. Ich traf auf gute, auf weniger gute und auf schlechte Menschen. Der Schlüssel liegt darin, sich nicht von den schlechten beeinflussen zu lassen. Ich habe gelernt, mit Enttäuschungen umzugehen – und einen Plan B zu haben. CEO zu sein, empfand ich immer als befriedigend – obwohl es auch schwierige Zeiten gab.

Wie treffen Sie heute schwierige ­Entscheidungen?
Mit Erfahrung und Gelassenheit – in der Regel weiss ich, was zu tun ist. Zum «Hypern» bringen sie mich nicht mehr. Mein Credo: Solange du lebst, ist alles okay. Das sage ich im Übrigen auch Spielerinnen und Spielern, die sich das Kreuzband gerissen haben und lange ausfallen. Man darf sich nicht vom Negativen runterziehen lassen.

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Halbe Sachen? Niemals!

Erstes Date im … Stadion

1972 lernt Heliane Mayer in einem Kurs der Textilbranche einen vorwitzigen 19-Jährigen kennen: Cillo Canepa. Und weil in Rüti ZH sonst nichts los ist, besucht sie bald dessen Fussballspiel. Kurz darauf findet das erste Date statt – zu einem Heimspiel des FC Zürich. Ein Jahr später heiraten die beiden.

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Die Reifeprüfung

1999 wird die Schneider GmbH, für die Heliane Canepa als CEO amtet, für drei Milliarden Franken an die US-Konkurrenz verkauft. Der Standort Bülach wird geschlossen – 540 Mitarbeitende drohen arbeitslos zu werden. Canepa verspricht in der Sendung «Rundschau», dass sie so lange bleibe, bis alle eine neue Stelle hätten. Sie hält Wort. Ein Jahr später wird sie zum zweiten Mal nach 1995 zur Schweizer Unternehmerin des Jahres gewählt.

Sie pafft, er raucht Pfeife

2006 heisst der neue Präsident des FC Zürich Cillo Canepa. Als der Verein 2012 in finanziellen Nöten steckt, übernimmt das Ehepaar Canepa einen Grossteil der Aktien. Die Canepas bringen Pep in den Schweizer Sport und fiebern leidenschaftlich mit, er gerne mit Pfeife, sie mit Zigarette.

Beitrag vom 13.08.2024