An den Konzerten der Hatt-Bucher-Stiftung im Fraumünster spielt die Zürcher Kammerphilharmonie unter der Leitung von Dominic Limburg. Der junge Schweizer Dirigent ist Kapellmeister an der Deutschen Oper Berlin.
Interview: Usch Vollenwyder
Im November dirigieren Sie die Zürcher Kammerphilharmonie im Zürcher Fraumünster. Was erwarten Sie vom Publikum? Ich freue mich darauf! Ich weiss, mit welcher Begeisterung das Publikum diese Konzerte besucht. Es ist etwas Besonderes: Menschen, die eher selten in einen solchen Musikgenuss kommen, sind in der Regel offener und empfänglicher, oft sogar überwältigt und fasziniert vom gemeinsamen Klangerlebnis. Sie spüren die unmittelbare Kraft der Musik, ohne sie zu hinterfragen oder zu vergleichen. Daraus entsteht eine besondere Energie, die geht auf das Orchester über zum Dirigenten und wieder zurück zum Publikum. Für die Musizierenden und für mich ist es ein grosser Unterschied, ob wir vor wenigen Leuten oder in einem vollen Fraumünster auftreten dürfen.
Die Zürcher Kammerphilharmoniker waren ursprünglich bekannt als «Orchester vom See». Warum der Namenswechsel? Das Orchester vom See wurde 2011 von Ulrich Stüssi, dem Enkel des Musikers und Komponisten Fritz Stüssi aus Wädenswil, gegründet. Er wollte damit das Andenken an das grosse Schaffen seines Grossvaters hochhalten. Der neue Name ist dem hohen Niveau des Orchesters angepasst: Die Zürcher Kammerphilharmonie fördert junge Berufsmusikerinnen und -musiker, die ihr Studium abgeschlossen haben, Erfahrungen sammeln und ihr Repertoire vergrössern wollen. Diese jungen Leute beherrschen ihr Instrument, sie haben viel Energie und Freude am gemeinsamen Musizieren. Für mich ist es ein Genuss, mit ihnen zu arbeiten: Von der ersten Probe an sind sie voll motiviert und engagiert.
Am Konzert dirigieren Sie nicht nur ein Werk von Fritz Stüssi, sondern auch von Joseph Haydn, Wolfgang A. Mozart und von Johann Nepomuk Hummel. Wie kam das Programm zustande? Es entstand im Austausch mit Frau Christina Wagner-Hatt, der Vizepräsidentin der Hatt-Bucher-Stiftung. Sie brachte ihre Wünsche und Vorstellungen ein, und ich legte unsere Vorlieben und Stärken dar. Das Programm ist abwechslungsreich: Eine Ouvertüre, eine Sinfonie, ein Trompetenkonzert und zum Schluss, mit der Ouvertüre zur «Zauberflöte», noch Oper – es sind alles Meisterwerke!
Welches ist Ihr Programm-Highlight? «Die Zauberflöte» ist für mich immer ein Höhepunkt. Sie begleitet mich seit meiner Kindheit: Während zehn Jahren sang ich im Chor der Zürcher Sängerknaben und kam dabei in Kontakt mit der Opernwelt. In Mozarts Werk durfte ich auch den Solo-Part des ersten Knaben übernehmen. «Die Zauberflöte» ist zudem die Oper, die ich mit am häufigsten dirigiere.
Sie waren Pianist und studierten Gesang. Warum wurden Sie Dirigent? Während des Studiums realisierte ich, wie faszinierend es ist, gemeinsam mit Musikern und Musikerinnen Werke zu erarbeiten, zu gestalten, und überhaupt mit ihnen zu musizieren. Die Energie eines Orchesters zu bündeln, zu kanalisieren und so die Musik zum Blühen zu bringen – das ist etwas unglaublich Schönes! Als Dirigent verstehe ich mich zudem als Anwalt des Komponisten und versuche, die Partitur in seinem Sinn zu interpretieren und sie dem Orchester zu vermitteln.
Ist das Orchester Ihr Instrument? Auf eine Art schon. Aber es ist kein starres Instrument, das ich nach Gutdünken bespielen kann. Vielmehr ist es ein Klangkörper, der aus verschiedenen Musikerpersönlichkeiten mit eigenen Meinungen und Vorstellungen besteht. Ich gebe einen Impuls und bin offen für das, was zurückkommt. Es ist wie ein Spiel, ein Hin und Her, ein Geben und Nehmen zwischen dem Dirigenten und den Musizierenden.
Ist Musik für Sie Beruf oder Berufung? Eindeutig Berufung! Der Wunsch kommt von innen heraus: Man beschäftigt sich mit Musik, hat Freude daran, übt sein Instrument, wird besser, alles passt, ist schön, sinnvoll, man kann sich entfalten, sich einbringen … Mit der Zeit eröffnen sich neue Welten, man bekommt Kraft aus dem gemeinsamen Musikerlebnis. Allerdings vergessen viele Leute, dass die hauptsächlichste Arbeit eines Dirigenten zu Hause am Schreibtisch passiert: Ich studiere Partituren, beschäftige mich mit den Werken und bereite die Proben vor. Die Proben mit professionellen Musikerinnen und Musikern sind dicht, wertvoll und jede Minute zählt. Ein Dirigent, der diese Vorbereitungsarbeit nicht mag, hat es schwer.
Wie sieht Ihre musikalische Zukunft aus? Ich bin in der Oper verwurzelt und arbeite gern als Operndirigent. Ich dirigiere aber auch Sinfonien – ich möchte auf keine dieser Welten verzichten. Ein Leben ohne Musik ist für mich jedenfalls undenkbar.
Dominic Limburg und die Zürcher Kammerphilharmonie
Geboren 1990 in Zürich, absolvierte Dominic Limburg nach ersten musikalischen Erfahrungen bei den Zürcher Sängerknaben das Musikgymnasium. Er studierte an der Hochschule der Künste Klavier und Gesang, bevor er als Dirigent seinen Master mit Auszeichnung erlangte. Gastdirigate und erste Engagements führten ihn nach Deutschland, seit Sommer 2021 ist er als Kapellmeister an der Deutschen Oper Berlin tätig. 2019 übernahm Dominic Limburg als Chefdirigent die Zürcher Kammerphilharmonie, die sich die Förderung von jungen Berufsmusikerinnen und -musikern zum Ziel gesetzt hat. Mit ihr erarbeitet er jährlich vier Konzerte mit anspruchsvollen Werken von Barock bis Moderne, eines davon sind die beiden Fraumünster-Konzerte am 8. November 2023.
Das Konzert im Fraumünster ist der Hatt-Bucher-Stiftung zu verdanken.
Das Thema interessiert Sie?
Werden Sie Abonnent/in der Zeitlupe.
Neben den Print-Ausgaben der Zeitlupe erhalten Sie Zugang zu sämtlichen Online-Inhalten von zeitlupe.ch, können sich alle Magazin-Artikel mit Hördateien vorlesen lassen und erhalten Zugang zur Online-Community «Treffpunkt».
Um diese Website optimal bereitzustellen, verwenden wir Cookies.
Mit der Nutzung dieser Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Erfahren Sie mehr in der
Datenschutzerklärung.