78. Der Bundesrat handelt Aus «Staatsmann im Sturm»

Als Hitler am 28. Oktober um 11 Uhr in Florenz Mussolini trifft, steht er vor vollendeten Tatsachen. Italienische Truppen sind wenige Stunden zuvor über Albanien nach Griechenland eingedrungen. Der Duce will mit dieser Überraschungsaktion dem Krieg im Mittelmeer und Nordafrika eine günstige Wende geben.

Die Schweizer sympathisieren zwar mit dem kleinen hellenischen Volk, dessen ruhmvolle Geschichte jeder Schüler kennt. Doch die Begeisterung ist weniger leidenschaftlich als diejenige für die Finnen in ihrem Abwehrkampf gegen die Sowjetunion. Die Zeitungen sind vorsichtiger. Mussolini gilt als Freund der Schweiz. Ohne italienische Häfen, die für Schiffe mit Waren aus oder nach der Schweiz offenstehen, wäre die Eidgenossenschaft verloren. Dies weiss man auf derThurgauer Zeitung:

Wovon wird man sprechen bei uns? Etwa vom Krieg und davon, dass wieder ein Land, das nichts anderes begehrte, als frei und unabhängig zu sein, in den Krieg hineingerissen wurde? Dies auch: Aber was sollte man viel dazu sagen? Man hat sich doch abgewöhnen müssen, mit dem Herzen zu denken. Der Krieg geht weiter, und er frisst auf seinem Wege auf, was ihm hinderlich scheint.

Die Schweiz hat keine eigene Handelsflotte. Die meisten von ihr gecharterten Schiffe sind griechisch und segeln unter griechischer Flagge. Wird Italien diese Schiffe gewähren lassen?

Am 2. November titelt  La Suisse: «Die Beschränkung der Wolle hat neue rücksichtlose Käufe provoziert.» Ein Schneider klagt: «Ich muss morgen zwei Anzüge liefern, einen für eine Hochzeit, was tun?» Schuhläden werden gestürmt. Leute, welche die Regale der Läden leeren, werden als «5. Kolonne» beschimpft. Die Thurgauer Zeitung warnt, die Eintracht der Bürger könne man weder befehlen noch «mit Aufrufen herbeizaubern»:

Gerade in dieses Kapitel fallen die Dinge, von denen man heute spricht: Preis und Lohn, Warenverteilung, Hamsterei, Bezugssperre, Rationierung. Sie beschäftigen den Menschen, der weder viel in Theorien macht noch in die Zeitung schreibt, der leben will und erwartet, dass der Staat für gute Ordnung sorgt.

Pierre Grellet hat bemerkt, dass in der Bundesstadt Bern der Ansturm auf die Läden besonders heftig ist, und stellt in der Gazette mit üblicher Bissigkeit fest:

Hier ist eine Stadt, der die etatistische Vorsehung den Wohlstand nicht eingeschränkt hat, … Selbst die Krisen bescheren ihr einen Zuwachs des Wohlstands, weil sie ihre Ämter mit unzähligen Überzähligen bevölkern, tausende von Leuten anzieht, die in diesen Ämtern zu tun haben, tausende andere, welche die Konsulate und Gesandtschaften aufsuchen, um die Visen zu erhalten, die sie zur Überquerung und Rücküberquerung der Grenzen brauchen. Es lebt dort eine immer zahlreichere Bevölkerung, deren materielles Leben geregelt ist wie ein Uhrwerk: Unkündbare Stellen, Saläre, die fast völlig von den Schwankungen unabhängig sind, die andere hinnehmen müssen. Absicherung gegen alle Risiken des Lebens, automatische Altersrenten.

Pilets Abstecher nach Les Chanays – Mitte November anlässlich der herbstlichen boucherie, schweizerdeutsch Metzgete – hilft ihm verstehen, wo das «einfache Volk» der Schuh drückt.

Es ist dem Bundesrat seit Pilets Rede am 25. Juni immer wieder vorgeworfen worden, er rede viel und handle nicht. Die Schelte ist ungerecht. So plant das Volkswirtschaftdepartement seit 1938 die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung im Notfall. Diese Pläne sehen eine staatliche Lenkung und Beaufsichtigung der Landwirtschaft vor. In normalen Zeiten lassen sich derartig drastische Eingriffe in der Schweiz nicht durchführen. Im November 1940 sind die psychologischen Voraussetzungen für eine radikale Umstellung da.

