Maria Lichtmess 16. Februar 2021
Zeitlupe-Redaktorin Usch Vollenwyder (69) erzählt seit Beginn der Corona-Krise jede Woche aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: vom Ende der Weihnachtszeit und guten Neujahrswünschen.
Die kirchliche Weihnachtszeit dauert bis Maria Lichtmess – jedenfalls die katholische. Das habe ich anno dazumal im Religionsunterricht gelernt. Obwohl sich mir der Ursprung dieses Feiertags nie so richtig erschlossen hat, blieb in unserer Familie die Wohnung jeweils bis zum 2. Februar weihnachtlich geschmückt. Diese Tradition habe ich beibehalten. Wenn schon eine Weihnachtsdekoration – für einmal war sie wegen Corona besonders üppig – dann soll sie nicht schon am Dreikönigstag wieder weggeräumt werden. Dieses Jahr jedoch verpasste ich Maria Lichtmess. Die Tage mit Homeoffice und Ausgangsbeschränkungen reihen sich allzu gleichförmig aneinander.
Immerhin habe ich vor einigen Tagen schon mal die Krippe versorgt. Aber die Sterne an den Fenstern hängen immer noch. Und erst am Wochenende habe ich mir die Glasschale mit den vielen Neujahrskarten vorgenommen. Ich mag Neujahrspost seit meiner Kinderzeit, als es in den Weihnachtsferien bei meinen Grosseltern väterlicherseits zu den Höhepunkten gehörte, wenn ich Neujahrskärtchen schreiben durfte. Unter die glitzernden Schneelandschaften mit dem Schriftzug «Beste Neujahrsgrüsse» setzte ich jeweils in meiner schönsten Schülerinnenschrift «sendet Euch Paul und Emma», die Vornamen meiner Grosseltern. Schrieb man nicht mehr als fünf Worte, musste das Couvert nicht zugeklebt werden und eine Fünfermarke als Porto genügte.
Das Neujahrskarten schreiben ist mir geblieben. Früher kreierte ich sie selber, versah sie mit einem weihnächtlichen Gedicht und immer auch mit ein paar persönlichen Worten. Seit die Kinder ausgezogen sind, verbringen mein Mann und ich jedes Jahr eine Dezemberferienwoche in immer einer anderen Stadt – es sei denn, es herrscht Corona. Dort kaufe ich jeweils bei einem Strassenverkäufer hundert Ansichtskarten, erzähle in einem Brief von unserer Reise nach Barcelona oder Venedig, Stockholm oder Wien, und schicke beides mit guten Wünschen an meine grosse Familie, an meine Freundinnen, Kollegen und Bekannte.
Das Schönste sind immer die vielen Neujahrskarten und -briefe, die ich zurückbekomme. Bevor ich sie aussortiere, lese ich sie alle noch einmal. Es gibt Schreiben, da kommen mir die Tränen. Bei anderen muss ich lachen. Ich bin aufgehoben in einem Kreis von Menschen, die mich mögen und mir wohlgesinnt sind. Ich spüre eine Welle der Zuneigung für die vielen jüngeren und alten, nahen und ferneren Schreiberinnen und Schreiber: Wie sehr hoffe ich für alle auf ein gutes und glückliches neues Jahr!
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