Auferstehung der Mode-Ikonen
Sie haben die Haute-Couture geprägt, sind zu Legenden geworden – und stehen im Mittelpunkt neuer Filmproduktionen. So beleuchtet eine Kino-Doku Aufstieg und Fall von John Galliano, TV-Serien hingegen lassen verstorbene Designer wie Karl Lagerfeld wiederaufleben.
Text: Marco Hirt
Was für ein abruptes Ende für eine erfolgreiche Karriere: 2011 fiel John Galliano in einer Pariser Bar komplett aus der Rolle. Der Modeschöpfer pöbelte betrunken herum, äusserte sich antisemitisch und rassistisch. Und wurde dabei gefilmt! Der Skandal war perfekt: Der Brite wurde als Chefdesigner der Luxusmarke Dior, für die er seit 1997 tätig war, entlassen und zur Persona non grata erklärt. Es kam sogar zu einem Prozess. Das Urteil: eine Geldstrafe von 6000 Franken. Zudem wurde ihm der Titel «Ritter der französischen Ehrenlegion» entzogen.
Abstieg – und leise Rückkehr
Regisseur Kevin Macdonald widmet sich in seinem Dokumentarfilm «High and Low – John Galliano» dem gefallenen «Enfant terrible der Haute Couture». Seine Anfänge, sein Durchbruch, sein Erfolg – und die Schattenseiten seiner Karriere: Der berufliche Druck (bis zu 32 Kollektionen jährlich) lässt ihn zu Alkohol, Tabletten und Drogen greifen. Es wird immer schlimmer: Zusammenbrüche nach Modeschauen, Zunahme der Exzesse – und Trauer über den Tod seines Assistenten und engen Freunds Steven Robinson. Dieser starb 2007 an einer Überdosis Kokain. Nach dem Fehltritt machte John Galliano einen Entzug, tauchte unter – und fand 2015 Unterschlupf als künstlerischer Leiter der Marke «Maison Margiela», wo der heute 63-Jährige immer noch tätig ist.
Ist ihm zu verzeihen? Mit dem Regisseur sprachen zwar Weggefährtinnen wie Model Naomi Campbell und «Vogue»-Chefin Anna Wintour, doch für viele ist John Galliano nach wie vor ein rotes Tuch. Dieser selbst liess es sich aber nicht nehmen, mitzumachen. «Er will sein Ansehen retten», sagt Kevin MacDonald über dessen Zusage. «Er ist sich bewusst, dass in seinen Nachrufen als erstes dieser Skandal erwähnt wird. Ihm ist deshalb wichtig, die Menschen daran zu erinnern, dass er einer der grössten Designer seiner Zeit war.»
Galliano spricht zwar über sein Unverständnis über sein «abscheuliches» Verhalten, dass es ihm schwerfalle, sich zu verzeihen. «Ich werde mein Leben lang mit Heilung beschäftigt sein.» Doch bei den beschimpften Menschen hat er sich nie entschuldigt – weshalb ihm ein Opfer, das zu Wort kommt, nicht vergeben will.
Zurück in die 70er-Jahre
In die Biographie einer Mode-Legende taucht auch «Becoming Karl Lagerfeld» ein. Im Mittelpunkt, wie der Titel schon sagt, der 2019 verstorbene Karl Lagerfeld. Der Sechsteiler startet 1972 in Paris. Dort strebt der gebürtige Hamburger in den Mode-Olymp – doch die Konkurrenz mit Yves Saint Laurent ist fast übermächtig.
Daniel Brühl (45) verkörpert in der Streaming-Serie, die auf der Biographie «Kaiser Karl» basiert, seinen Landsmann. Was den Schauspieler, der vor 20 Jahren mit «Good Bye, Lenin» den Durchbruch schaffte, eine «grosse Verantwortung» spüren lässt. «Ich habe ihn nur ein einziges Mal getroffen und nur die Person kennengelernt, die er geschaffen hat», sagt Brühl in einem Interview mit «Variety». Er habe ihn als scharfsinnig, eloquent, witzig und charmant erlebt. «Diesen Schutzschild wollte ich durchbrechen und herausfinden, wer er wirklich ist.» Brühl las Biographien und alte Interviews, sprach mit Menschen aus Lagerfelds Pariser Umfeld. Dennoch sei er auf Kritik vorbereitet: «Ich bin mir bewusst, dass nicht alle meine Darstellung des Modedesigners gelungen finden. Aber die Gefahr ist etwas, das mich reizt. Ich bin furchtloser geworden.»
Noch mehr Modewelten
Damit nicht genug: Ins Leben und Schaffen des spanischen Couturiers Cristobal Balenciaga lässt sich in der gleichnamigen Serie eintauchen. Diese ist nicht nur Biografie, sondern auch Zeitgeschichte – und übervoll von Balenciagas traumhaften Kreationen. An Opulenz nicht zu überbieten ist auch die Serie «The New Look», die die Rivalität zwischen Christian Dior und Coco Chanel im Paris nach dem Zweiten Weltkrieg aufleben lässt. Ein Abstecher in die USA darf auch nicht fehlen: «Halston» erzählt vom amerikanischen Designer Roy Halston Frowick, der in den 60er- und 70er-Jahren Kultstatus erreichte – und u.a. den weltberühmten Pillbox-Hut für Jacqueline Kennedy kreiert hatte.
- «High and Low – John Galliano» läuft aktuell in den Deutschschweizer Kinos.
- «Becoming Karl Lagerfeld» startet am 7. Juni auf dem Streamingsender Disney+.
- Bereits abrufbar auf Disney+ ist ebenfalls «Cristobal Balenciaga».
- «The New Look» ist auf AppleTV und «Halston» auf Netflix zu sehen.