Der Bund will die gesamte Anbaufläche des Lands gewaltig ausweiten. Die Getreideanbaufläche soll um 137 %, die Ackerbaufläche gar um 172 % gesteigert werden. Der bis in die Einzelheiten ausgetüftelte Plan ist das Kind des 41-jährigen Direktors der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Zürich-Oerlikon, Friedrich Traugott («Fritz») Wahlen, der im eidgenössischen Kriegsernährungsamt die «Sektion für landwirtschaftliche Produktion und Hauswirtschaft» leitet.

Am 15. November stellt Wahlen seinen Anbauplan in einem viel beachteten Vortrag der Öffentlichkeit vor. Gleichzeitig publiziert der Gotthard-Bund, dem Wahlen angehört, ein geschickt illustriertes und allgemein verständlich geschriebenes Büchlein «Die Anbauschlacht – Die Aufgaben unserer Landwirtschaft in der Kriegszeit». Prof. Wahlen (bald wird er an der ETH über Pflanzenbaulehre lesen) hat aus rechnen lassen, welche Mindestrationen die Menschen brauchen, um ein nützliches Leben führen zu können. Beispiel:

Brot: 250 g pro Kopf und Tag (bei 10 % Kartoffelbeimischung).
Milch: Kinder und Jugendliche bis zu 18 Jahren 5 dl Vollmilch pro Kopf und Tag.
Kranke, stillende Frauen etc. Vollmilch ohne Rationierung.
Erwachsene 4 dl Trinkmilch (im Notfall evtl. 2 % entrahmt) pro Kopf und Tag.

Wahlen, ein volkstümlicher Berner aus Rubigen, der in Deutschland, England, den Niederlanden und Kanada tätig gewesen ist, kann seinen Plan gut erklären. Einem Journalisten des Journal de Genève, der von Wahlen «mit extremer Einfachheit und Herzlichkeit» in seinem Büro am Brunnadernrain empfangen wird, erscheint der Agronom als ein «Mann der weiss, was er will, der die Realität kalt betrachtet und sich um alle Gefühlsduselei schert». Als guter Familienvater wolle Wahlen nicht, dass wir hungern, aber er glaube, dass wir zu viel essen. Die Umstellungen auf Produktion von Lebensmitteln mit hohem Kaloriengehalt macht eine Reduktion des Viehbestands nötig. 20 % der Rinder, 50 % der Schweine sollen verschwinden. Der Bestand an Federvieh soll zeitweise vermindert werden, was immerhin «Huhn im Topf» auf den Sonntagstisch bringt.

Das Journal de Genève ist begeistert von Wahlens Synthese von Wirtschafts- und Militärverteidigung:

Wer sieht nicht, dass es sich hier um einen nationalen Plan handelt, einer dem Schweizervolk gebotenen Gelegenheit, ein grosses Werk zu realisieren, sich seiner Kräfte, seines Potenzials bewusst zu werden und dem Ausland zu zeigen, dass unser Land ebenfalls zu «Erneuerung» fähig ist, wenn sein Heil und sein Leben davon abhängen?

Mit der Lancierung der Anbauschlacht nimmt der Bundesrat auch sonst das Heft in die Hand. An der Sitzung vom 15. November genehmigt die Regierung im Eiltempo Beschlüsse über:

a) Strafverfolgung von Gerüchtemacherei und Verletzung der Geheimhaltungspflicht auf kriegswirtschaftlichem Gebiet;
b) die Unterstützung und Winterhilfe für alleinstehende Arbeitslose;
c) die Getreide- und Futtermittelversorgung;
d) die Einsparung flüssiger Brennstoffe im Postautoverkehr;
e) die Bestellung einer neuen, erweiterten Arbeitsbeschaffungskommission;
f) ein Clearingabkommen mit Spanien.

An der gleichen Sitzung erhält Pilet den Kredit für ein neues Gesandtschaftsgebäude in Washington zugesprochen. Auf seinen Antrag wird ein Wunsch der Filmwochenschau um «cinematographische Aufnahme» der angekündigten «Konferenz mit den Regierungspräsidenten» abgelehnt. Der Bundespräsident will für vertrauliche Besprechungen keine Publizität. Er will auch, dass das bevorstehende Urteil gegen die deutschen Flugplatz-Saboteure so wenig Aufsehen wir möglich erregt. Im August hatte Pilet bezweifelt, ob ein militärgerichtliches Verfahren, das «sogar mit einer Todesstrafe enden könnte» … «im gegenwärtigen Augenblick politisch zweckmässig sei».

