New York City 1974 und 2024

Regelmässig erreichen uns Geschichten, Texte und Zuschriften unserer Leserinnen und Leser. Heute: Karl Horats Reise über den grossen Teich – anno dazumal und fünfzig Jahre später.

50 Jahre nach meinem ersten Besuch in New York City ergab sich Ende März nochmals eine Stippvisite in diese Stadt. Back in Town Again – da war die Versuchung gross, sich nochmals vor den Washington Square Arch in Downtown Manhattan zu setzen – für ein vergleichendes «Früher/Heute» Foto.

Mit freundlichen Grüssen
Karl Horat


 New York City – heute und vor 50 Jahren 

Text: Karl Horat

1974: Ein Klassenkamerad von mir entdeckte das Charterflug-Angebot – eine Woche New York City, inklusive Aufenthalt im Hotel ‹Edison› im Herzen Manhattans – für 1500 Franken. «Da müssen wir hin!» beschied mir Markus: Dieser Trip würde uns beiden 21-jährigen für immer den Nimbus von Weit- und Weltgereisten verleihen. 

2024: Der Traum meiner Frau Tania sollte zu ihrem Geburtstag wahr werden (ihr «Ich war noch niemals in New York» war auszumerzen) – durch Einchecken in einem Hotel am berühmten Times Square. 

Karl Horat um 1974 und 2024 in New York

50 Jahre zuvor: Der Charterflug einer McDonnell-Douglas DC-10 der ONA (Overseas National Airway) führte uns von Zürich mit Zwischenstopp in Bangor/Maine USA – wo Einreiseformalitäten zu erledigen waren – zum Kennedy-Airport in New York, Ankunft spät nachts. Aufwachen im 26-stöckigen Hotelkasten in der «City, die niemals schläft». Hotelfrühstück gabs nicht für Pauschaltouristen, aber gleich das Café nebenan servierte American Breakfast. Dieses bestand aus Kaffee, Orangensaft, Bratkartoffeln, Spiegeleiern und gebratenem Speck. «How do you want your eggs, Sir?» – die Frage des Kellner (wie die Eier zubereitet sein sollten) traf uns unvorbereitet. Ein vom Nebentisch aufgeschnapptes «Easy over» wurde zu unserem Zugangscode (das Eiweiss über den Dotter gezogen). Wir hatten zu lernen, dass Amerika nicht weniger als zwölf Varianten kennt, um Spiegeleier zu braten. Die in der Schweiz übliche wäre wohl ein «Sunny Side up» – die Sonnenseite nach oben. 

Heutzutage: Es gibt nun Frühstück in New Yorks Touristen-Hotels, allerdings automatisiert und ohne Bedienung. Kaffee jeglicher Sorte, im Bedienungsfeld eines Hightech-Automaten angetippt, wird von dem augenblicklich nach Wunsch gebrüht. Alle Fruchtsäfte, Obstsalate, Käse, Konfi und Honig sind steril einzelverpackt, Einweg-Tellerchen und Plastik-Besteck ebenso. Die gekühlten Croissants und Brötchen sind vom Gast selbst im Durchlauferhitzer ofenfrisch zu backen: Welcome im Jahr 2024!

Es gab anno 1974 noch keine Infos aufs Handy; wir waren wie alle NYC-Touristen mit einem Stadtplan in der Hand ‹auf gut Glück› unterwegs. Es war ein abenteuerliches Hineintappen in eine spektakuläre neue Welt, ohne zu wissen, was uns erwartete – hinein in die Radio City Music Hall, oder in die NBC-Studios zum Beispiel. Ein Besuch per Schnelllift auf die Besucherterrasse des Empire State Building, mit 381 Metern damals noch das höchste Gebäude der Welt, war für ein paar Dollar zu haben. Heute – obwohl von weit höheren Wolkenkratzern überragt – kostet das 45 Dollar pro Nase. 

Damals wollten wir ein Steakhouse, das mit dem Aushang «All the beer you can drink incl.» warb, dahingehend testen, ob nicht nach etlichen Bierchen der Moment käme, wo es hiesse «Stopp! Genug jetzt!» Aber der kam nicht… 

Der Times Square, der Platz in Manhattans Zentrum umgeben von verspiegelten Fassaden zeigt heute mehr denn je spektakuläre Shows von gigantischen Reklameprojektionen. Ende März 2024 wurden wir da von einem Live-Openair-Auftritt des Latino-Stars Shakira überrascht. 

Greenwich Village, die Gegend mit dem Kleinstadtcharakter in Downtown Manhattan mit seinem Nachtleben, zog uns vor Jahrzehnten magisch an. Wussten wir doch, dass in den Musikbars hier, dem «Gaslight» oder dem «Bitter End» an der Bleecker Street nur ein paar Jahre zuvor künftige Weltstars wie Bob Dylan, Janis Joplin, Kris Kristofferson, Leonard Cohen oder Jimmy Hendrix ihre ersten Auftritte als noch Unbekannte hatten. Attraktiv war auch schon damals der riesige Central Park, wo am Sonntag hoffnungsvolle junge Bands für die flanierenden New Yorker aufspielten. 

Im Frühling dieses Jahres – in unserem doch schon etwas vorgerückten Alter – verlagerte sich das Interesse halt eher in Richtung der superben Museen, Bibliotheken, Kaufhäuser und von schönen Irish-Pubs. Parallelen zu früher tauchten aber laufend auf, mit Erinnerungen verbunden. Am Washington Square luden noch immer dieselben Bänke aus geschliffenem Stein zum Verweilen ein vor dem imposanten Triumphbogen zu Ehren des Staatsgründers George Washington (Foto). 

Tania stöberte am Flohmarkt an der 25th Street einen daumengrossen elfenbeinfarbenen Buddha auf, der sich bequem in meiner Hemdentasche transportieren liess. Viel schwieriger war es vor 50 Jahren gewesen: Als Mark in der angrenzenden Chinatown einen fast metergrossen, fülligen Buddha aus Porzellan entdeckte – und den unbedingt haben musste. Schon das Organisieren eines Kartons für den Transport desselben war nicht einfach. Auch nicht die Entgegennahme am Flughafen Kloten, als wir die Box, vom Förderband auf den Gepäck-Drehteller stürzend, aufzufangen suchten. Doch die Porzellangottheit im Karton blieb heil. Mark, wo immer ihr seid, du und dein NYC-Souvenir, hoffentlich: «Still goin› strong»! 

Glarner Stüggli

Buchcover von Karl Horat "Glarner Stüggli" Das Buch von Karl Horat ist eine kleine Hommage an die Leute im und aus dem Glarnerland, die seit jeher aus dem Wenigen das die Natur ihnen da bot – «gwehrig und gwirbig» – das Beste herauszuholen wussten. Oder die hinauszogen in die Welt, wo sie nicht selten Erstaunliches schafften.

linthverlag Glarus 2023, 111 S., ca. CHF 16.-

 

Beitrag vom 16.05.2024

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