Wie der Biber kommt der Fischotter allmählich in die mitteleuropäischen Gewässer zurück. Auch in der Schweiz, wo längst viele Gewässer verbaut sind, findet sich der scheue Wassermarder offenbar langsam wieder ein.
In den 1990er-Jahren, als der letzte Fischotter aus der Schweiz verschwunden war, sahen die Aussichten für sein Überleben in Mitteleuropa düster aus. Er war längst stark dezimiert worden, denn im 19. Jahrhundert forderte man die Ausrottung dieser und anderer als «Fischräuber» verfemten Tiere. Gleichzeitig wurden mehr und mehr Gewässer verbaut und begradigt, wodurch sich die Lebensbedingungen für die Fischotter und für die Fische gleichermassen verschlechterten. Dann erreichten auch Umweltgifte wie PCB bedenklich hohe Konzentrationen in den Gewässern. Die sehr beständigen Pestizide, die seit etwa den 1950er- und 1960er-Jahren eingesetzt wurden, reicherten sich in den Fischen an und beeinträchtigten wahrscheinlich die Gesundheit und Fortpflanzungsfähigkeit ihrer Beutegreifer, der Fischotter.
Doch nun, einige Zeit nach der Jahrtausendwende, hat sich die Situation ganz offensichtlich zum Guten gewendet. Die Wasserqualität ist wesentlich besser geworden, und in verschiedenen Ländern des westlichen Europa breitet sich der Fischotter allmählich wieder aus. Aus Österreich, wo sie bereits verbreitet vorkommen, gelangen Fischotter über den Fluss Inn in die Nähe der Schweiz, aus Frankreich kommen sie von der Rhone her.
Seit im Jahr 2009 ein Fischotter überraschend in einer Fischtreppe des bündnerischen Kraftwerks Reichen au aufgetaucht war, mehrten sich Beobachtungen, so etwa im Tessin, in Chamonix, an der Berner Aare, wo es bereits mehrmals Nachwuchs gab. Auch im Engadin tappte ein Fischotter in die Fotofalle. Bis 15 Otter könnten derzeit in der Schweiz leben, schätzt die Wildbiologin und Fischotterspezialistin Irene Weinberger. Ein vielversprechender Anfang für die lebhaften Tiere, die zurückgezogen leben und schwierig zu beobachten sind.
Die Fischotter sind hervorragend an ein Leben im und am Wasser angepasst, und doch zeigen einige ihrer Eigenschaften die nahe Verwandtschaft zu den landlebenden Mardern und Wieseln. Wie es typisch ist für die Marderverwandtschaft, sind die Fischotter sehr quirlig und bewegungsfreudig, oft geradezu verspielt bis ins Erwachsenenalter. Der Drang dieser possierlichen Tiere nach Aktivität ist allgemein hoch, denn sie haben einen hohen Energieumsatz und müssen daher stetig Beute erlegen. Meist sind dies Fische, die sie in seichteren Gewässerbereichen schwimmend und tauchend überwältigen können. Im tieferen Wasser der Seen erreichen sie die Fische nicht, weshalb Berufsfischer auf dem See den Otter nicht als Konkurrenten fürchten müssen.
Im Wasser kommen die Fischotter dank stromlinienförmiger Gestalt und kräftigem Ruderschwanz schnell voran. Die kurzen Gliedmassen sind ebenfalls kraftvoll, wobei die breiten Pfoten Schwimmhäute tragen. Der flache Kopf trägt an der Schnauze zahlreiche Tasthaare, mit denen der Fischotter selbst feinste Bewegungen im Wasser feststellen kann. Er jagt zwar vor allem auf Sicht, doch der feine Tastsinn hilft ebenfalls, Fische und andere Beutetiere zu orten. Taucht er zum Jagen unter, so verschliesst der Otter Nase und Ohren, während sich die kleinen Augen extrem Wie rasch an die veränderten Sichtverhältnisse unter Wasser anpassen. Letzteres ist für den flinken Jäger sehr wichtig, denn die Distanz zu einem Beutetier muss er genau erfassen können.
Nur selten wird man einem der weitgehend nachtaktiven Fischotter begegnen, weshalb auch sein Vorkommen oftmals kaum auffällt. Die Tiere leben einzelgängerisch und damit recht weit verstreut, in grossen Territorien entlang eines Gewässers, worin sie ihren Nahrungsbedarf decken können. Im typischen Fall werden Flüsse mit naturnaher, bewachsener Uferzone besiedelt, in der die Wassermarder genügend Nischen und Verstecke finden, um sich zum Ruhen zurückzuziehen. Wo die Ufer dicht mit Steinen verbaut oder gar zubetoniert sind, können sie keine Unterschlupfe mehr finden, und allzu stark vom Menschen frequentierte Gebiete meiden sie.
Vor allem in kalten Winterzeiten müssen die Fischotter ausserordentlich viel Nahrung aufnehmen, um ihren Energiebedarf zu decken – schätzungsweise bis 15 Prozent ihres Körpergewichts täglich. Wird es damit knapp, kann dies viele Otter das Leben kosten. Im Gegensatz etwa zu den Meeres-Robben setzen Fischotter praktisch kein Körperfett unter der Haut an, wovon sie in knappen Zeiten zehren könnten. Vor der Kälte und Nässe schützt sie ihr extrem dichtes Fell. Mit rund 70 000 Haaren pro Quadratzentimeter hält dieses ein Polster feinster Luftkämmerchen fest und isoliert dadurch hervorragend. Otterfell war deshalb einst als hochwertiger Pelz begehrt und mit ein Grund für die gnadenlose Verfolgung dieser Tiere.
Der Otter
Otter kommen weltweit in 13 Arten vor und sind mancherorts sehr gefährdet. Im asiatischen Stadtstaat Singapur waren diese Wassermarder verschwunden, doch seit einigen Jahren sorgen dort Familiengruppen von Weichfellottern für Aufsehen. Die possierlichen Tiere zeigen sich mit ihrem Nachwuchs ohne Scheu in der mit vielen Grünanlagen versehenen Stadt, schwimmen im Hafen und begeistern die Bevölkerung. Sie scheinen sich an den Menschenmassen nicht zu stören.
Mehr Infos bei Stiftung Pro Lutra, www.prolutra.ch. Irene Weinberger, «Der Fischotter. Ein heimlicher Jäger kehrt zurück», 2018, Haupt-Verlag, CHF 48.00.
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