Die Angeschuldigten, die ohnehin eine lange Zuchthausstrafe gewärtigten, könnten in Untersuchungshaft bleiben, einzelne eventuell gegen schweizerische Häftlinge in Deutschland ausgetauscht werden. Im Oktober willigte Pilet dann in die Durchführung des Verfahrens ein, «sofern die nötige Diskretion und Zurückhaltung geübt würde». Daran hält sich der Bundesrat, als er den Wortlaut der Mitteilung beschliesst, die der Presse nach der Urteilsverkündung zugestellt werden soll. Das aufs Nötigste beschränkte Communiqué berichtet, dass 9 Angeklagte – 7 Ausländer und 2 Auslandschweizer – wegen militärischem Landesverrat zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt worden sind:

Die Angeklagten hatten beabsichtigt, auf verschiedenen Flugplätzen der Schweiz Sabotageakte zu begehen, nämlich Flugzeuge zu zerstören, was jedoch an der Wachsamkeit unserer Grenz- und Polizeiorgane und der strengen Überwachung der Angriffsobjekte gescheitert ist.

Verschwiegen wird, dass es sich bei den sieben «Ausländern» um deutsche Wehrmachtssoldaten handelte. Wie Pilet gehofft hat, übergeht Berlin die Verurteilung seiner Agenten mit Schweigen. Die Reichsregierung unternimmt nichts, um ihre Freilassung zu erwirken. Es ist ihr willkommen, dass die Sache unter den Teppich gekehrt wird. Der von Hitler persönlich gebilligte, kläglich gescheiterte Terroranschlag war kein Ruhmesblatt für die Wehrmacht.

An der Sitzung vom 15. November berichtet Bundesrat Baumann von neuen polizeilichen Abklärungen über die Nationale Bewegung der Schweiz. Er stellt den Antrag auf ihr Verbot in Aussicht. Auf seine Frage, ob es dagegen Einwände aussenoder innenpolitischer Natur gäbe, erklären sich alle Mitglieder für ein Verbot. Pilet (gemäss Notizen Bovet) erklärt:

Erwiesen, dass Hofmann und Konsorten nicht die Absicht haben, sich an die öffentliche Ordnung zu halten. Man muss also handeln. Sich einzig auf Tatsachen und unerlaubte Ziele stützen. Aber nicht zulassen, dass man auf diesem Gebiet die Aussenpolitik intervenieren lässt.

Tags darauf, am 19. November, verbietet der Bundesrat die Nationale Bewegung der Schweiz. Für Pilet war der Empfang von Schaffner, Max Leo Keller und Hofmann und die darauffolgende landesweite Erregung eine heilsame Lehre. Er nahm nachher persönlich die drei Herren genauer unter die Lupe und verfolgte ihr weiteres Treiben aufmerksam. Der aktivste der NBS-Führer, Ernst Hofmann, veröffentlichte am 25. September ein Rundschreiben zur Audienz, die «im Auftrag des Bundesrats erfolgt » sei und die er als «erfolgreiches Vorpostengefecht» bezeichnet:

Ein Besuch der Nationalen in Bern genügt allein schon, um das alte und morsche Systemgebäude ins Wanken zu bringen. Es hat gekracht und geächzt im Gebälk, dass man annehmen muss, weitere Belastungsproben müssten den Einsturz bringen. Und es kommen noch welche …

Die Bundesanwaltschaft liess das Pamphlet beschlagnahmen.

Zum Autor

Hanspeter Born, geb. 1938, Schulen in Bern, Dr. phil. hist.; Redaktor beim Schweizer Radio, USA-Korrespondent; Auslandchef der Weltwoche (1984–1997); Autor von Sachbüchern, darunter «Mord in Kehrsatz», «Für die Richtigkeit –Kurt Waldheim» sowie (mit Benoit Landais) «Die verschwundene Katze» und «Schuffenecker’s Sunflowers».

Am 5. Oktober schrieb Schaffner an Weizsäcker einen Brief, in dem er sich zu den «Vorgängen mit dem Bundespräsidenten» äussert:

Ich habe noch einmal eine Brücke gebaut. Diese Brücke ist vorsätzlich zerstört worden. Über eine zerstörte Brücke kann man nicht mehr gehen. Es ist das wenigste, dass die schweizerischen Erneuerer wiederum als Landesverräter gebrandmarkt wurden, und damit liesse sich auch nicht viel anfangen, aber die Erklärungen der Parteien in offener Sitzung der Bundesversammlung haben unzweideutig das Deutsche Reich als diejenige Macht gekennzeichnet, die mit der Nationalen Bewegung der Schweiz in hochverräterischer Beziehungen stehen und an der Zerrüttung und Überführung des Lands in die deutsche Okkupation arbeiten soll.

