Das neue elektronische Organspenderegister ist für Fachleute im Todesfall einsehbar. Den wichtigen Entscheid, Spenderin oder Spender zu werden, nimmt es aber niemandem ab.
Elektronische Datensammlungen oder -register speichern immer mehr Bereiche des täglichen Lebens ab und erleichtern die Suche nach entsprechenden Informationen. Mit wenigen Computerklicks lässt sich so nach vermissten Haustieren fahnden, Handelsunternehmen abfragen oder medizinische Eingriffe festhalten.
Seit dem vergangenen 1. Oktober verfügt die Schweiz nun auch über ein elektronisches Organspenderegister. Diese Datenbank ist eine zeitgemässe Alternative zur papierenen Organspendekarte und erleichtert die Administration für alle betroffenen Institutionen beträchtlich. Vor allem aber kann es Leben retten. Denn der elektronische Eintrag ins zentrale nationale Register bietet gegenüber Karten und Handy-Apps den grossen Vorteil, dass der Entscheid einer potenziellen Spenderin oder eines Spenders jederzeit auffindbar ist. Karten können an Orten hinterlegt sein, wo sie niemand findet; ein Portemonnaie oder ein Handy kann bei einem Unfall verloren gehen.
Die Fakten aus dem Spitalalltag sind dementsprechend ernüchternd. «Nur knapp zehn Prozent der Patientinnen und Patienten, die einen Hirntod erleiden und als Spenderinnen oder Spender in Frage kommen, tragen bei der Einlieferung ins Spital eine Organspendekarte auf sich», erläutert Christoph Haberthür, Chefarzt Intensivmedizin an der Klinik Hirs landen in Zürich und Vizepräsident der Stiftung Swisstransplant.
SICH IM ORGANGSPENDEREGISTER EINTRAGEN – SO FUNKTIONIERTS
❱ Auf www.swisstransplant.org online registrieren, das Datenblatt ausdrucken, unterschrieben per Post Swisstransplant schicken oder einscannen und hochladen.
❱ Man kann aber auch eine Kontaktstelle (Spital, Arztpraxen) aufsuchen und dort den Eintrag vornehmen.
❱ Das Formular enthält persönliche Basisdaten, eine Kopie eines gültigen Ausweises sowie den Entscheid (ja oder nein) für die Organspende bzw. für Forschungszwecke. Zudem besteht die Möglichkeit für eine freiwillige Mitteilung an Angehörige.
Im Fall der übrigen neunzig Prozent potenziellen Organspenderinnen und -spender müssen die nächsten Angehörigen befragt werden, ob sie den entsprechenden Willen der Verstorbenen kennen. Mit dieser Frage sind die meisten Angehörigen jedoch total überfordert. Denn sie wissen sehr oft nicht, welche Haltung die verunglückte Person bezüglich der Organspende vertreten hat – in vielen Familien wird nicht darüber gesprochen. Zudem befinden sie sich in einer Extremsituation und unter gewissem Zeitdruck.
Aus Angst, ethisch etwas falsch zu machen, oder weil unter den Hinterbliebenen Uneinigkeit herrscht, kommt es schliesslich zu keiner Organspende. Im Klartext: In mehr als der Hälfte der Fälle lehnen die Angehörigen eine Organspende ab. Selbst dann, wenn die verstorbene Person ihre Organe oder Gewebe zur Verfügung gestellt hätte. Und selbst dann, wenn sich diese für eine Spende eignen würden. Das hat fatale Konsequenzen, weil in unserem Land viel weniger Organe gespendet werden, als gebraucht würden. 1478 junge und alte Menschen befanden sich Ende 2017 auf der Warteliste für eine Organtransplantation. 75 starben, bevor es dazu kam.
Der freiwillige Eintrag ins Register erfordert keine ärztliche Abklärung, ist jederzeit widerruf- und abänderbar und kann nur von medizinischen Fachpersonen unter klar definierten Voraussetzungen eingesehen werden. Ihren Willen kundtun können auch Personen mit gesundheitlichen Problemen; vor einer Entnahme werden potenzielle Spenderorgane auf ihre medizinische «Tauglichkeit» geprüft. Manche ältere Menschen würden sich auch deshalb nicht mit der Frage der Organspende befassen, weil sie meinen, zu alt dafür zu sein, berichtet Christoph Haberthür, Vizepräsident von Swisstransplant. «Es gibt keine Altersbegrenzung», betont er. Der älteste Spender einer Niere in der Schweiz sei 88-jährig gewesen. Grundsätzlich spiele weniger das Alter der spendenden Person eine Rolle, sondern vielmehr der Zustand ihrer Organe. Es verstehe sich, dass die Organe älterer Menschen meistens nicht gleich aussehen wie die von jüngeren Menschen. Deshalb transplantiere man die Organe von älteren Spendern wiederum eher älteren Empfängern, ergänzt der Intensivmediziner.
Weiterleben nach dem Tod
Eines der Kriterien für die Organspende ist der Tod des Patienten, definiert als irreversibler Funktionsausfall des gesamten Grosshirns, Kleinhirns und Hirnstamms. «Die hirntoten Organspender haben in den meisten Fällen eine unmittelbare Schädigung des Gehirns erlitten, einen Schlaganfall, eine Blutung, einen Unfall – eine isolierte Störung des Kopfs, während die übrigen Organe oft unversehrt bleiben. Bei schlechter Prognose wird die Therapie – unter anderem die Beatmungsmaschine – abgestellt beziehungsweise bis zur Organentnahme aufrechterhalten», sagt Christoph Haberthür.
Die Entscheidung, ob man bei einem plötzlichen Hirntod seine Organe und andere Körperteile anderen Menschen für ihr Weiterleben zur Verfügung stellen möchte, wird einem mit dem Eintrag ins Register nicht abgenommen. Aber dieser freiwillige Eintrag schafft ohne grossen Aufwand Klarheit über den Wunsch eines verstorbenen Menschen und entlastet seine Verwandten wie auch das medizinische Personal in einer schwierigen Situation. Gemäss einer Demoscope-Umfrage von 2015 sind 85 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer der Organspende gegenüber positiv eingestellt. Die Wahrscheinlichkeit, einen plötzlichen Hirntod zu erleiden und wirklich Organe zu spenden, ist dagegen verschwindend klein.
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