Die Eichhörnchen sind im Herbst sehr beschäftigt. Sie sammeln Nüsse und Samen, um sie an geeigneten Stellen zu vergraben oder in Nischen zu verstecken. Von diesen energiespendenden Vorräten können sie im Winter leben.
Text: Esther Wullschleger-Schättin
Haselsträucher scheinen Eichhörnchen sehr anzuziehen, wenn die Nüsse gegen den Herbst hin reifen. So raschelt es in dieser Jahreszeit häufig im Haselbusch des Gartens, und ein paar der Äste bewegen sich, bis ein Köpfchen zwischen den Blättern auftaucht oder der weisse Bauch des Tieres aufblitzt. Mit bemerkenswerter Kletterkunst erreicht das Hörnchen die äussersten Zweige, erntet die Nüsse kopfunter hängend, oder es bewegt sich flugs zum nächsten Strauch. Es ist nicht nur auf energiespendende Nahrung angewiesen, es muss noch dazu Vorratsdepots für den kommenden Winter anlegen.
Behände und rasend schnell
Die Eichhörnchen besiedeln natürlicherweise Misch- und Nadelwälder mit älteren Baumbeständen, in denen sie genügend Baumsamen, ihre Hauptnahrung, finden. Meist halten sich die flinken und geschickten Kletterer in den Baumkronen auf. Ebenso behände flitzen sie aber den Stamm hinauf oder herunter, wobei die langen, scharfen Krallen an den glatten Baumstämmen Halt geben. Wie andere Baumhörnchen können sie die Hinterfüsse beim Abwärtsklettern nach hinten drehen, sodass sie gewissermassen an den Krallen der Hinterfüsse hängen und dadurch besonders guten Halt finden. So entkommen die putzigen Tierchen, rasend schnell um den Stamm kreisend oder im Geäst umherflitzend, Beutegreifern wie dem Habicht oder dem Baummarder.
Am Boden eher unbeholfen
Eichhörnchen können auch in naturnahen Parkanlagen mit einem genügend grossen, älteren Baumbestand leben – vorausgesetzt, der städtische Lebensraum ist nicht völlig isoliert von anderen Eichhörnchenstandorten. Im Siedlungsraum sind die Nager etlichen Gefahren ausgesetzt, etwa dem Strassenverkehr oder auch Elektroleitungen. Katzen machen Jagd auf die Hörnchen, wenn sich diese doch einmal auf offenes Land vorgewagt haben, um einen isolierten Nussbaum zu erreichen. Mit den langen Hinterbeinen, die ihnen in der Höhe der Baumkronen eine grosse Sprungkraft verleihen, bewegen sich die Eichhörnchen am Boden eher unbeholfen in kurzen Sprüngen vorwärts. Sie können nicht besonders schnell rennen und bringen sich vor einer Katze nur in Sicherheit, wenn sie es rasch genug auf den nächsten Baum oder Busch schaffen.
Da nutzen die Hörnchen lieber Kletterstrukturen, die sich im Siedlungsraum bieten, und flitzen etwa auf einem Holzzaun vorbei. Es ist schon vorgekommen, dass ein Exemplar das Schrägdach eines Wohnhauses als «Route» für sich entdeckt hat. Es kehrte dann immer wieder vom Haselstrauch über dieses Haus hinweg zum nächsten Zaun und auf diesem zu seinem Wald zurück.
Vorräte für den Winter
Viele Nüsse und Samen werden von den Eichhörnchen nur weggetragen und nicht sofort verzehrt. Die haltbare Nahrung wird gesammelt und an verschiedenen Stellen vergraben oder verborgen. Das Anlegen und später möglichst schnelle Wiederfinden dieser Wintervorräte ist eine besondere Herausforderung für die Eichhörnchen und fordert ihnen ein ausgezeichnetes Raumgedächtnis ab. Bei den amerikanischen Hörnchen hatte sich sogar gezeigt, dass ihr Gehirnvolumen während der intensiven Sammelzeit im Herbst leicht anwächst. Manche Depots gehen dennoch «vergessen» oder werden von den Hörnchen nicht mehr genutzt. Die im Boden verbliebenen Samen keimen gelegentlich, und so sorgen Eichhörnchen, wie auch Häher und andere Vögel, die solche Vorräte anlegen, mit für die Ausbreitung der Bäume.
Die stets klettertüchtigen Eichhörnchen halten keinen Winterschlaf und legen kaum Winterspeck zu, sind aber durch ein dichtes Winterfell vor der Kälte geschützt. Sie überdauern die kalte Jahreszeit grösstenteils in ihrem Nest, dem hoch oben in einem Baum angelegten Kobel. Das kugelförmige, mit Moos, Blättern und Gras weich ausgepolsterte Eichhörnchennest aus Zweigen ist gut isoliert. Eng zusammengerollt ruht das Eichhörnchen darin und nutzt den buschigen Schwanz, der es fast vollständig bedecken kann, als isolierende «Wärmedecke». Nur zur Nahrungssuche verlässt es jeweils kurz das Nest, wenn das Wetter nicht allzu garstig ist. Bereits im Januar oder Februar beginnt die Paarungszeit, und die ansonsten einzelgängerischen Tiere sind dann oftmals in wilde Verfolgungsjagden verstrickt. Im Frühling bringen die Weibchen bis etwa sechs Junge in ihrem Kobel zur Welt, die sie alleine aufziehen.
Es kommt immer wieder vor, dass aus dem Nest gefallene junge Eichhörnchen aufgefunden werden, vielleicht weil ihre Mutter verunglückt ist oder der Baum gefällt wurde, wenn man den Kobel darauf übersehen hatte. Die hilflosen Jungtiere sind äusserst diffizile Pfleglinge, und es ist deshalb sehr wichtig, sich für die Notversorgung schnell an geschulte Fachpersonen zu wenden. Auch die Aufzucht und die anschliessende Auswilderung der jungen Hörnchen gehören in professionelle Hände, am besten in die Obhut einer darauf spezialisierten Eichhörnchenstation. ❋
Das europäische Eichhörnchen kommt in ganz unterschiedlichen Farbschattierungen vor. So leben neben den typischen fuchsroten auch dunkelbraune bis gar braunschwarze Eichhörnchen in der Schweiz. Weshalb sie oberseits so unterschiedlich gefärbt sind, ist nicht ganz klar, doch scheinen in höheren Berglagen, wo es kühler ist, eher dunkle Tiere zu leben. Die dunklen Farbvarianten sind nicht zu verwechseln mit dem in England, Irland und Italien eingeführten nordamerikanischen Grauhörnchen, welches das europäische Eichhörnchen gefährdet. Dieses ist hell gräulich gefärbt, etwas grösser und kräftiger gebaut, wobei die typischen Pinselohren des Eichhörnchens im Winterkleid fehlen.
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