Das Reich könne unmöglich mit einem Land in Vertragsbeziehungen bleiben, «dessen politische Führung eine offen feindliche gegenüber dem deutschen Volk und dessen Bekenntnis einnimmt»:

Künftige Verhandlungen können nur noch mit solchen schweizerischen Vertretern geführt werden, denen die nationalsozialistische Denkweise geläufig ist. Künftige Verhandlungen können keinen andern Gegenstand mehr haben als die Herstellung einer neuen Ordnung.

Schaffner möchte «dem Führer Vortrag halten und Vorschläge unterbreiten». Weizsäcker hielt nichts davon. Er schrieb Ribbentrop, die Schweiz «sei zu einer gewaltsamen Umformung nicht reif»:

Bei einem Zugriff von aussen her, dem sie natürlich nicht ernsthaft widerstehen könnte, würde sie aber immerhin wahrscheinlich den Gotthard- und den Simplontunnel sprengen. Meines Erachtens muss man eine innere Evolution in der Schweiz begünstigen, zu der sich Schaffner jedoch nicht eignet, da er wohl schreiben, aber nicht handeln kann. Sofern der Führer nicht von sich aus den Wunsch haben sollte, Schaffner zu sehen, würde ich nicht empfehlen, ihm einen solchen Empfang nahe zu legen.

Max Leo Keller, zur gleichen Zeit ebenfalls in Deutschland, konnte mindestens Hess treffen. Ausser schönen Worten brachte seine Unterredung mit Hitlers Stellvertreter, dessen Einfluss beim Führer im Schwinden ist, nichts. Pilet, dem Keller über seine Deutschlandreise hätte berichten sollen oder wollen, empfängt ihn nicht mehr. Am 5. November liess Hofmann Pilet ein Bändchen der in seinem Verlag erschienen «Schriftenreihe grosser Schweizer Dichter» zukommen – mit einer beiliegenden Notiz:

Herr Hofmann wird sich erlauben, Sie in den nächsten Tagen telephonisch anzurufen, und lässt Sie bis dahin freundlich grüssen.

Zu diesem Satz macht Pilet am Rand ein Ausruf- und ein Fragezeichen mit der Bemerkung Elle est bonne, celle-là!

Am 11. November soll Hofmman im Gespräch mit Bundesanwalt Stämpfli diesem gedroht haben:

«In 14 Tagen werden Sie nicht mehr auf Ihrem Posten sein.» Vollends überspannt der NBS-Führer den Bogen, als er am 12. November «Bundespräsident Pilet z.H. des Gesamt-Bundesrates» einen Brief schickt, in dem er die alten Forderungen der NBS wiederholt. Hofmann fragt zum Schluss, ob der Bundesrat gedenke, die Verleumdungskampagne gegen die NBS weiterhin zu dulden, und ob er gedenke, der NBS wie allen anderen Parteien volle Versammlungsfreiheit und Pressefreiheit zu gewähren:

Auf diese bewusst einfache und jedermann verständliche Fragestellung erwarten wir im Laufe dieses Monats eine ebenso klare wie eindeutige Antwort. Entweder sind wir als Schweizerbürger vor Gesetz und Verfassung gleich, oder sind wir wegen unserer Gesinnung geächtet oder vogelfrei. Darüber hat der verantwortliche Bundesrat jetzt zu finden.

«Im Laufe des Monats» – das heisst, die NBS gibt dem Bundesrat 18 Tage Zeit für eine Antwort. Ein Ultimatum.

