Besonders schöne Spezies: das Blättertier
Ein Chicorée-Kakadu, eine Seerosen-Ente, ein Kastanien-Kugelfisch …Gibt es nicht! Gibt es doch! Eva Häberle zaubert aus Blättern und Blüten ganz besondere Tiere. Die Idee dazu ist der Hamburger Fotografin quasi vor die Füsse gefallen.
Von Claudia Herzog
Und das ging so: Es war am Bahnhof eines kleinen Ortes im englischen Cornwall. Der Freund, der sie damals abholen sollte, hatte sie einfach vergessen. «Ich hatte nichts zu Lesen dabei, kein Handynetz und so fiel mir nichts Besseres ein, als aufs Trottoir zu sitzen und mit den Füssen Blätter, Blüten und Stängel hin- und herzuschieben», erzählt Eva Häberle. Und plötzlich sah das Laub wie eine Eule aus.
Löwenzahn-Pudel und Nadel-Affe
Aus diesem Aha-Erlebnis entstand in Serie eine neue Leidenschaft: Zur Eule gesellten sich Blüten-Katze, Löwenzahn-Pudel und Nadel-Affe. Ihren hübschen Zoo fasste die Fotografin schliesslich im Buch «Was macht das Blättertier denn hier» zusammen.
Ergänzt werden dort die Mangold-Mücken und der Wirsing-Elefant mit humorvollen Versen von Thomas Gsella, der einst Chefredaktor des Satiremagazins Titanic war und heute unter anderem für das Magazin des Tagesanzeigers dichtet.
Beispielsweise zum Pusteblumen-Pudel schreibt Gsella:
«Ach, wie wimmelt es von Neidern, wenn ein hohes Tier sich zeigt und in filigransten Kleidern seinen Blick zum Himmel neigt! – Ach, was bleibt von den Gestalten, wenn ein Sturm tobt und sich legt. Die sich für gewichtig halten, werden leicht hinweggefegt.»
Inspirationsquelle Natur
Bei der Entstehung ihre Blättertiere hing vieles vom Zufall ab, wie Eva Häberle sagt. «Manchmal gab eine Pflanze automatisch eine Assoziation für ein Tier vor. Die Katze ist zum Beispiel so entstanden – ich habe eine üppig gefüllte Rosenblüte gesehen und fand, sie sah aus wie das miesepetrige Gesicht einer Perserkatze. Oder aber es war genau umgekehrt. Ich hatte ein Tier im Kopf und suchte nach den richtigen Pflanzenteilen. So war es beim Raben. Im Wald hatten die Arbeiter Äste verbrannt. Da habe ich die halbe Feuerstelle in Tüten mit nach Hause geschleppt.»
Vor dem Arrangieren zeichnete Eva Häberle bei jedem Bild Skizzen, um besser zu verstehen, wie das Tier aufgebaut ist. «Das ist auch deshalb notwendig, weil es bei der Arbeit mit Blättern und Blüten schnell gehen muss, damit die Zutaten nicht welken», erzählt sie. «Es war also wichtig, schon im Vorfeld genau zu wissen, was ich wollte.»
Trotzdem kam es vor, dass das Material ihr einen Strich durch die Rechnung machte – oder durch seine Beschaffenheit dem Bild noch ein I-Tüpfelchen draufsetzte. «Ganz genau voraussehen konnte ich es nie, es sind eben Naturmaterialien. Anfangs habe ich die Bilder im Freien fotografiert, dann zunehmend im Studio, schlicht und einfach deshalb, weil sonst über der Arbeit die Hälfte des Materials wegweht oder wegschwimmt. Deshalb ist die Ente auch zu Hause in einer grossen Wanne entstanden und nicht im Teich.» Alles in allem dauerte ein Bild von der ersten Idee oder Skizze bis zum fertigen Foto zwei bis drei Arbeitstage.
Das bildschöne Blättertier-Buch lässt nicht nur staunen und schmunzeln, es macht auch Lust, eigene Kunstwerke zu erschaffen. Warum nicht für einmal die Natur aus anderen Blickwinkeln sehen? Jetzt ist die richtige Zeit dafür. Sammeln Sie doch beim nächsten Spaziergang selbst Blätter, Blüten, Knospen, Samen und Früchte. Und überraschen Sie sich selbst mit eigenen Kunstwerken.
«Was macht denn das Blättertier hier»
Eva Häberle ist Fotografin und arbeitet für Publikationen wie Stern, Brigitte, die Zeit und die New York Times. Sie fotografiert zumeist Menschen für Porträts und Reportagen. Mehrfach war sie für die Deutsche Welthungerhilfe in Afrika und Asien unterwegs.
«Was macht denn das Blättertier hier» von Eva Häberle und Thomas Gsella, Knesebeck Verlag.