Wenn die Sehkraft nachlässt
Ein neuer Ratgeber zeigt auf, wie trotz schwindender Sehkraft ein selbstbestimmtes Leben möglich ist. Der Autor ist selbst davon betroffen – und nutzt darin seine Erlebnisse als Wegweiser.
Text: Roland Grüter
Ernst Horat liebt die Sprache. Schon als Knirps las der gebürtige Entlebucher leidenschaftlich gerne, später machte er das geschriebene Wort zu seinem Beruf. Der heute 80-Jährige arbeitete einst als Journalist und gab sein Wissen in Text-Seminaren weiter. Vor drei Jahren aber drohte diese Passion ein jähes Ende zu nehmen. Denn die Sehkraft des Luzerners nahm in einer Schicksalsnacht derart grossen Schaden, dass er am darauffolgenden Morgen kaum mehr Buchstaben erkennen konnte. Sein rechtes Auge war schon zuvor geschwächt gewesen, es wies nur mehr einen Drittel der normalen Sehkraft aus. Zwei Thrombosen schädigten nun auch das linke: Die Welt von Ernst Horar war plötzlich trübe und dunkel. Er musste sein gesamtes Leben neu ausrichten, seinen Alltag, seine Gewohnheiten. Statt Bücher zu lesen, hört er sich diese nun an.
Die Suche nach Lösungen
«Mein Leben wurde in dieser Nacht auf den Kopf gestellt», schreibt Ernst Horat in seinem eben erschienen Ratgeber «Wenn die Sehkraft nachlässt». Darin fasst er in 15 Kapiteln seine persönlichen Erfahrungen zusammen und nimmt diese als Leitfaden, wie ein selbstbestimmtes Leben trotz signifikanter Sehschwäche möglich ist. «Ziel meines Buches ist es, Betroffene und Angehörige auf der Suche nach optimalen Lösungen zu unterstützen», schreibt der Texter im Vorwort seines Ratgebers. Ausführungen zu Augenleiden und Sehhilfen fehlen darin gänzlich. Der Autor verweist Interessierte hierfür an Fachstellen, die er in seinem Werk ebenfalls auflistet.
Der Bedarf für hilfreiche Tipps ist bei älteren Menschen besonders gross. Denn sie sind besonders oft von Sehbehinderung betroffen: Die Hälfte aller blinden und stark sehbehinderten Personen ist 75-jährig oder älter. Mit der Sehkraft schwindet auch die Lebensqualität der Betroffenen. Ob ein Einkauf, Coiffeurtermin oder Treff mit Freunden: Viele Aktivitäten werden schwieriger oder ohne Unterstützung durch Dritte sogar unmöglich. Solche Abhängigkeiten wollte Ernst Horat möglichst klein halten.
Sein Ratgeber – in grossen Lettern und mit grossem Zeilenabstand gedruckt – beantwortet die wichtigsten Fragen, die sich Betroffene stellen: Wie kann das Hirn oder das Gehör die Beeinträchtigungen kompensieren? Wie lässt sich eine Wohnung organisieren, um sich darin auch mit geringer Sehkraft zurechtzufinden? Wo finden sich technische Hilfen? Welche digitalen Angebote sind empfehlenswert?
Das Nachwort überlässt der Autor sinnigerweise der Katze Charlie, die trotz angeborener Blindheit ein erfülltes und langes Leben führte. Obwohl sich das Schicksal des Tieres nur bedingt auf Menschen übertragen lässt: Eine Gemeinsamkeit gibt es tatsächlich: Denn auch Charlie war auf besondere Fürsorge angewiesen und verspürte trotzdem den Drang nach Freiheit. Darin erkennt sich zumindest Ernst Horat wieder.
«Wenn die Sehkraft nachlässt», Ernst Horat, Tredition Verlag