Die Sache mit dem Käse

Regelmässig erreichen uns Geschichten, Texte und Zuschriften unserer Leserinnen und Leser. Diese wollen wir Ihnen nicht vorenthalten. Heute: Das tragikomische Ende der Liebesbeziehung von Barbara Donas.

Sehr geehrte Damen und Herren

Ich habe immer gerne und mit einem Schmunzeln die Kontaktanzeigen gelesen. Es scheint doch ein grosses Bedürfnis bis ins hohe Alter zu geben, den einen, richtigen Partner zu finden.

Ich dachte, ich hätte meinen «Richtigen» mit 68 Jahren gefunden, aber die Beziehung endete nach neun Monaten auf eine seltsame Weise. Ich habe eine Kurzgeschichte darüber geschrieben, weil das Ende so schräg war, dass die Geschichte auch sehr lustig ist. Ich dachte, vielleicht hätten Sie Interesse, sie zu veröffentlichen. Sie wäre sicher für viele ältere Menschen unterhaltsam, die auf der Suche nach dem perfekten Partner sind.

Die Geschichte ist genauso passiert, wie ich sie geschrieben habe. Mein «Liebesleben», wie ich den Mann nenne, hat die Geschichte nachträglich gelesen. Auch er musste lachen, aber an seiner Entscheidung, sich zu trennen, hielt er fest.

Viel Spass beim Lesen. 

Freundliche Grüsse 
Barbara Donas

____________________

Als ich ins Auto meines Liebeslebens stieg, war der Innenraum geschwängert mit einem undefinierbaren, üblen Geruch. Oh Schreck, was war das denn? Eine tote Maus, die jemand unter dem Schuh ins Auto geschleppt hatte und die nun unter der Sonne des parkierten Autos anfing zu verrotten? Da ich redetechnisch ein spontaner Mensch bin und ohne Überlegen das Erste sage, das mir in den Sinn kommt, fragte ich: «Warum nur stinkt dein Auto so schrecklich?» Mein Liebesleben reagierte leicht genervt und erklärte, dass er auch nicht wisse, von wo oder von was der üble Geruch stamme. So weit so gut.

Nun muss ich erklären, dass ich mein Liebesleben vor nicht allzu langer Zeit in einem Museum kennengelernt habe. Wir beide, etwas ältere Semester im Pensionsalter, fanden schnell heraus, dass wir ähnliche Interessen hatten, einer Beziehung nicht abgeneigt waren und stürzten uns wie zwei Teenager ziemlich schnell in diese Beziehung. Das war zwar prickelnd, die Schmetterlinge flatterten endlich wieder und das war wunderbar. Aber alles ging viel zu schnell und wir lernten unsere Macken, welche sich in den vielen gelebten Jahren angesammelt hatten, erst im Laufe der Zeit kennen.

Der Geruch hatte Zeit, sich zu entfalten, und ein oder zwei Tage später kostete mich das Einsteigen ins Auto bereits Überwindung. Mein Liebesleben wurde schon nach dem Öffnen der Tür mit dem Vorwurf bombardiert, das Auto würde immer noch «Gottsjämmerlich» stinken. Er reagierte nun eine Stufe missmutiger, denn der arme Kerl wusste ja auch nicht, woher der betörende Duft stammte. Aber da es sein Auto war, machte ich ihn heimlich für den üblen Geruch verantwortlich. Mein Liebesleben konterte nun schon etwas gereizter und meinte, es nütze nichts, wenn ich ihm den üblen Geruch jedes Mal beim Einsteigen unter die Nase reiben würde, es wäre halt einfach so. Die Erklärung, dass der Geruch aus der Ventilation käme, stiess bei mir auf keine grosse Akzeptanz, aber noch mehr Öl ins Feuer zu giessen, schien mir in diesem Moment keine Option.

Tage später – das stinkende Innenleben des Autos war schon vergessen – wieder diese Duftwolke, die uns schon beim Öffnen der Autotür entgegenkam, ähnlich dem Duft eines Stinktiers. Dessen Geruch kenne ich zwar nicht, aber ich stelle mir vor, dass er genauso übel sein muss. Und da war sie wieder, meine unvermeidbare Reaktion: «Puh, stinkt das bestialisch!» Die Reaktion kam postwendend und ich hätte eigentlich damit rechnen müssen, wäre ich nicht so schnell mit meinen Worten, die jeweils einfach aus mir herauspurzeln. Die ziemlich heftige Antwort meines Liebeslebens war jedoch so nicht zu erwarten gewesen. Denn er knurrte mich an und hätte damit sicher keinen Wettbewerb in Sachen Liebenswürdigkeit gewonnen. Deshalb schwieg ich. Sagte nichts, denn ich war mir bewusst, dass meine Bemerkung in diesem Moment kein Gehör fand und ich seine Reaktion als wenig liebenswert empfinden würde.

