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Wer zahlt für die annullierte Reise?

Eine Reise, ein Flug oder ein Anlass wurde verschoben oder ganz abgesagt: Juristin Cécile Thomi, Stiftung für Konsumentenschutz, befasst sich mit vielen Rechtsfragen, die in Zusammenhang mit Corona stehen. Hier erklärt sie, was uns in folgenden Fallbeispielen zusteht – und was nicht.

Aufgezeichnet von Roland Grüter

Beispiel 1: Die abgesagte Reise

Ich habe eine Reise gebucht, die abgesagt wurde. Habe ich Anspruch auf Rückerstattung?
Haben Sie die Reise bei einem Reisebüro gebucht, handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Pauschalreise (hier sind Reise und Unterkunft in einem Paket enthalten). Somit kommt das Pauschalreisegesetz zur Anwendung. Der Anbieter ist folglich verpflichtet, Ihnen ein alternatives Reiseprogramm anzubieten, falls möglich. Entspricht diese weitgehend der ursprünglich gebuchten Reise, müssen Sie diese Alternative akzeptieren. Die aktuelle Corona-Situation hat aber in den allermeisten Fällen wesentliche Vertragsänderungen zur Folge. Eine wesentliche Änderung liegt beispielsweise vor, wenn Ihnen anstelle der ursprünglich gebuchten Weinreise nach Frankreich eine Reise nach Nordschweden angeboten oder die Reise um mehr als drei Monate verschoben wird. Hier können Sie wählen, ob Sie diese Änderung annehmen wollen oder die Rückerstattung aller bereits getätigten Zahlungen zurückfordern möchten.

Beispiel 2: Die stornierte Reise

Ich habe eine Reise vor dem Lockdown des Bundesrates abgesagt, weil ich mich vor Corona fürchtete. Der Veranstalter sagt nun, ich hätte keinen Anspruch auf Rückerstattung des Geldes. Stimmt das? Eine Reiseversicherung habe ich nicht.
Wer einzig aus Vorsicht oder Angst eine Reise umbucht oder storniert, hat keinen generellen Anspruch auf kostenlosen Rücktritt vom Vertrag. In diesem Fall ist die Kulanz des verantwortlichen Reise- und Transportunternehmens entscheidend.

Beispiel 3: Der annullierte Flug

Ich hatte für April bei Swiss einen Flug gebucht und am Zielort ein Auto reserviert – ich konnte die Reise aber nicht antreten, weil der Flug storniert wurde. Muss ich mir das Geld nun ans Bein streichen?
Passagiere haben bei der Stornierung eines Fluges (gemäss europäischer Fluggastrechte-Verordnung) immer ein Recht auf Ticketrückerstattung oder auf eine alternative Beförderung. Sie sind folglich nicht verpflichtet, Gutscheine zu akzeptieren. Auf EU-Ebene sind jedoch Diskussionen im Gange, die Airlines bei coronabedingten Rückerstattungen zu entlasten – auch dies würde die Ansprüche der Passagiere einschränken. Stellt sich die für Ihren Flug verantwortliche Airline quer, wenden Sie sich an das Bundesamt für Zivilluftfahrt – am einfachsten per E-Mail unter passengerrights@bazl.admin.ch. Auf der Internetseite des BAZL finden Sie zudem viele weitere nützliche Informationen zum Thema.

Beispiel 4: Die Gebühren

Woran muss ich mit Blick auf Corona sonst noch denken?
Wird ein Anlass abgesagt, dann haben Sie grundsätzlich Anspruch auf volle Rückerstattung der Kosten – egal ob ein Konzert, ein Sportevent oder Sprachaufenthalt. Es kommt jedoch nicht selten vor, dass Anbieter ihren Kundinnen und Kunden bei Rückerstattung der Kosten eine Gebühr berechnen. Viele Anbieter sehen solche Gebühren bereits in ihren AGBs vor. Lassen Sie sich davon jedoch nicht beirren: Sie haben einen Rechtsanspruch auf volle Kostenrückerstattung. Allerdings kann man davon ausgehen, dass die Coronakrise auch Anbietern erheblichen, nicht vorhergesehenen Aufwand bereitet. Für diese zusätzlichen Aufwände sollten sie einen moderaten, verhältnismässigen Betrag in Rechnungen stellen dürfen. In komplexeren Situationen – ein Anbieter muss im Rahmen der Rückabwicklungen mit verschiedenen Vertragspartnern operieren – kann dieser Betrag allenfalls leicht höher ausfallen. Gebühren, die aber prozentual zum ursprünglich bezahlten Betrag berechnet werden, sind unverhältnismässig und ungerechtfertigt. Tipp: Prüfen Sie, ob Sie eine Annullationsversicherung abgeschlossen haben, die derartige Kosten übernimmt. Insbesondere bei Laufveranstaltungen ist das nicht ausgeschlossen.

