Plopp-Plappereien der Pflanzen
Nun ist es wissenschaftlich bewiesen: Pflanzen warnen ihre Artgenossen mit lauten Geräuschen vor Stresssituationen. Das bringt unseren Gartenpöstler in arge Nöte.
Text: Roland Grüter
Mein Kater hat eine Marotte. Kaum überspringt er den Zaun zu meinem Garten, fängt er laut an zu schimpfen, und das Büsi hört damit erst auf, wenn er sich in der Stube ausstrecken kann und ich ihm den Bauch kraule. Diese Eigenheit ist erstaunlich, denn die Mutter des Jammeris ist eine Britisch-Kurzhaar-Dame, und diese Rasse gilt gemeinhin als verschwiegen. Offenbar blieben meinem Kater die dafür verantwortlichen Gene verwehrt. Leider. Das Schweigen der Lämmer klingt anders.
Natürlich versuchte ich zu ergründen, was die Schimpferei zu bedeuten hat, ob diese auf Schmerzen, Hysterie oder ganz simpel auf das Bedürfnis nach Liebe verweist? Eine schlüssige Antwort habe ich jedoch nicht gefunden, selbst eine versierte Katzenpsychologin konnte mir nicht weiterhelfen. Nun hege ich den Verdacht, dass die Meckereien gar nicht mir, sondern den vielen Pflanzen gelten, die zwischen Garten- und Stubentüre wachsen. Denn Forscherinnen und Forscher der Universität Tel Aviv konnten in langen Testreihen nachweisen, dass Pflanzen allerlei Geräusche im Ultraschallbereich von sich geben – im Schwingungsfeld also, das jenseits des menschlichen Hörvermögens liegt, aber nicht an jenem von Katzen. Diese können Ultraschalltöne durchaus hören. Gut möglich also, dass mein Kater – kaum betritt er den Garten – Katzenminze, Hibiscus und andere Stauden aufschreckt. Schliesslich knabbert er oft genug an deren Blätter oder biselt sie an. Und die Pflanzen den Kater dafür schelten und sich dieser dagegen verwehrt. Miau, miau, miau.
Komplett abwegig ist das Szenario nicht. Denn Pflanzen beginnen vor allem unter Stress zu plappern. Das zeigten die Experimente des israelischen Forscherteams um Evolutionsbiologin Lilach Hadany deutlich. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verweigerten Tomaten und Tabak Wasser oder schnitten ihnen Blätter ab, um danach das Grün zu belauschen, wie sie auf diese Torturen reagieren. Dabei stellten sie fest, dass die Pflanzen laute Plopp-Geräusche von sich gaben, sie verzeichneten bis zu 50 Signale pro Stunde. Nachträgliche Experimente zeigten: Auch Mais, Weizen, ja sogar Kakteen reagieren akustisch auf Stress. Und zwar laut und deutlich: Deren Geräusche sind etwa gleich laut, wie wenn sich zwei Menschen unterhalten. Nur hören wir die Hilferufe nicht.
Wie genau die Geräusche entstehen, ist noch unklar. Die Expertinnen und Experten vermuten dahinter eine sogenannte Kavitation. Will heissen: Bei Unterdruck entstehen im Gefässsystem der Pflanzen kleine Luftbläschen – bewirkt durch Stressfaktoren wie Trockenheit. Diese platzen in der Folge auf: Plopp. Wie die Untersuchungen zeigen, verfügen Tomaten & Co. sogar über ein beachtlich breites Vokabular. Je nach Stressauslöser klingen die Geräusche anders, die sie von sich geben.
Über deren Sinn und Zweck wird noch gestritten. Wahrscheinlich richten sich die Geräusche an andere Pflanzen im Umfeld, damit sich diese frühzeitig auf die beklagte Stresssituation vorbereiten können. Auch andere Studien belegen, dass Pflanzen mit Tönen kommunizieren. So gibt es beispielsweise Hinweise darauf, dass Pflanzen summenden, bestäubenden Insekten antworten, um sie anzulocken. Und auch im Wurzelbereich wurden Plopp-Plappereien festgestellt.
So skurril die Entdeckung der Ultraschall-Geräusche auch scheinen mag, sie kann von grossem Nutzen sein. Gelänge es dereinst, die Wehklagen der Pflanzen zu erfassen und zu deuten, könnten Landwirtinnen und Landwirte Stressfaktoren frühzeitig erkennen und darauf reagieren – bevor die Kulturen Schaden nehmen. So liessen sich beispielweise zeitig durstige Pflanzen ausmachen und gezielt wässern.
Jammernde Pflanzen? Diese Erkenntnis bringt mich gerade jetzt, im Herbst, in arge Nöte. Denn bald schon gilt es, die Schere an die Stauden zu setzen und ihnen krankes Laub oder vereinzelt Samenstände wegzuschnipseln – damit sie nächstes Jahr wieder gesund und nicht zu breit wachsen. Offenbar nimmt das Grün die Schnitte stärker wahr als bislang angenommen und warnt seine Artgenossen vor der scharfen Klinge. Ich stelle mir vor, welches Gezeter nach meinen Eingriffen durch die Beete hallt. Kein schöner Gedanke.
Mein Kater kriegt also bald allerhand zu hören – und jammert willig mit. Ich habe mir deshalb ernsthaft überlegt, dem Stubentiger einen Ohrenschutz zu kaufen. Damit hätte er seine Ruhe – ich aber hoffentlich auch.
Der Gartenpöstler
Roland Grüter (62) ist leidenschaftlicher Hobbygärtner und folgt strikt den Regeln des Bio-Gärtnerns. Heute lebt er in der Nähe von Zürich und hegt und pflegt einen kunterbunten, wilden Blumengarten. Roland Grüter schreibt an dieser Stelle regelmässig über seinen Spass und seine Spleens im grünen Bereich.
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