Wer sich online bewegt, macht schnell Bekanntschaft mit Algorithmen. Doch was ist das genau?
Manchmal hat man das Gefühl, Teil eines grossen Experiments zu sein. Was hinter den Kulissen der digitalen Welt geschieht, entzieht sich uns Normalsterblichen. Unser Verhalten wird online durch unsichtbare Bahnen gesteuert. Wir bezahlen mehr oder im glücklicheren Fall weniger für ein auf einer Website bestelltes Produkt als unsere Nachbarin. Die Frage ist nur, warum.
Verschiedene Faktoren sind bestimmend für unseren Preis wie zum Beispiel unsere Online-Vorgeschichte, die in sogenannten Cookies gespeichert ist. Wer sich einmal für ein Produkt interessiert hat und später wiederkehrt, macht oft Bekanntschaft mit einem höheren Preis. Aber auch Informationen über früher gekaufte Dinge wirken sich preisgestaltend aus. Darum lohnt es sich, regelmässig die Cookies im Browser (Safari, Google Chrome, Firefox etc.) zu löschen.
Was aber geschieht, wenn Sie sich als Neukundin zum Beispiel für eine Versicherung interessieren? Auch hier setzen Anbieter auf sogenannte Algorithmen, diese sind weniger auf Sie direkt bezogen, sondern auf Personen, die Ihnen ähnlich sind. «Wie viel man zahlt, ist bei der ersten Einstufung nicht vom persönlichen zukünftigen Verhalten abhängig, sondern nur davon, wem man ähnelt und wie sich diese anderen in der Vergangenheit verhalten haben. Bei Autoversicherungen wird so das finanzielle Risiko auf alle Personen in der gleichen Klasse verteilt», schreibt Prof. Katharina Zweig in ihrem Buch «Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl».
Algorithmus? Wie Katharina Zweig andeutet, hat dieser nichts mit Rhythmus am Hut, und deshalb spricht man auch von «Algorithmus» und nicht von «Algorüthmus». Der Algorithmus ist ebenso wenig verwandt mit dem Logarithmus. Wo gehört er dann hin? Der Begriff soll auf einen arabischen Gelehrten namens Al-Chwarizmi zurückgehen, der im 9. Jahrhundert ein mathematisches Lehrbuch verfasst hat. In einer späteren Übersetzung wurde dessen Name an vermeintliche Wurzeln aus dem Lateinischen oder Altgriechischen angepasst, schreibt Katharina Zweig. Doch was ist ein Algorithmus? «Algorithmen sind nichts weiter als festgelegte Handlungsanweisungen, um klar definierte mathematische Probleme zu lösen», sagt die Fachfrau. Diese Handlungsanweisung muss in Computersprache programmierbar sein, damit der Computer die eingegebene Information auch korrekt auswerten kann und ein entsprechendes Resultat liefert.
Das tönt kompliziert, muss es aber nicht sein. Den sogenannten «Einfüge-Algorithmus» kennen alle Jass-Freunde: «Man beginnt mit einer Karte auf der Hand und sortiert jede neu aufgenommene Karte dann in die schon auf der Hand befindlichen korrekt ein», erklärt Katharina Zweig.
Es gibt auch Komplexeres wie Empfehlungsalgorithmen, wie man ihnen auf Netflix oder Amazon begegnet. Dort sehen die Vorgaben anspruchsvoller aus, was auch zu Fehlern führen kann. Wenn zum Beispiel aufgrund einer fehlerhaften Berechnung Hypotheken nicht mehr erneuert werden und Familien gezwungen sind, aus ihrem Eigenheim auszuziehen. Empfehlungsalgorithmen führen aber auch dazu, dass auf sozialen Netzwerken «fake news» ihre passenden Empfänger finden, was die Grundfesten unserer Demokratie gefährden kann. Also alles nur übel? Keineswegs. Die künstliche Intelligenz ist dem Menschen in vielen Situationen überlegen, beispielsweise in der Krebsforschung. Fachärzte können zwar auf Bildern unerwünschte Hautveränderungen erkennen, doch ist ihre Fehlerquote bei der Einordnung von gutartigen Erscheinungen fast doppelt so hoch, wie wenn entsprechend trainierte Algorithmen die Analyse vornehmen. In diesen Momenten leistet künstliche Intelligenz lebensrettende Arbeit.
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