Seit drei Monaten steht Alain Huber Pro Senectute Schweiz als Direktor vor. Der bisherige Secrétaire romand, Leiter Fachthemen und Mitglied der Geschäftsleitung, kennt die Organisation seit über zehn Jahren.
Interview Usch Vollenwyder
Seit November 2019 sind Sie Direktor von Pro Senectute Schweiz. Was fasziniert Sie an dieser Aufgabe? Mich interessieren die Themen von Pro Senectute, ihr beeindruckendes Leistungsangebot an der Basis und die sozialpolitischen Herausforderungen. Darum freue ich mich sehr, in den nächs-ten Jahren diese Organisation mitzugestalten und meine Visionen und Wertvorstellungen in ihre Entwicklung einbringen zu können. Da ich mit meinen 55 Jahren schon fast zu ihrer Zielgruppe gehöre, kann ich auch bereits aus einer persönlichen Betroffenheit und meiner langjährigen Erfahrung als betreuender Angehöriger heraus an der Zukunft von Pro Senectute mitwirken.
Sie kennen die Organisation bereits sehr gut. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil? Ich kenne die internen Abläufe und weiss um die Stärken und Schwächen unserer Organisation – das ist sicher ein Vorteil. Dadurch steigt aber auch das Risiko einer gewissen Betriebsblindheit. Deshalb sind mir Mitarbeitende mit unterschiedlichen Sichtweisen ein wichtiges Anliegen, ebenso wie neue Kolleginnen und Kollegen, die ihre Aussensicht ins bestehende Team einbringen.
Pro Senectute bezeichnet sich als politisch neutral. Wie sieht das in Zukunft aus? Pro Senectute hat den Auftrag, sich für das Wohl der älteren Menschen einzusetzen. Um diesen Auftrag zu erfüllen, muss sie politisch aktiv sein können – ohne Parteipolitik zu betreiben. Als Fachorganisation für Altersfragen stützen wir uns vielmehr auf Fachwissen und Analysen. Unsere Fachgruppe Sozialpolitik erarbeitet dann Positionen und holt bei Bedarf in einer Vernehmlassung die Meinungen der kantonalen Organisationen ab. Dann erst treten wir mit unserer Haltung an die Öffentlichkeit.
Sie leiten weiterhin das Secrétariat romand in Vevey. Wie gehen Sie mit dieser Belastung um? Die Leitung des Secrétariat romand in Vevey und der Geschäfts- und Fachstelle in Zürich sind neu bei mir vereint und entfallen nicht mehr auf zwei Personen. Ich lebe und kenne beide Kulturen: Ich wuchs in Grenchen auf, meine Mutter kam aus Tavannes und mein Vater aus Zürich. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals nur eine Sprache gesprochen hätte. So kann ich problemlos auf die Anliegen und Forderungen aus der Romandie wie auch aus der Deutschschweiz eingehen. Das schafft Synergien und neue Ressourcen.
Welches sind die grössten Herausforderungen, denen Pro Senectute in Zukunft begegnen muss? Die Finanzen. Die Rahmenbedingungen für die Verhandlungen mit dem Bund sind strenger geworden. Wir müssen weitere Finanzierungsquellen finden: Wo können wir allenfalls Partnerschaften eingehen und wie uns auf dem Spendenmarkt besser positionieren? Wie müssen wir gegebenenfalls unsere Organisationsstrukturen anpassen und wo Einsparungen vornehmen? Und das alles möglichst ohne Leistungsabbau …
Früher galten andere Organisationen als Konkurrenz … … und bleiben es zum Teil immer noch. Zum Wohl der älteren Menschen ist die Zusammenarbeit mit Organisationen wie dem Roten Kreuz, der Spitex, mit der Alzheimervereinigung oder der Rheumaliga jedoch unabdingbar geworden. In einigen kantonalen Organisationen sind solche Kooperationen bereits vertraglich geregelt und institutionalisiert.
Die kantonalen Pro-Senectute-Organisationen sind autonom und arbeiten eigenständig. Wie weit macht Ihnen ein solch föderalistisches System Sorgen? Mein Herz schlägt für den Föderalismus und damit für niederschwellige Angebote vor Ort. Die Welt der alten Menschen wird ja immer kleiner. Sie reduziert sich auf ihr Dorf oder ihr Quartier, schliesslich auf ihre Wohnung oder ihr Zimmer. Da ist es wichtig und sinnvoll, dass die Angebote von Pro Senectute möglichst nah bei ihnen sind. Daneben gibt es viele organisatorische, administrative oder IT-Aufgaben, die zentral erledigt werden können. Diese Balance zwischen den Angeboten an der Basis und den zentralen Leistungen von Pro Senectute Schweiz zu finden, ist manchmal eine Gratwanderung.
Solche Umbrüche führen immer auch zu einer Verunsicherung. Wie gehen Sie damit um? Das Leben ist – unabhängig von Pro Senectute – unsicherer und schneller geworden. Was heute gilt, kann morgen schon überholt sein. Damit muss sich unsere Organisation auseinandersetzen. Das kann aber auch spannend sein: Fehler lassen sich schneller korrigieren und eine falsch eingeschlagene Richtung lässt sich leichter ändern. Immer wieder können wir prüfen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. Dafür müssen alle Betroffenen transparent und offen miteinander kommunizieren können. Offenheit und Transparenz im Team sind mir deshalb besonders wichtig.
Welches sind Ihre Visionen für die Zukunft? Ich stelle mir die Gesamtorganisation von Pro Senectute als Getriebe mit gut geölten Rädchen vor. Dazu braucht es unter allen Beteiligten eine gute Zusammenarbeit und gegenseitiges Vertrauen. Wichtig ist mir auch der Einbezug von Seniorinnen und Senioren in die Angebotsentwicklung. Und ich wünsche mir viele Freiwillige, die sich unter dem Motto «Gemeinsam stärker» in die Pro-Senectute-Familie einbinden lassen.
Woher nehmen Sie die Energie für Ihre Arbeit? Ich erachte meinen Job nicht als Arbeit, sondern viel mehr als Teil des Lebens. Meine Tätigkeit empfinde ich als grosse Bereicherung; daraus schöpfe ich meine Energie. Daneben interessiere ich mich für Filme, Sprachen, Bücher, Reisen und pflege soziale Kontakte. Der Ausgleich zur Arbeit ist für mich jedoch ganz klar die Freude, mit der ich sie ausübe. ❋
Alain Huber (55),
lic. phil. I., studierte an der Universität Genf Englisch, Spanisch und Politologie. Danach sammelte er Erfahrungen in verschiedenen Non-Profit-Organisationen, zuletzt als Geschäftsleiter des Schweizerischen Gehörlosenbunds SGB-FSS. Er absolvierte eine Ausbildung in Nonprofit Management und arbeitet seit 2009 bei Pro Senectute Schweiz; zunächst als Secrétaire romand und Mitglied der Geschäftsleitung, seit November 2019 als Direktor. Alain Huber lebt in einer Partnerschaft und wohnt in Zürich. Pro Senectute Schweiz, Lavaterstrasse 60, 8027 Zürich, Tel. 044 283 89 89, Mail info@prosenectute.ch, prosenectute.ch
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