Ein paar Tage später teilte mir mein Liebesleben über WhatsApp stolz mit, dass er den Übeltäter gefunden hätte. Keine tote Maus, kein Stinkstiefel, nein es war ein Käse, der aus dem Einkaufskorb gefallen und unter den Autositz gerollt war, tagelang in der Hitze lag und langsam vergammelte. Nun hatte ich leider immer noch nichts aus der Geschichte mit dem Käse gelernt, und zwar, dass ich mich meinem Liebesleben gegenüber nicht spontan und ohne nachzudenken äussern darf. Denn ich schrieb als Antwort, dass ich nun wirklich froh sei, dass er den Übeltäter gefunden hätte, denn auf dem Weg ins Wallis – wir wollten am Wochenende für eine Woche in seine Ferienwohnung fahren – wäre der herrliche Duft schon eine Zumutung gewesen. Leider konnte ich es mir nicht verkneifen, ihn daran zu erinnern, dass er mich wegen meiner wiederholten Bemerkung, dass es stinke, nicht hätte anknurren müssen.

Meine Bemerkung, rasch hingeschrieben und unüberlegt wie üblich, stiess nicht auf das erhoffte Verständnis. Ich wurde postwendend aus der Ferienwoche ausgeladen. Mein Liebesleben wollte eine Auszeit von mir, einer Person, die es sich erlaubt hatte, ihn drei Mal auf den schlechten Geruch im Auto aufmerksam zu machen und ihm ausserdem noch vorhielt, angeknurrt worden zu sein. Allerdings hatte ich auch nicht erwartet, dass letztere Bemerkung ein solch schreckliches Verbrechen war, das es mit Liebesentzug zu bestrafen war. Also schrieb mir mein Liebesleben, dass wir uns erst nach Ablauf einer Woche wieder sehen würden. Nach dieser Woche fand ich dann meinen ganzen Krempel, welcher sich in den vergangenen Monaten bei ihm angesammelt hatte, vor meiner Haustür – zusammen mit meinem Velo und einer kurzen WhatsApp-Nachricht mit einem trockenen Adieu.

Mein Liebesleben hat sich aus meinem Leben verabschiedet. Und das Fazit aus dieser Geschichte: So ein Käse!

Liebe Leserinnen, liebe Leser

In der Rubrik «Post von …» veröffentlicht die Zeitlupe Inhalte, die ihr von unseren Leserinnen und Lesern zugesandt wurden. Es handelt sich folglich nicht um redaktionelle Inhalte, die Redaktion übernimmt deshalb auch keine Verantwortung für den Inhalt oder die Richtigkeit der Zuschriften. Sämtliche Texte müssen mit vollständigem Namen und der Adresse versehen sein. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften zu kürzen, zu bearbeiten oder sie nicht zu veröffentlichen. Sie führt darüber keine Korrespondenz. Danke für Ihr Verständnis.

Weitere Zuschriften unserer Leserinnen und Leser finden Sie hier.

Sie besitzen noch kein Abonnement der Zeitlupe?

Abonnieren Sie die Zeitlupe und lesen Sie alle unsere Artikel auch online.

Ich möchte die Zeitlupe abonnieren

Beitrag vom 08.10.2020
Das könnte sie auch interessieren

Post von...

Berührende Erzählung über Demenz

Regelmässig erreichen uns Zuschriften unserer Leserschaft. Heute: ein Text aus dem Buch «Nicht fragen, bitte» von Ruth Gygax.

Post von...

Leserbriefe – Der Traum vom ewigen Leben

Regelmässig erreichen uns Geschichten, Texte und Zuschriften unserer Leserinnen und Leser. Diese wollen wir Ihnen nicht vorenthalten. Heute: Gedanken und Überlegungen zum Longevity-Boom (Langlebigkeit).

Post von...

Blick zurück auf die Eltern

Regelmässig erreichen uns Geschichten, Texte und Zuschriften unserer Leserinnen und Leser. Diese wollen wir Ihnen nicht vorenthalten.  Heute: Glücksgruss aus dem Kinderwagen.

Post von...

Bergkristalle und Diamanten

Regelmässig erreichen uns Zuschriften unserer Leserschaft. Heute: ein Text aus dem Buch «Bergkristalle und Diamanten» von Charlotte Hochuli.