Raus aus der Komfortzone! Wir probieren neue Dinge aus. Diesmal: Zeitlupe-Redaktor Fabian Rottmeier wagt sich in optisch zweifelhaften Schuhen in die Öffentlichkeit – seiner Gesundheit zuliebe.
Als ich meiner Physiotherapeutin erzähle, dass ich Barfussschuhe gekauft habe, sieht sie mich leicht besorgt an: «Solche mit Zehentrennern?» – «O Gott, nein!», antworte ich. «Alles hat seine Grenzen.» Schliesslich sind Barfussschuhe auch ohne Zehenfächer schon hässlich genug. Aber sind das nicht auch fast alle Trekkingschuhe, ohne dass jemand davon spricht?
Eine Sportverletzung hat mich auf die Idee gebracht, Barfussschuhen eine Chance zu geben. Ein sogenannter hinterer Fersensporn führte beim Tennis zu einem Knochenabriss. Die daraus resultierende Physiotherapie macht zu Beginn eines offensichtlich: An meinen Plattfüssen gibt es unter den 20 Muskeln auch solche, die weder ich noch mein Gehirn kennen. Sprich: Ich scheitere kläglich beim Versuch, diese Muskeln isoliert anzuspannen.
Neben den Kraftübungen liebäugle ich mit einem weiteren Trainingsansatz: Wie wäre es, für Waldspaziergänge und Flachlandwanderungen in Barfussschuhe zu schlüpfen, die keinerlei Halt bieten? Ich lese in Studien, dass diese nicht nur das Fussgewölbe stärken, sondern auch die Durchblutung und das Gleichgewicht fördern. Klingt einleuchtend.
Bloss keine Farben!
Nach etwas Online-Recherche entscheide ich mich für ein – ich rede mir dies zumindest ein – vergleichsweise dezentes, hellgraues Modell einer bekannten Wanderschuhmarke. Bloss keine auffälligen Farben! Doch kaum marschiere ich von zu Hause los, schielt der erste entgegenkommende Spaziergänger auf meine neuen Treter. In seinem Blick errate ich jedoch Interesse statt Entsetzen.
Auf Asphalt fühlt sich das Gehen wie erwartet hart an, doch sobald ich den Wald betrete, bin ich begeistert. Wow, wie angenehm! Druckstellen? Fehlanzeige. Als würde ich in Socken spazieren. Im Gegensatz zum Barfusslaufen tapse ich auch nicht vorsichtig herum, weil ich jederzeit befürchte, in Hundekacke oder auf eine Nacktschnecke zu treten. Zudem bin ich mehrfach überrascht: Mir fällt auf, dass ich meine Füsse beim Gehen viel natürlicher, weicher abrolle als mit gewöhnlichen Sportschuhen – und wie sehr dies damit zu tun hat, dass mich keine dicke Sohle unbewusst daran hindert. Ebenso frappant ist, dass ich aufrechter gehe. Oder wie gut ich am Abend spüre, dass sowohl die Waden- als auch die Fussmuskulatur etwas Überstunden leisten mussten. In der Folge trage ich die Minimalschuhe sukzessive immer etwas länger – bis hin zu fünfstündigen Wanderungen mit felsigen Passagen. Die griffige Vibramsohle haftet auch an glattem Stein. Ich fühle mich fast so trittsicher wie Spider-Man.
Mein Fazit
Nach zwei Monaten lautet mein Fazit: Barfussschuhe sind nicht wirklich schön, aber eine tolle Ergänzung für alle, die ihre Fussmuskulatur spielerisch stärken möchten. Zudem ist das Tragen viel bequemer als erhofft, und auch in Socken (aus olfaktorischen Gründen empfohlen) nimmt man den Boden und dessen Beschaffenheit ganz anders wahr. Knieschmerzen hatte ich nachträglich nie – ganz im Gegensatz zu meinen Erfahrungen mit weichen Sportschuhen. Ein weiterer Pluspunkt: Da die Barfussschuhe extrem leicht, beweglich und platzsparend sind, eignen sie sich auch für Ferienreisen oder für Teileinsätze auf Wanderungen, bei denen sie auf asphaltierten Abschnitten nicht zu empfehlen sind. Angenehm auch: das Kribbeln in den Füssen, sobald ich die Schuhe ausziehe. Das Blut zirkuliert – in allen 20 Muskeln.
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