Am Montag 17. November schicken M.L. Keller und E. Hofmann im Namen der NBS einen eingeschriebenen persönlichen Expressbrief an die Privatadresse von «Bundespräsident Dr. Marcel Pilet-Golaz». Er beginnt:

Bei der Audienz, die Sie uns am 10. September gewährt haben und an welcher Sie ausdrücklich erklärten, Sie empfingen uns im Auftrag des Bundesrates, haben Sie sich auch spontan dahin geäussert, dass Sie an unserm Patriotismus nie gezweifelt hätten. Sie haben damit zum Ausdruck gebracht, dass Sie uns als Ehrenmänner betrachten. Wir dürfen daher von Ihnen erwarten, dass Sie unsern Aussagen in jeder Hinsicht Vertrauen schenken. Wenn wir auch für die delikate Lage, in der Sie sich befinden, alles Verständnis aufbringen und darauf bis zur Stunde die allergrösste Rücksicht genommen hatten, so ist es andererseits nicht unbillig, wenn wir von Ihnen erwarten, dass Sie – bei aller öffentlichen Distanzierung von uns – den Mut aufbringen, eine Haltung einzunehmen, die uns in unsern Worten und unseren Handlungen nicht unverdienterweise Lügen straft.

Der zweifellos von Keller verfasste Brief erinnert daran, dass die NBS zu Pilets 4 Punkten umgehend eine verbindliche Erklärung abgegeben habe. Trotzdem seien jetzt zwei Monate vergangen, «ohne dass auch nur das geringste Entgegenkommen in Erscheinung trat, dafür aber eine geradezu abgefeimte und von Beleidigungen und Verleumdungen strotzende Diffamierungskampagne». Deshalb bleibe ihnen nichts anderes übrig, als in «einer bestimmten, aber doch sehr vorsichtigen und zurückhaltenden Weise den Bundesrat öffentlich an die gegebenen Zusicherungen zu erinnern». Der Brief endet mit einem eindringlichen Appell an Pilet:

Sie werden, Herr Bundespräsident, uns zubilligen müssen, dass wir uns als nationale Oppositionspartei eine grosse Zurückhaltung auferlegt haben. Es fällt uns in dieser ausserordentlich schweren Zeit mit ihren Nöten und Sorgen nicht immer leicht, die Mitglieder und Anhängerschaft von einem radikaleren Kurs zurückzuhalten. Im Interesse des Landes liegt uns nun aber daran, soweit es unsere Ehre erlaubt, dem Bundesrat keine unnötigen Schwierigkeiten zu bereiten. Anderseits wird der Bundesrat nicht darum herumkommen, uns – wie es kürzlich Herr Bundesrat Minger getan hat – wenigstens den guten Willen und die vaterländische Gesinnung öffentlich zuzubilligen. Ein Verbot, das sich katastrophal auswirken müsste, darf überhaupt nicht diskutiert werden.

Pilet beantwortet den Brief nicht. Stattdessen reagiert der Bundesrat. Er verbietet die Nationale Bewegung der Schweiz.   


«Staatsmann im Sturm»

Cover: Staatsmann im Sturm

Hitlers Blitzsiege machten 1940 zum gefährlichsten Jahr in der jüngeren Geschichte der Schweiz. Das völlig eingeschlossene Land war auf Gedeih und Verderb Nazi-Deutschland ausgeliefert. Die Last seiner Aussenpolitik lag auf den Schultern von Bundespräsident Marcel Pilet-Golaz. Mit viel Geschick steuerte er die Schweiz unbeschadet durch stürmische Monate. In der Geschichtsschreibung gilt der Waadtländer als «Anpasser», der den Nazis zu Gefallen war. Hanspeter Born zeichnet ein anderes Bild des Juristen, Schöngeists und Landwirts aus der Romandie. Seine auf Primärquellen, teils unbekannte Dokumente aus dem Familienarchiv Pilet, beruhende Studie wertet den Umstrittenen als klugen und standfesten Staatsmann.«Die kapitale Mission des Bundesrates in den gegenwärtigen Zeitläufen besteht darin, das Land in der Unabhängigkeit und Freiheit zu erhalten. Sein Wille, hiefür seine ganze Energie und seine ganze Umsicht einzusetzen, braucht keinerlei besondere Erwähnung. Dinge, die sich aufdrängen und über jeder Diskussionstehen, verlieren, wenn man sie wiederholt.» Marcel Pilet-Golaz, Lausanne, 12. September 1940


Hanspeter Born, Staatsmann im Sturm. Pilet-Golaz und das Jahr 1940. Münster Verlag 2020, gebunden, mit Schutzumschlag, 540 Seiten, CHF 32.–. ISBN 978-3-907 146-72-, www.muensterverlag.ch

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagsgestaltung: Stephan Cuber, diaphan gestaltung, Liebefeld
Umschlagsbild: KEYSTONE-SDA / Photopress-Archiv 

Beitrag vom 14.07.2024

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