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«So viel Zeit muss sein» 8. September 2020

Zeitlupe-Redaktorin Usch Vollenwyder ist 69 Jahre alt. Als Angehörige der Risikogruppe erzählt sie jede Woche aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: von Ferien in besonderen Zeiten.

Bereits die Planung der Ferien dauerte länger als andere Jahre. Bleiben wir zu Hause? Verbringen wir Urlaub in der Schweiz? Oder fahren wir doch ins nahe Ausland? Corona und Vernunft sprechen für Heimatferien. Fernweh und Reiselust für freie Tage jenseits der Schweizer Grenze – und sie überwiegen. Während wir in anderen Jahren nur das ungefähre Ferienziel bestimmt haben und aufs Geratewohl losgefahren sind, organisieren wir uns diesmal Reise und Unterkunft noch von zu Hause aus: Über Nacht schaukelt uns der Autozug von Lörrach nach Hamburg, am gleichen Vormittag erwartet uns eine Ferienwohnung an der Nordseeküste. Auf Umwege und Abstecher verzichten wir.

Das Krabbenbrötchen zum ersten Mittagessen erfordert Geduld. Wir ziehen die Maske über, stellen uns in eine lange Warteschlange, füllen einen A4-Fragebogen aus und warten weiter, bis ein Tisch desinfiziert und uns zugewiesen wird. Dort dürfen wir den Mundschutz abnehmen. Mit dem ersten Glas Weisswein stellt sich das ersehnte Feriengefühl ein: Wir freuen uns auf fast drei Wochen viel Lesen und viel Schlafen, auf kurze und längere Hunderunden, auf Wattwanderungen und Strandspaziergänge.

Mit den deutlich strengeren Schutzmassnahmen arrangieren wir uns. Schliesslich gilt der Grundsatz «When in Rome, do as the Romans do» – für uns heisst das «Wenn du in Deutschland bist, mach es wie die Deutschen». Zudem sind wir nicht in Eile, sondern in den Ferien. Als in der Bäckerei die Verkäuferin zu einem ungeduldigen Kunden sagt «So viel Zeit muss sein» machen wir uns ihr Wort zum Ferienmotto. Und letztlich tut das Maske aufsetzen – ebenfalls auf dem Markt und in engen Gassen – ja auch nicht weh. Nur einmal komme ich in Not: Als ich endlich eine öffentliche Toilette erblicke, schleunigst darauf zueile, die Tür aufreissen will und darauf das Schild lese: «Nur mit Gesichtsschutz». Ich wühle in der Handtasche verzweifelt nach dem kleinen blauen Ding. Ab jetzt wird es lose in der Jackentasche mitgetragen.

Unsere Ferienwohnung liegt ausserhalb des Dorfes gleich hinter dem Deich. Vor dem Deich breitet sich der geschützte Dünengürtel aus und davor liegt der Strand – mehrere hundert Meter breit ist er und zwölf Kilometer lang. Über den hellblauen Himmel ziehen weisse Wölkchen, so nah, dass man meint, sie berühren zu können. Am Abend schiebe ich mein Bett vor die offene Balkontür. Ich schaue hinauf zum Mond und den Sternen und lausche dem stärker werdenden Wind. Ferienglück pur!

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Beitrag vom 08.09.2020
Usch Vollenwyder

Zeitlupe-Redaktorin

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