© Welttheater Einsiedeln

Klosterplatz frei fürs grosse Schauspiel

Das «Welttheater» hat Einsiedeln wieder ganz in seinem Griff. Eine Tradition, die 1924 ihren Anfang nahm – und diesen Sommer mit einer Neufassung von Schriftsteller Lukas Bärfuss aufwartet. Mit bis zu 500 Einheimischen vor und hinter den Kulissen.

Text: Marco Hirt

Elf Jahre sind mittlerweile vergangen seit dem letzten Freilichtspektakel: Dabei hätte schon 2020 die 17. Ausgabe des «Einsiedler Welttheaters» stattfinden sollen – doch wegen Corona musste, wie so vieles, die Spielzeit verschoben werden. Und wurde nun auf diesen Sommer angesetzt, da genau vor 100 Jahren die erste Inszenierung von «Das grosse Welttheater» stattfand. Weil damals entdeckt wurde, dass der Platz vor der Klosterkirche nach akustischen Gesetzen angelegt worden war – und sich somit speziell gut eignen würde für Theaterproduktionen.

Bühne des Welttheater Einsiedeln
Der Platz vor der Klosterkirche eignet sich gut für Theaterproduktionen.© Welttheater Einsiedeln

Gezeigt wurde jeweils das vom spanischen Barockdichter Pedro Caldéron de la Barca verfasste Stück «El gran teatro del mundo», erstmals dargeboten 1655. Ein geistliches Schauspiel über Leben und Tod, das über die Jahre in seinen Einsiedler Aufführungsperioden stark in der Vorlage verankert geblieben ist. Das wurde mitunter heftig kritisiert, was auch zu Sinnkrisen in der Vorbereitung führte – und es länger dauerte, bis wieder eine Produktion zustande kam.

Mit der Jahrhundertwende standen die Zeichen dann endlich auf Neuanfang. Caldérons Stück sollte mehr als nur mit anderer Übersetzung und neuer Interpretation aufgeführt werden, wofür zuerst Schriftsteller Thomas Hürlimann sorgte. Er bearbeitete den Stoff – zuerst im Jahr 2000, dann auch 2007 – und holte ihn ins Hier und Jetzt, wobei die Grundzüge und die Anlage des Originals blieben. 2013 war es Autor Tim Krohn, der eine Neufassung schrieb.

Autor Lukas Bärfuss
Das «Welttheater» wird in einer Neufassung von Lukas Bärfuss aufgeführt. © Natalie Boo, Aura Foto & Film

Und nun ist die Reihe an Lukas Bärfuss, einem der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller und Dramatiker der Gegenwart. Seine Neuschöpfung feiert am 11. Juni Uraufführung und wird danach bis zum 7. September gespielt (Sommerpause vom 28. Juli bis 4. August). Darin macht sich ein Mädchen auf die Suche nach ihrem Weg und ihrem Glück, durchlebt Höhenflüge und Abstürze, stellt sich den existenziellen Fragen – die die Menschen in jeder Generationen täglich zu beantworten haben. In der Vorbereitung habe er hunderte Stunden an Gesprächen geführt, sagt der in Thun geborene und in Zürich lebende 52-Jährige in einem Interview zu ref.ch. «Mit Menschen in Einsiedeln, mit der künstlerischen Leitung, mit Experten. Die Inszenierung besteht nicht aus dem Aufsagen des Textes. Er ist die Karte eines Geländes, auf dem visuelle, akustische und schauspielerische Elemente geschehen. Wir arbeiten mit sämtlichen Mitteln des Theaters, und aus dem ‹Grossen Welttheater‘ machen wir ‚The Biggest Show on Earth‘.»

Dazu braucht es das sogenannte «Spielvolk», die bis zu 500 Menschen aus Einsiedeln, die vor und hinter den Kulissen im Einsatz sind. Eine Lebensaufgabe für viele, heisst es auf der Welttheater-Website. Was sich durch verschiedene Spielperioden zieht: Wer vor Jahrzehnten in einem Chor mitgesungen hat, spielt heute eine Hauptrolle. Und wer hinter den Kulissen schon immer Requisiten bereitgestellt oder Kleider genäht hat, will auch dieses Mal wieder zum Gelingen beitragen. Und: Wer neu nach Einsiedeln gezogen ist, behauptet sogar, es gebe keine bessere Möglichkeit zur Integration als das Welttheater.


Beitrag vom 02.05.2024

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