Natürlich ins Erdreich
Flechten gehört wohl zu den ältesten handwerklichen Tätigkeiten der Menschheit. Eine der wenigen in der Schweiz, die es noch beherrscht, ist Therese Leutwyler. In ihrer Werkstatt in Thun stellt sie unter anderem Urnen und Särge her.
Text und Video: Jessica Prinz
Ein beständiges Rascheln erfüllt die kleine Werkstatt in Thun, die sich Therese Leutwyler mit Werner Turtschi teilt. Die eingeweichten Weiden, die in der Folge zu Flechtwerken verarbeitet werden, bespielen den Raum mit einer feinen, regelmässigen Melodie, unterbrochen von einem gelegentlichen, pointierten Klopfen oder dem metallischen Klang eines abgelegten Werkzeugs. Ein kleines Konzert also, glücklicherweise nicht sonderlich laut, das die Entstehung der Flechtereien begleitet.
Dennoch liegt eine besondere Ruhe über dem Raum. Das liegt wohl auch daran, dass man Therese Leutwyler ihre Faszination für das Handwerk anmerkt. «Mit dem Interesse kommt das Herzblut, das Herzblut bringt Leidenschaft – und langsam muss ich aufpassen, dass aus der Leidenschaft nicht Fanatismus wird», sagt die Berner Oberländerin und lacht.
Es hat etwas Meditatives, der 61-Jährigen bei der Arbeit zuzuschauen und zu beobachten, wie die jungen Weiden, die zum Flechten maximal ein Jahr alt und somit schön geschmeidig sein sollten, sich ihren Weg nach oben schlängeln, bis sie zum Korb werden. Zum Stubenwagen, zur Sitzfläche eines Stuhles – oder zum Sarg oder der Urne.
Sargkünstlerin Alice Hofer kam mit dem Wunsch einer Kundin, einen geflochtenen Sarg herzustellen, auf Leutwyler und Turtschi zu und bat um einen Prototyp. Heute entstehen in deren Werkstatt regelmässig geflochtene Urnen und Särge. An Letzteren arbeiten Therese Leutwyler und Werner Turtschi gemeinsam, um möglichst in einem Tag mit dem Hauptwerk fertig zu werden. Zu aufwendig wäre es, die Weiden, die in feuchtem Zustand verflochten werden müssen, wieder in Wasser einzulegen und aufzuweichen, nachdem sie über Nacht getrocknet seien.
Einen geflochtenen Sarg erhält man ab 2000 Franken, was in Anbetracht der Handarbeit durchaus erschwinglich ist. Ihre Kundinnen und Kunden hätten meist selbst einen Bezug zum Flechten, kämen aus landwirtschaftlichen Berufen oder seien ganz einfach sehr naturverbunden, erzählt Therese Leutwyler. Da sei ein Flechtwerk als letzte Ruhestätte ideal – es werden dafür nämlich weder Metall, Leim, Farben oder Fremdstoffe verwendet. «Was entsteht, ist ein reines Naturprodukt.»
Gut zu wissen
Neben der Flechterei in Thun befindet sich ein kleines Flechtmuseum, wo Therese Leutwyler in Sonderausstellungen immer wieder Werke aus aller Welt zeigt, die sie zusammenträgt. Ein Besuch lohnt sich.
Alice Hofer hilft in vielen Belangen rund um die eigene Abdankung: ob formell, materiell oder spirituell.
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