Beispiel 5: Die abgesagte Schiffsreise

Ich hatte für Anfang Juni in der Türkei eine Schiffsreise gebucht und diese wegen der Pandemie-Situation vor Kurzem abgesagt. Nun will mir der Reiseveranstalter das Geld nicht zurückerstatten. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass er die Reise vor Ort wie vorgesehen durchführen kann. Dass ich gar nicht einreisen kann, lässt er als Argument nicht gelten. Wie soll ich mich verhalten?
Bleiben Sie unbedingt dran – und fordern Sie das Geld auf jeden Fall zurück. Sollte es sich um einen grösseren Betrag handeln, lohnt es sich allenfalls, sogar einen Rechtsanwalt beizuziehen, der sich in internationalen Rechtsfragen auskennt. Wenden Sie sich auch an Ihre Rechtsschutzversicherung, falls Sie eine solche besitzen. Denn: Sowohl nach Schweizer wie auch nach Europäischem Recht sollte hier eine klare Rückerstattungspflicht des türkischen Reiseveranstalters vorliegen. Schliesslich ist es Ihnen unmöglich, die Reise anzutreten, und zwar aus Gründen, die Sie nicht verschuldet haben (Einreisesperre Türkei). Und selbst wenn Sie in die Türkei einreisen könnten, könnte die Schiffsreise sehr wahrscheinlich nicht so durchgeführt werden wie geplant, aufgrund der coronabedingten Einschränkungen sowohl an Bord als auch an den Orten, an denen das Schiff Zwischenstopps eingelegt hätte.

Beispiel 6: Das verschobene Konzert

Ich wollte im April ein Konzert besuchen und habe mir dafür ein Ticket gekauft. Der Anlass musste wegen Corona verschoben werden. Nun bietet mir der Veranstalter im Herbst einen Ersatztermin an, der mir aber nicht passt: Habe ich Anspruch auf Rückerstattung des Preises?
Das neue Datum müssen Sie nicht akzeptieren. Passt Ihnen dieser Ersatztermin nicht, können Sie eine Rückerstattung verlangen. Wenden Sie sich dafür erst an jene Instanz, wo Sie das Ticket gekauft haben. Wollen Ihnen die Verantwortlichen keine Lösung anbieten? Dann kontaktieren Sie in einem zweiten Schritt den Veranstalter selber.

Beispiel 7: Das Halbtaxabo

Ich besitze ein Halbtaxabo der SBB. Da ich in Corona-Zeiten zu Hause bleiben musste: Habe ich Anspruch auf eine Vergütung?
Leider gehen ausgerechnet Halbtax-Besitzer leer aus: Sie haben keinen Anspruch auf Rückerstattung für die vielen Tage, in denen sie das Halbtax-Abo nicht nutzen konnten. Dasselbe gilt leider auch für Hunde-Generalabonnements und Ausflug-Abos.

Beispiel 8: Das GA

Wie steht es mit dem Generalabonnement (GA)?
Für GAs (auf dem SwissPass oder auf der blauen Karte) gilt: Die Inhaber erhalten pauschal 15 Tage entschädigt – als Zeichen der Kulanz. Die Kulanztage werden bei der Erneuerung des Abonnements automatisch angerechnet. Kundinnen und Kunden müssen also nicht selber aktiv werden. Barauszahlungen gibt es leider keine. Besitzerinnen und Besitzer des GAs auf der blauen Karte erhalten die Entschädigung automatisch per Post zugestellt, in Form eines RailBons. Der entsprechende Betrag kann danach beim Neukauf eines GAs eingesetzt werden. Voraussetzung – für diese nicht sehr kundenfreundliche – Entschädigung ist jedoch, dass das GA vom 17. März 2020 bis zum 10. Mai 2020 ununterbrochen gültig war. Wurde das GA nicht nahtlos verlängert, erhält man die Entschädigung nicht.

