
Die geheime Zutat
Im Dokumentar-Film «Das Geheimnis von Bern» sucht Stascha Bader nach dem Erfolgsrezept der Berner Mundart-Rocker. Doch ob er dabei fündig wird, spielt eigentlich keine Rolle.
Text: Maximilian Jacobi
Zürcher sind für einiges bekannt, nur nicht für ihre Minderwertigkeitskomplexe. Doch ausgerechnet darauf baut Regisseur Stascha Bader einen gesamten Dokumentar-Film. Auf den Minderwertigkeitskomplex von ihm, dem Zürcher, gegenüber den Bernern. Denn Bader ist nicht nur Regisseur und Lehrer, sondern auch Musiker. Und während sich aus der Zürcher Szene nur wenig Musikerinnen und Musiker ins schweizerische Kulturgedächtnis einbrannten, kaperten die Bernerinnen und Berner den Mundart-Rock.
So lautet die These, die dem 80-minütigen Film «Das Geheimnis von Bern» zu Grunde liegt. Ihr entspringt auch die Leitfrage: Warum ausgerechnet die Berner? Um sie zu beantworten, begibt sich Bader auf Spurensuche. Und das wortwörtlich. In Schwarzweiss-Aufnahmen tritt er auf, von den Schultern hängt der Trenchcoat, ins Gesicht gezogen der Trilby-Hut, – so stapft er durch Altstadtgassen und sticht Personen-Bilder in eine Pinnwand. Die Handlung erzählt er aus dem Off, alles ganz in Maloney-Manier.

Die Indizien, die er ausgräbt, werden in Farbe eingespielt: Verhöre, beziehungsweise Interviews, mit Berner Musikgrössen, Sprachkundlern und Musikhistorikern. Sowie Konzerte, Musikvideos und Ständchen aller Art.
Warum Bader ausgerechnet die Erzählweise des Privatdetektivs wählte, erschliesst sich nicht. Aber das muss es auch nicht. Klar wirkt es manchmal albern, wenn man dem 69-Jährigen mal wieder dabei zusieht, wie er kostümiert und im Zug im Zweitklass-Abteil von Zürich nach Bern sitzt. Doch das tut nichts zur Sache. Bader hätte sein Material auch als dreitagebärtiger Schatzsucher präsentieren können, der versucht, das Geheimnis der Mundart-Rock-Pyramide zu lüften. Denn das recherchierte Material ist unterhaltsam, egal, womit er es zusammenkittet.
Volksweisen und Guerilla-Aktionen
Der Dok-Film kramt tief in der Mundart-Mottenkiste und fördert so viel zu Tage, dass die Chance gross ist, darunter Vergessenes, sogar Unbekanntes, zu entdecken. Man lernt die Berner Musikgeschichte kennen, von Teddy Staufer über Hazy Osterwald, Mani Matter, Rumpelstilz und Züri West bis hin zu Rap-Künstlern wie Greis und dem Kollektiv Chlyklass.
Kleiner Höhepunkt ist eine Guerilla-Aufnahme vom Bahnhof in Bern. Die Berner Künstlerin Christine Lauterburg und die Rapperin Steff la Cheffe jodeln das «Guggisbergerlied» von den Galerien in die Treffpunkt-Halle hinab. Eine Blaskapelle, die sich unter die Passanten gemischt hat, untermalt das Ganze. Im Volkslied liegt so viel Drama, dass es selbst Zuschauerinnen und Zuschauer packt, die ein zwiespältiges Verhältnis mit Mundart-Musik verbindet.


Die Dok-Filmerinnen und -Filmer haben vor allem eine gute Entscheidung getroffen: Sie haben die Musik ins Zentrum gestellt. Sie überlassen die Bühne oft Liedern wie «I schänke dr mis Härz», «Scharlachrot» oder «Schwan». Der Film lebt von der Nostalgie, den Erinnerungen und der Sehnsucht, die die Mundart-Hymnen auslösen. Und manchmal auch von der Fremdscham – aber die gehört bei einigen Mundart-Rock-Songs eben irgendwie dazu.
Alles in allem eine gelungene Dokumentation. Oder um es mit Philip Maloney zu sagen: «So geht das!»
«Das Geheimnis von Bern», von Stascha Bader, 80 Minuten, ab 8. Mai im Kino. Weitere Informationen zum Film finden Sie hier.