Die englische Sportfotografin Alex Rotas zeigt mit ihren Bildern ein positives Altern – und sagt, weshalb sie für die Zeitlupe in Tampere keine runzligen Hände fotografieren wollte.
Interview: Fabian Rottmeier
Aus Spass begannen Sie mit 60 Jahren, ältere Menschen beim Sport zu fotografieren – weil es davon keine Bilder gab. Was bewundern Sie an ihnen?
Enorm vieles! Ihre Freundschaft, ihr Sportsgeist, ihre Hingabe oder ihr unerbittlicher Trainingsfleiss. Sie sind wandelnde Sportwissenschaftler, die ihre Körper genau kennen und noch immer an ihre Leistungs- und Schmerzgrenzen gehen. Sich mit anderen zu messen, ist für viele der grösste Reiz. Und fast überall wird über Verletzungen geredet. Das verbindet!
Welches ist – mit 13 Jahren Erfahrung – Ihre wichtigste persönliche Erkenntnis?
Dass diese Athletinnen und Athleten keine Supermenschen sind. Auch sie werden krank, haben Krebs und erleiden Schlaganfälle. Aber ihre beeindruckende Einstellung unterscheidet sie von vielen anderen: Gesundheitliche Probleme sind für sie nichts weiter als Hürden, die es zu meistern gilt, damit sie wieder tun können, was sie so lieben – Leistungssport.
Weshalb hat es Ihnen die Leichtathletik besonders angetan?
Beim Tennis kann man mangelnde Fitness mit seinen Schlägerkünsten kaschieren. Das kann man bei Sprints, Hoch- oder Weitsprüngen, ganz ohne Hilfsmittel, nicht. Die Tenüs sind zudem sehr eng und knapp und damit auch altersbetonend. Als Fotografin ist diese rohe Physis spannend. In der Totale versuche ich bei Läufen, die bemerkenswerte Schrittlänge zu zeigen. Auch die Leichtathletik war lange bloss Männern vorbehalten. Viele verbinden Sport noch immer mit Männlichkeit. Meine Fotos stellen diese veralteten Ansichten in Frage und sollen ein Image des positiven Alters schaffen.
Sie fokussieren meist auf den Oberkörper und das Gesicht. Weshalb?
Weil ich so die Aufmerksamkeit auf die Emotionen und die Konzentration lenken möchte. Und ich will klarstellen: Hier treibt eine alte Person Sport. Sie mag wohl mehr Falten als üblich haben, weil sie sich häufig dem Tageslicht aussetzt, aber: Sie umgibt trotzdem etwas Jugendhaftes.
Sie haben die Fotos zum Zeitlupe-Artikel gemacht, wollten aber keine Nahaufnahmen der Hände erstellen – aus ethischen Gründen.
Für mich sind solche Detailfotos eine billige Art, Menschen auf ihr Alter zu reduzieren. Das unterstütze ich nicht. Achten Sie einmal darauf, wie häufig Medienartikel rund ums Thema Alter mit runzligen Händen bebildert werden. Das ist doch beleidigend! Alte Menschen werden so entpersonalisiert und pauschalisiert.
Was sollen Ihre Fotos auslösen?
Ich versuche, eine kognitive Dissonanz herzustellen. Bei Leichtathletik-Kleidern geht man zuerst automatisch von einer jungen Person aus – und schaut dann überrascht ein zweites Mal hin. Die Fotos zeigen, wozu auch ein alter Körper imstande ist. Auch Fachpersonen der Pflege, Medizin und Altersbetreuung möchte ich inspirieren: Seht her, auch mit einer neuen Hüfte lässt sich noch ein Halbmarathon laufen!
Man ist für fast nichts zu alt, so Ihre visuelle Botschaft.
Genau. Wir schränken uns oft unnötig selbst ein. Wir sollten die Altersstereotype ständig hinterfragen. Als mir die legendäre Multirekordhalterin Olga Kotelko erzählte, dass sie mit 77 Jahren mit Leichtathletik begonnen habe, habe ich gelacht. Nachträglich tat mir das leid. Weshalb sollte sie auch nicht? Sie sollte noch fast 20 Jahre Leistungssport vor sich haben! Die Paralympischen Spiele zeigen, dass sportliche Höchstleistungen auch mit Einschränkungen möglich sind. Gleiches sollten wir auch Seniorinnen und Senioren zugestehen. Ich sehe meine Arbeit als kleinen Beitrag dazu. Ich möchte das Alter feiern.
- Alex Rotas (73) ist eine Fotografin aus Bristol, die sich nach ihrer Pensionierung als Universitätsdozentin auf Seniorensport-Fotos spezialisiert hat. Ihre Aufnahmen zum Schwerpunktartikel dieser Ausgabe entstanden im Auftrag der Zeitlupe. Sie setzt sich als selbsternannte Aktivistin für ein positives, aktives Alter ein – auch als Rednerin und Schreiberin. Infos und Bilder: alexrotasphotography.co.uk
© Alex Rotas
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