Beispiel 9: Das Jahresabo

Ich besitze ein Jahresabo eines Kulturbetriebes. Diverse Ausstellungen sind wegen der Corona-Pandemie aber ausgefallen. Muss ich das Geld, das ich dafür bezahlt habe, nun abschreiben, oder ist der Kulturbetrieb verpflichtet, mir das Geld zurückzuerstatten?
Sie haben für eine Dienstleistung bezahlt, die Sie nicht wie vorgesehen in Anspruch nehmen konnten. Daher besteht ein Anspruch auf Rückerstattung des nicht nutzbaren Teils Ihres Abonnements. Falls die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) etwas anderes vorsehen, was leider häufig der Fall ist, lohnt es sich trotzdem, hartnäckig zu bleiben. Derartige AGBs könnten unter Umständen gegen Schweizer Recht verstossen. Jedoch: Die momentane Situation ist für viele Kulturbetriebe existenzbedrohend. Deshalb sollte man allenfalls auch Alternativlösungen in Betracht ziehen. Falls Sie auch für das Folgejahr ein Abonnement lösen möchten, könnten Sie den Verantwortlichen beispielsweise vorschlagen, das neue Abo um jene Monate zu verlängern, die 2020 ausgefallen sind.

Beispiel 10: Die Rückerstattung

Ich gehöre zur Hochrisikogruppe und muss mich auch in den nächsten Monaten vor Corona schützen. Gelten für mich besondere Rückerstattungsregeln, wenn ich beispielsweise einem Gym-Besitzer ein ärztliches Zeugnis vorlege?
Eine direkte gesetzliche Regelung gibt es diesbezüglich nicht. Hier empfiehlt es sich unbedingt, mit den Verantwortlichen Kontakt aufzunehmen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Ein Arztzeugnis kann diesen helfen, Ihre Situation besser einzuschätzen und zu verstehen. Auch hier würde sich anbieten, dass beispielsweise ein Abo um die «Ausfallmonate» verlängert wird. Bei Veranstaltungen könnten Sie einen Gutschein mit langer Gültigkeitsdauer (mindestens zwei Jahre) vorschlagen. Idealerweise umfasst der Gutschein das Recht, dass Sie zu einem späteren Zeitpunkt den bezahlten Betrag für die ursprüngliche Veranstaltung zurückverlangen können – falls Sie den Gutschein für eine Ersatzveranstaltung doch nicht einlösen wollen.

Beispiel 11: Der verfallene Gutschein

Ein Gutschein ist abgelaufen. Ich konnte ihn aufgrund von Corona nicht einlösen. Ist das Geld nun verloren?
Gerade in Krisenzeiten ist es teils unmöglich, Gutscheine einzulösen. Anbieter sollen sich entsprechend kulant zeigen und eine Verlängerung des Gutscheins gewähren – nehmen Sie also mit dem Anbieter Kontakt auf. Im Übrigen ist es so, dass die meisten Gutscheine ohnehin eine zu kurze Gültigkeitsdauer vorsehen: Gemäss dem Schweizer Obligationenrecht verjähren Forderungen für kleinere Waren wie Spielsachen, Kleider, Bücher, Lebensmittel oder Restaurantbesuche erst nach fünf Jahren. Bei Gutscheinen für Reisen, Hotelübernachtungen oder Musicalbesuche beträgt die Verjährungsfrist sogar zehn Jahre. Diese Verjährungsfristen sind zwingend. Verweisen Sie auf diese Rechtslage, falls Ihnen ein Anbieter nicht selber die Hand reicht. ❋

Beitrag vom 15.06.2020
Cécile Thomi

 ist Juristin und seit fünf Jahren Leiterin Recht der Stiftung für Konsumentenschutz. Sie befasste sich lange Zeit fast ausschliesslich mit Fragen, in denen die Rechte der Konsumentinnen und Konsumenten coronabedingt eingeschränkt werden.
© Matthias Luggen