Ein Leben lang hilfsbereit
Regelmässig erreichen uns Zuschriften unserer Leserinnen und Leser. Heute: Dieter Kröner erzählt von seiner Hilfsbereitschaft in jeglichen Lebenslagen.
Hallo Redaktion Zeitlupe
Erlaube mir ihnen eine Zusammenstellung meiner Lebenserfahrungen zu senden. Eventuell haben sie eine Verwendung dafür.
Freundliche Grüsse
Dieter R. Kröner
Meine lebenslangen Hilfeleistungen
Im Jahre 1954, während eines Ausflugs mit meinem neuen Tourenvelo an den Vierwaldstättersee: Ich habe irgendwo in einer Parkanlage am See übernachtet, eine Reisedecke musste reichen.
In aller Herrgottsfrühe wurde ich durch einen lauten Knall geweckt. Am Strassenrand hing ein Buick oder Dodge (Anm. d. R.: US-amerikanische Automarken) hinten rechts am Boden. Die Muttern hatten sich nach dem letzten Service gelöst. Ich war damals schon so, dass ich gleich meine Hilfe anbot. Als Karosseriespengler im zweiten Lehrjahr war es einfach, das Problem zu lösen. Im Auto wurde ab Werk gleich das nötigste Werkzeug mitgeliefert. Ich hob den Wagen an und konnte so das eingeklemmte Rad aus dem Radkasten befreien. Dank des grossen verchromten Raddeckels ging keine Mutter verloren. Und sogar die Gewinde waren noch brauchbar! Also montierte ich alles wieder fachgemäss und versorgte das Werkzeug wieder im Wagen. Der ältere Herr war voller Lob. So verdiente ich mir meinen ersten Fünffränkler – damals ein Spitzenlohn.
Im Jahre 1963, während eines Besuchs im Burgenland: Bei strömendem Regen sah ich auf einer langen Allee einem Fiat, der hinten links am Boden hing. Ein Schlauch konnte die schwere Last nicht mehr stemmen: Der Kofferraum war bis in die letzte Ecke mit grossen Weissweinflaschen gefüllt. Jede einzelne Flasche musste ausgeladen werden, damit man das Reserverad aus der Mulde heben konnte. Zum Glück war es intakt, so konnte ich schnell den Reifen wechseln und das Auto konnte wieder beladen werden. Alle waren tropfnass aber froh über die gegenseitige Hilfe.
Jahre später, auf dem Retourweg von den norwegischen Fjorden: Am Abend standen wir auf dem grossen, fast leeren Fährhafen in Helsingborg. Wir warteten den Morgen ab, für die Überfahrt nach Dänemark. Da kam ein aufgebrachter junger Vater mit seiner Tochter zu uns. Keine einfache Sache, schliesslich redeten wir unterschiedliche Sprachen. Es stellte sich heraus, dass er mit seiner Familie in einem Wohnwagen lebt, am Morgen aber dringend zur Arbeit musste. Vor dem Wohnwagen stand ein damals super moderner amerikanischer Pick up. Sein Problem: Der Schlüssel steckte im Zündschloss – die Türen waren zu. Ein Pannendienst war informiert, der konnte allerdings erst am nächsten Morgen kommen. Zum Glück hatte ich über all die Jahre stets einen Werkzeugkoffer dabei. Die Türscheiben lagen angepresst in der Dichtung. Wir suchten auf dem grossen Platz zunächst nach einem langen Draht und wurden tatsächlich fündig. Dann galt es, die Scheiben aus dem Gummi zu lösen, ohne dass es klirrt. Mit Fingerspitzengefühl klappte es. Ich klemmte die breite Backe eines Gabelschlüssels dazwischen und war auf alles gefasst. Zuerst versuchte ich eine Türe zu öffnen, was nicht ging, dann probierte ich von der anderen Seite den Schlüssel im Zündschloss zu drehen. Es war schon fast dunkel, da gelang das Unmögliche plötzlich. Alle waren überglücklich und fielen uns in die Arme. So konnte der Mann am morgen normal zur Arbeit fahren.
Im Jahre 1985, mitten in Wien auf einem Parkplatz: Eine Frau kommt auf mich zu, weil es in ihrem Kofferraum nach Benzin stank. Es stellt sich heraus, dass sich an ihrem alten Opel eine Leitung gelockert hatte. Auch ihr konnte ich helfen.
Es gäbe noch die eine oder andere Begebenheit, die ich mit den Jahren vergessen habe. Manchmal fragte ich mich, woran es liegt, dass ich immer wieder aus der grossen Menschenmenge für Hilfe ausgewählt wurde. Vielleicht war auch das alte, runde Signet des TCS, das stets an meiner Autofront glänzte, schuld daran. Aber auch in der Nachbarschaft habe ich gerne meine Hilfe angeboten. Für Fahrten ins Spital, zur Ärztin oder in die Therapie. In unserer Nachbarschaft lebte eine über 80-jährige Frau, die wir Omi nannten. Sie wohnte alleine in einer schönen grossen Wohnung. Als ihre beiden Kinder in den Ferien waren, schauten wir bei ihr vorbei – denn telefonisch war sie nicht zu erreichen. Gleich hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Das Omi lag quer auf dem Bett, war nicht ansprechbar. Die Ambulanz brachte sie ins Spital. Zwei Tage später konnte wir sie zwar besuchen und mit ihr reden. Der Arzt erklärte uns aber leider, dass sie vermutlich erblinden würde. In der Nacht darauf durfte sie dann ruhig unsere Welt verlassen.
So habe ich immer wieder vielen Menschen gerne aus einer Not geholfen. Heute bin ich 86 und froh wenn sich auch andere um mich kümmern und mir helfen. Letztes Jahr habe ich mein Auto verkauft und trotz aller guter ärztlichen Befunde freiwillig meinen Führerschein abgegeben. Nach 67 unfallfreien Jahren, vermisse ich das Auto keine Minute. Es ist im Leben stets wichtig, den richtigen Zeitpunkt für eine Änderung zu begreifen.