Am 8. November teilen wieder Tausende das Erlebnis des gemeinsamen Lesens und Vorlesens: Es ist Erzählnacht.
Frauenrechte im Museum
Die Museen sind wieder offen! Und bieten vieles zum 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimmrechts. Ein Besuch in der Ausstellung «Frauen.Rechte» im Zürcher Landesmuseum zeigt den langen Weg in Richtung Gleichberechtigung – von der Aufklärung bis in die Gegenwart.
Text: Annegret Honegger
Viele Treppenstufen steigt man hoch zu den Räumen der Ausstellung «Frauen.Rechte» im Zürcher Landesmuseum – gerade so, als müsse man den steilen, strengen Weg zur Gleichberechtigung zuerst in den eigenen Beinen spüren. Mit einem Unterschied: Wer hier nicht mehr mag, nimmt einfach den Lift. Eine solche Unterstützung fehlte den Frauen in Europa und in der Schweiz. Ihr Weg Richtung Gleichberechtigung dauerte Jahrhunderte und war gesäumt von unzähligen kleinen und grossen Fort- und Rückschritten.
Die Ausstellung steigt im Jahr 1789 ein, als die Französische Nationalversammlung erstmals die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte verkündete. Doch die neuen Rechte –, das mussten die Frauen, die während der Revolution Seite an Seite mit den Männern kämpften –, bald erkennen, blieben ihnen noch sehr lange verwehrt. Menschenrechte waren zunächst ausschliesslich Männerrechte. Frauen, so sahen es Mediziner und Philosophen, seien den Männern von Natur aus unterlegen, biologisch und folglich auch rechtlich. Vielleicht will der Punkt im Ausstellungstitel «Frauen.Rechte» auch dies deutlich machen: Dass es lange nicht selbstverständlich war, Frauen und Rechte im selben Satz zu nennen.
Auch die erste Schweizer Bundesverfassung schloss 1848 die Frauen von der Gleichheit aus, die für alle «christlichen Schweizer» galt. Begründet wurde dies auch damit, dass politisch nur mitbestimmen dürfe, wer das Vaterland mit Waffen verteidige. Dies obwohl nicht einmal die Hälfte der stimmberechtigten Männer Militärdienst leistete.
Ehefrau, Tochter, Mutter von …
Frauen galten nicht als selbstbestimmte Individuen, sondern als Mutter, Ehefrau, Schwägerin oder Tochter von … So mussten sie nicht nur die politische Mitbestimmung erkämpfen, sondern sich zuerst einmal gegen die vielen Benachteiligungen im Zivilrecht wehren, vom Erbrecht über das Eherecht bis zum Recht auf Bildung. «Die grosse Mehrheit der Frauen war erwerbstätig, als Bäuerinnen, als selbstständige Gewerbefrauen oder als Teil des Familienbetriebes. Für sie waren die zivilrechtliche Stellung und damit die Möglichkeit, geschäften zu können, essentiell», erklärte die Historikerin Elisabeth Joris an der Online-Vernissage der Ausstellung.
Das 50-Jahr-Jubiläum der Einführung des Frauenstimmrechts mag der Anlass für diese Ausstellung sein, doch 1971 war weniger ein Ende als auch ein Anfang: Ab dann konnten die Frauen ihre Themen direkt im Bundeshaus einbringen. «Frauen.Rechte» will auch zeigen, was sie in den letzten fünfzig Jahren in der Politik erreicht haben und was nicht. Plakate und Spruchbänder mit Forderungen ziehen sich durch die ganze Schau – und machen deutlich, wie lange Frauenanliegen schon geäussert, aber nicht erfüllt wurden. Manches klingt heute noch genauso aktuell wie vor über hundert Jahren.
Links: Blick in die Ausstellung © Schweizerisches Nationalmuseum; Rechts: Gedenktafel zum Lehrerinnenstreik von 1959. Gymnasium Leonhard, Erziehungsdepartement Basel-Stadt, Basel © Bettina Eichin (*1942)
Hoffnungen und Ängste
Die Klappstühle, die man am Empfang ausleihen kann, lohnen sich. Denn es gibt nicht nur viel zu sehen, sondern auch zu lesen und zu hören in dieser multimedialen Ausstellung. Hörstationen und Tablets mit Texten und Briefen lassen Philosophinnen, Dichterinnen und Denker zu Wort kommen und laden dazu ein, bei den Debatten der jeweiligen Zeit mitzuhören.
Abstimmungsplakate mit Ja- und Nein-Parolen zeigen die Meinungen, Hoffnungen und Ängste, welche die Ausweitung des Stimmrechts auf die Frauen im Vorfeld der eidgenössischen Abstimmungen von 1959 und 1971 schürten. Eine Installation mit Schubladen macht deutlich, wo die verschiedenen Postulate und Motionen von Frauenrechtlerinnen und Frauenrechtlern oft für Jahre oder gar Jahrzehnte landeten. Und eine grosse Karte zeigt, wie die Schweiz sich immer mehr zur Insel ohne Frauenstimmrecht entwickelte.
Und die Zukunft?
Am Ende des Rundgangs weiss auch der Kopf, was die Beine bereits am Anfang fühlten: Es brauchte die jahrzehntelangen und unermüdlichen Anstrengungen sehr vieler Frauen, Männer, Vereine und Parteien auf diesem langen Weg. Wir stehen heute auf den Schultern all jener, die ihn unbeirrt weitergegangen sind.
Da kommt die grosse Chaiselongue der Künstlerin Pipilotti Rist zu Ehren der ersten Schweizer Juristin Emily Kempin-Spyri gerade recht. Man kann sie – ohne Schuhe – besteigen und jungen Frauen und Männern auf der grossen Leinwand dabei zuhören, was Gleichberechtigung für sie bedeutet. Diese Interviews lassen hoffen, dass es bis zum Erreichen der tatsächlichen Gleichberechtigung nicht nochmals so lange dauert wie bisher.
«Frauen.Rechte | Von der Aufklärung bis in die Gegenwart»: Noch bis am 18. Juli 2021 im Landesmuseum Zürich.
Öffentliche Führungen am 20., 23., 24., 28. März und am 1. April.
Das Museumsjahr 2021 im Zeichen der Gleichstellung
Weitere Ausstellungen und Veranstaltungen im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums des Frauenstimmrechts in der Schweiz auf der Aktionslandkarte des Vereins CH2021. oder bei seniorweb.ch: Ein Museumsjahr im Zeichen der Gleichstellung.