Am 8. November teilen wieder Tausende das Erlebnis des gemeinsamen Lesens und Vorlesens: Es ist Erzählnacht.
Mehr ist mehr
Im vergangenen März starb die Modeikone Iris Apfel mit 102 Jahren. Nun ist das Vermächtnis der exzentrischen New Yorkerin in Form eines opulenten Bildbands erschienen. Ihr Lebensmotto: «Spass, Spass, wir brauchen mehr Spass!»
Text: Claudia Senn
Riesige Brillen, mit denen sie aussah wie eine freundliche Eule, kombiniert mit einer Mischung aus Designerkleidung, Flohmarkt-Trouvaillen und eklektischem Modeschmuck – Iris Apfel war der lebende Beweis dafür, dass man auch hochbetagt noch zur Stilikone werden kann, wenn man sich bloss traut, aus der Masse herauszustechen. Die schillernde Exzentrikerin verstand ihren Kleidungsstil als Kunstform und Protest gegen die grassierende Konformität. «Wenn man sich nicht wie alle anderen kleidet, muss man nicht wie alle anderen denken», sagte sie einmal.
«Farben können Tote zum Leben erwecken.»
Im Jahr 1950 gründete sie mit ihrem Mann Carl ein Textilunternehmen, das sich auf die Reproduktion und Restauration alter Stoffe spezialisierte. Als Interior Designer statteten die beiden das Heim von Hollywood-Stars wie Greta Garbo aus und berieten neun amerikanische Präsidenten von Truman bis Clinton bei der Inneneinrichtung des Weissen Hauses.
Zu Weltruhm kam Iris Apfel jedoch erst 2005 mit 84 Jahren, als das Metropolitan Museum in Manhattan ihre Kleider und Accessoires in einer Ausstellung präsentierte – als Ersatz für ein anderes Projekt, das kurzfristig abgesagt worden war. Die Fashion-Szene liebte das «greise Modesternchen» («Washington Post»). Apfel modelte, schrieb ihre Biographie, wurde in einem preisgekrönten Film verewigt, hatte Millionen Follower auf Instagram und diente mit 96 Jahren noch als Vorbild für eine Barbie-Puppe.
Im Jahr 2015 starb ihr Mann Carl im Alter von 101 Jahren, die beiden waren 67 Jahre miteinander verheiratet gewesen. Im Sommer 2023, kurz nach ihrem 102. Geburtstag begann Iris Apfel an einem Buch zu arbeiten, das sie als ihr «Vermächtnis» bezeichnete. Nun ist es posthum erschienen: ein opulentes Werk voller Fotos ihrer extravaganten Looks, Bilder aus dem Familienalbum, Abbildungen von kostbaren Stoffmustern aus ihrer eigenen Kollektion und herrlicher Bonmots wie «Trage Dinge, die rufen: Das bin ich!». Ein Denkmal für eine Frau, die bis ganz zum Schluss vor Leben sprühte und sich davon durch nichts und niemanden abbringen liess.
Iris Apfel: Colorful – Welche Farbe hat das Glück?
Prestel-Verlag, 288 Seiten, ca. 48 Franken.